Der zu lebenslanger Haft verurteilte Kindermörder Magnus Gäfgen kämpft gerade um eine Entschädigung: Der 35-Jährige muss am 17. März persönlich vor dem Frankfurter Landgericht erscheinen, sagte Gerichtssprecher Arne Hasse am Montag. Gäfgen fordere in dem Zivilverfahren 10.000 Euro Schmerzensgeld vom Land Hessen, weil er nach einer Folterandrohung der Polizei traumatisiert sei. Hinzu komme eine Schadenersatzklage, deren Streitwert auf 5000 Euro festgelegt worden ist.
Zu lebenslanger Haft verurteilt – und will nun vor Gericht Schmerzensgeld erstreiten: Magnus Gäfgen fordert in einem Zivilverfahren eine Entschädigung – weil er nach einer „Folterandrohung der Polizei“ traumatisiert sei.
Es war einer der spektakulärsten Fälle von Kindesentführung in Deutschland: Magnus Gäfgen hatte 2002 einen elf Jahre alten Frankfurter Bankierssohn gekidnappt und umgebracht.
Das Strafverfahren gegen Gäfgen wird nach Ansicht der Staatsanwaltschaft jedoch nicht noch einmal aufgerollt. Der Antrag auf Wiederaufnahme fast achteinhalb Jahre nach der Tat sei unzulässig, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Darmstadt. Die Anklagebehörde habe die Akten an das Landgericht Darmstadt weitergeleitet und dafür plädiert, den Antrag zurückzuweisen. Für den Wiederaufnahmeantrag fehle eine Grundlage. Wann das Landgericht entscheidet, ist offen.
Gäfgens Anwalt beruft sich in seinem Wiederaufnahmeantrag auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Dieser hatte eine Folterandrohung der Polizei gegen Gäfgen angesichts des absoluten Folterverbots der Menschenrechtskonvention als „unmenschliche Behandlung“ eingestuft. Auch wenn ein Menschenleben in Gefahr sei, wie es im Fall des damals von Gäfgen entführten Bankierssohns Jakob von Metzler angenommen wurde, „kann es keine Ausnahme geben“, befanden die Straßburger Richter. Dabei fand der Vorsitzende dennoch verständnisvolle Worte für die Versuchung, mit allen Mitteln dem Entführer Informationen über den Verbleib seines Opfers zu entlocken. Die Ermittler glaubten, dass Jakob von Metzler noch lebe. Doch der Junge war bereits tot.
Folterdrohungen, auch wenn damit Leben gerettet werde sollen, seien rechtswidrig. Dieses Urteil hat – zwar – den Rechtsfrieden gefördert, jedoch – wie wir meinen – nicht ohne wenn und aber.
Tatsächlich verzichtet das Gericht auf alle Beweismittel, die vor dem Verfahren erhoben wurden. Gäfgens Geständnis, das er im Gerichtssaal ablegt, wird zum entscheidenden Beweis.
05.März.2011, 12:40
Mich interessiert bei dem Fall noch etwas anderes:
Hätte man diesen Gäfgen, diese in er Tat üble Figur, tatsächlich gefoltert, wenn er nicht ausgesagt hätte?
Präzise angesagt worden war ihm ja ein unaushaltbarer Schmerz, den man ihm über die Ohren zufügen wollte, wenn ich mich recht erinnere.
Dazu hätte ich gerne gewusst: Welcher Typus von Experte hätte sowas im Zweifelsfall appliziert? Mit welchem Gerät oder wird solches – wie bei den Briten – „nur“ exportiert? Woher hätte er die schreckliche „Kompetenz“? Wer „trainiert“ ggf. solche Leute? Gibt es im Bereich der polizeilichen Exekutive entsprechende Vorkehrungen, über die nur nichts bekannt ist, weil geheim?
„Taugliches Gerät“ gibt es ja schon in analogen Bereichen, wenn man an den vielerorts sichtlich vorhandenen Taser zur Crowd Control denkt (Elektroschockstarre mit Extremschmerzzufügung).
Folterandrohung zur Rettung eines Menschenlebens ist eine Sache (und letztlich aus rein subjektiver Entscheidung heraus persönlich zu verantworten wie im Falle des Kommissars). Eine andere, jedoch damit eng verknüpfte Sache ist, dass daraus eine schreckliche Routine werden kann. So etwas kann in bestimmten gesellschaftlichen Gesamtlagen sehr schnell gehen.
Staatlich akzeptierte Folterroutine aber ist immer ein Herrschaftsinstrument, das Angst und Schrecken verbreiten soll, um Menschen nieder zu halten. Deutschland nach 1945 ist eines der in der Minderzahl befindlichen Länder auf unserem Planeten, wo Herrschaft noch anders geht (siehe die Berichte von Amnesty International). So sollte es auch bleiben.
Beste Grüße
Fritz Feder