Der baden-württembergische CDU-Ministerpräsident Stefan Mappus hat vor der Atom-Katastrophe in Japan vehement versucht, sich als Pro-Atom-Politiker zu profilieren. Und wenn es dabei ehrlich zugeht, muss das auch sein dürfen. Heute aber soll es kein “weiter so” geben können. Mappus steckt mit seiner offensichtlichen Taktirerei sowohl in Sachen Kernkraft als auch bei Stuttgart 21 in einer Glaubwürdigkeitskrise – das einzuräumen sei auch einem Befürworter von Stuttgart 21 erlaubt …

In einem ZDF- Interview konnte man all dies beobachten, was Stefan Mappus zu einem der derzeit wohl unbeliebtesten Politiker Deutschlands macht. “heute journal”-Moderator Claus Kleber stellte völlig zurecht die Frage, woher sein Gesinnungswandel in der Atomfrage komme, dass er nun plötzlich die umstrittene Laufzeitverlängerung für alte deutsche Atomkraftwerke auszusetzen bereit ist. Die deutschen Kraftwerke seien ja nach den japanischen GAU´s nicht plötzlich unsicherer geworden.

Wie Mappus auf diese Gretchenfrage in Sachen Glaubwürdigkeit reagierte, ist entlarvend. Offenbar hatte er mit seinen Beratern vorab einen argumentativen Dreiklang komponiert, der ungefähr so geht: “Ängste ernst nehmen. Kein weiter so. Ergebnisoffen diskutieren.” Diese drei Schlagworte wiederholte der bleiche, schwitzende Mappus, der aus der schwäbischen Provinz Gaildorf zugeschaltet war, wieder und wieder. Egal auf welche Frage: Ängste ernst nehmen. Kein weiter so. Ergebnisoffen. Mantragleich.

Sichtlich ist sein Problem, dass diese Schlagworte aus seinem Mund jedenfalls zu hohlen Phrasen mutieren, und dass dies mittlerweile allzu offensichtlich geworden ist. Im Gespräch blitzte mehrfach auf, was Mappus vermutlich wirklich denkt. Etwa wenn er genervt erklärt, man könne “von mir aus” die Atom-Risiken jetzt neu bewerten, müsse dann aber bitte auch darüber reden, wo die Energienetze für erneuerbare Energien herkommen und wie das ganze finanziert werden soll – womit er doch – eigentlich – recht hätte …

Überdeutlich zeigt sich hier, wie sich Mappus die Argumentationslinie bereits bis zum Ende zurechtgelegt hat. Wahrscheinlich spekuliert er darauf, dass die neuen Energienetze eben auch nicht beliebt sind; kein Bürger – und die besser verdienenden Grünen schon gar nicht – wünscht sich Starkstromtrassen vor der Haustür – und dass man den Atomausstieg am Ende schlicht nicht bezahlen kann. Irgendwo lugt dann schon wieder das schlimme Un-Wort “alternativlos” um die Ecke. Und so glaubt man einem wie Mappus eben schon lange nicht mehr, dass er wirklich “ergebnisoffen” handelt.

Das Ganze erinnert natürlich auch an die Debatte um den umstrittenen Tiefbahnhof Stuttgart 21. Man kann einen Bahnhofsneubau und eine Atomkatastrophe natürlich nicht vergleichen – die rhetorischen Blendgranaten des Stefan Mappus sind aber in beiden Fällen dieselben. Auch bei Stuttgart 21 zeigte er sich nur scheinbar kompromissbereit, während  im Hintergrund die Bagger buddelten. Man kann (und ich bin es) aus guten Gründen auch FÜR diesen Bahnhof sein. Jedoch ist es diese Schere zwischen dem, was einer sagt und dem, was er tut, die bei Politikern vom Schlage Mappus immer weiter aufgeht.

Mappus sagt, er wolle “ergebnisoffen” diskutieren, er wolle “Ängste ernst nehmen”, es könne kein “weiter so” geben. Was Mappus tut, ist, dass er Bagger weiter laufen lässt, dass er mit dem Land Baden-Württemberg die Mehrheit am Atomkraftwerke-Betreiber EnBW übernimmt, dass er lange vor der Japan-Katastrophe seinen Parteikollegen Norbert Röttgen quasi zum Rücktritt aufforderte, weil der nicht ganz so vehement Pro-Atom eingestellt war wie er selbst.

Im aktuellen Wahlkampf bleibt Mappus ein Getriebener der Ereignisse. Zunächst sah es so aus, als könne ihm der Protest gegen Stuttgart 21 eine Wahl-Schlappe bescheren. Mit der Verpflichtung von Heiner Geißler als Vermittler landete Mappus dann einen Coup, mit dem er seine Kritiker kommunikativ ausbootete. Dass er das selbst so sieht, nämlich als irre cleveren Kommunikations-Stunt, konnte man an seinem spöttischen Grinsen sehen, als er von Claus Kleber auf Stuttgart 21 angesprochen wurde. Wohl mal kurz vergessen, dass da doch eine Kamera auf ihn gerichtet ist …

Wäre Mappus in wahrhaftigem Sinn wirklich glaubwürdig, müsste er auch jetzt noch seine Pro-Atom-Politik verteidigen. Denn an der Sicherheitslage der deutschen Atomkraftwerke hat sich seit Japan doch nun wirklich nichts geändert. Dass ein Atom-Unfall schreckliche, irreparable und unvorhersehbare Folgen haben kann, ist nicht erst seit vorgestern bekannt. Dumm (gelaufen)!

Oder aber, die andere Möglichkeit, Mappus wäre tatsächlich nach den Ereignissen von Japan geläutert. Die Atom-Katastrophe am anderen Ende der Welt hätte ihm die Augen geöffnet, dass es doch keine gute Idee ist, mit Priorität auf Kernenergie zu setzen. Dann allerdings hätte er jetzt vor Kameras zu treten und explizit für einen Atom-Ausstieg plädieren und zweifelhafte Alt-Reaktoren wie den in Neckarwestheim dauerhaft abschalten. Aber genau zu einer solch konkreten Aussage, wollte sich Mappus auch im selbstentlarvenden (unten im Bild auf „Mappus“ klicken) “heute-journal”-Interview – auch auf Nachfrage – nicht einlassen. Dass er (und auch die Kanzlerin) damit kalkulieren, dass sich die Atom-Diskussion nach einigen Monaten Moratorium wieder abgekühlt haben wird und man zur Tagesordnung übergehen kann, das ist einfach zu offensichtlich. Glaubwürdigkeit, bei Mappus ist sie längst zur Beliebigkeit verkommen.

Am 27. März wird sich zeigen, ob die Wähler Baden-Württembergs Mappus‘ Ansage folgen, dass es kein “weiter so” geben kann. Vermutlich interpretieren sie diese Aussage anders, als sich Mappus das wünscht. Aber, um Gottschlings willen, wen wählen? Die Frau, die hier in Heidelberg für den Landtag für die SPD (in der ich Mitglied bin) kandidiert, hat auch ein Glaubwürdigkeitsproblem. Ich empfehle und wähle (nicht nur deshalb) Annette Trabold! Die nämlich ist verlässlich, liberal, engagiert. Und, zu guter Letzt, ist sie:  e h r l i c h.

März 2011 | Heidelberg, Allgemein, Sapere aude, Zeitgeschehen | 6 Kommentare