Wie Max Liebermann sich selbst sah und wie ihn andere sahen, zeigt eine kleine, aber feine Ausstellung in der Liebermann-Villa am Wannsee, wo der Maler ab 1910 mit seiner Familie die Sommer verbrachte.Max Liebermann wurde spät zum Porträtmaler – erst mit knapp 50 fing er an, sich selbst und andere zu malen. Da machte die Fotografie ihm schon Konkurrenz. Doch das Ölbild hatte immer noch mehr Prestige: Liebermann wurde Anfang des 20. Jahrhunderts zum Chronisten des Berliner Großbürgertums.
Dem gehörte er selbst auch an. Als Präsident der Akademie der Künste war er mindestens ebenso sehr Kulturpolitiker wie Künstler. Seinen ersten Selbstporträts merkt man das Selbstbewusstsein eines Mannes an, der sich zur gesellschaftlichen Elite rechnet. Später tritt an die Stelle eines festen Blicks zweiflerische Melancholie – passend dazu zitiert die Ausstellung in der Liebermann-Villa, die den Maler aus der Eigen- und der Fremd-Perspektive zeigt …

… den Künstler mit dem Ausspruch, das Selbstporträt sei das schwierigste Genre, denn: «Es fehlt die Distanz.»

Liebermanns Zeitgenossen hatten dieses Problem nicht – wie unterschiedlich sie den stets zwischen Impressionismus und Naturalismus schillernden Künstler sahen, beweisen die Liebermann-Porträts, die Kurator Hans Faass im zweiten Raum der Ausstellung versammelt hat. Bei Anders Zorn schaut er den Betrachter geradezu herausfordernd an, bei Ernst Ludwig Kirchner verschmilzt er beinahe mit dem Hintergrund – Kirchner bildet ihn im Atelier ab – und bei Conrad Felixmüller ist er von der Zeit gezeichnet, der Blick trotzdem immer noch ein scharf beobachtender.

Im dritten Raum sind Karikaturen ausgestellt, auf denen Liebermann in seinen unterschiedlichen Funktionen, u.a. als Mitgründer der Berliner Secession und als Präsident der Akademie der Künste, durch den Kakao gezogen wird. Auf fast allen Bildern sind die Gesichtszüge des jüdischen Künstlers antisemitisch verzerrt – das wirkt im Nachhinein wie ein Hinweis darauf, dass Liebermann sein letztes Lebensjahr nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in gesellschaftlicher Bedeutungslosigkeit verbringen würde.

Die Reise an den zugefrorenen Wannsee lohnt sich, nicht nur, um Liebermanns prächtiges Sommerhaus mal mit Schnee auf dem Dach zu sehen, sondern eben auch, um den Hausherrn als «öffentlichen Kopf» besser kennen zu lernen.
Die Ausstellung: Max Liebermann – ein öffentlicher Kopf
21.11.2010 – 28.02.2011
täglich außer dienstags
11 – 17 Uhr in der Liebermann-Villa am Wannsee, Colomierstr. 3, Berlin
Katalog: 15 €

Weitere Informationen

Fotos – es gibt einige Aufnahmen von Liebermann – lässt die Ausstellung übrigens beiseite. Wie der Maler dem neuen Medium farben- und facettenreich Konkurrenz zu machen suchte, lässt sich im lesenswerten, ausführlich bebilderten Katalog nachvollziehen.

Nov. 2010 | Allgemein, InfoTicker aktuell | Kommentieren