Axel Prahl als Muffel-Cop und Jan-Josef Liefers als ätzend-zynischer Professor sind – was den Mord am Sonntag angeht jedenfalls – derzeit das beliebteste Ermittler-Duo in. Gehen wir auf Spurensicherung (SpuSi!) und decken das Erfolgsgeheimnis des Münsteraner Tatorts auf.
Sie schlagen sich und sie lieben sich. Klassische Szenen einer Ehe sind das, die sich zwischen Hauptkommissar Frank Thiel und Gerichtsmediziner Karl-Friedrich Börne sonntagabends im Ersten abspielen. Das zänkische Münsteraner Duo ermittelt seit 2002 Mord und Totschlag vs. Gerechtigkeit – und erzielt derzeit die besten Quoten unter den Tatort-Kommissaren. Damit haben Jan Josef Liefers und Axel Prahl nicht nur die Hannoveraner Kollegin Maria Furtwängler (Kommissarin Charlotte Lindholm) als beliebteste Ermittlerin entthront, sondern mit über 10 Millionen Zuschauern bei der Folge «Spargelzeit» zugleich die höchsten Tatort-Zuschauerzahlen seit 13 Jahren erreichen. Grund genug also, ein bisschen Spurensicherung „(SpuSi“) zu betreiben und das Geheimnis ihres Erfolges zu erkunden.
Überzeichnung und Selbstironie
Axel Prahl, klein, propper mit einem zwar leichtem Bauch- jedoch heftigem Prollansatz, ist die Rolle des nordischen Muffelkopps und St.-Pauli-Fans Thiel (das hat ein guter Autor auch zu können) wie auf den Leib geschrieben. Und Jan Josef Liefers, der bekanntlich im echten Leben mit Sängerin Anna Loos verheiratet ist und in der eigenen Rockband (Jan Josef Liefers & Oblivion) den Frontmann gibt, favorisiert auch als Wagnerianer Börne den ganz großen Wumms und musikalischen Größenwahn. Schrullige Typen sind sie, der nörgelnde Thiel und der näselnde Börne: abgehalfterter Bulle mit Bodenhaftung und Unfrisur der eine und eitler Professor mit sowohl standesdünkligem Porsche wie Savoir Vivre der andere. Liefers und Prahl überzeichnen die Figuren mit einem Augenzwinkern und nehmen sich eher fast immer als nicht in ihren Rollen mit großem Spaß selbst kräftig auf die Schippe.
Wie Ernie und Bert
Börne parliert, Thiel rollt mit den Augen, Börne zieht es auf den Golfplatz, Thiel in die Fankurve: Die Münsteraner Ermittler könnten gegensätzlicher kaum sein, und genau das macht ihren Charme aus. Wie ein altes Ehepaar leben die beiden Tür an Tür im selben Haus – miteinander (wiewohl einer der Beiden den Vermieter gibt – na wer wohl?) und aneinander vorbei. Sie teilen nicht nur die Mordfälle, sondern auch tropfende Wasserhähne und Heizungsschäden und kultivieren dabei genüsslich ihre Macken. Genug Schnittmenge also für jede Menge Ulkerei und Slapstick im Schoße der westfälischen Provinz. Thiel und Börne sind die Ernies und Berts unter den Tatort-Kommissaren. Die Münsteraner Variante nimmt sowohl ihre Protagonisten als auch „das Format an sich“ nicht ganz ernst und lebt vor allem vom komisch bis klamaukigen Grundton.
Würzige Landluft
Entsprechend augenzwinkernd sind die Fälle auch konzipiert: Im Spargelfeld wird nicht nur Gemüse abgestochen, auch alte Moorleichen kommen im westfälischen Wald ans Tageslicht, Deckhengste werden entführt und kastriert und Hellseherinnen unter mysteriösen Umständen in entlegenen Villen um die Ecke gebracht. Immer wieder geht es um Vereinsklüngelei, lokalpolitische Irrungen und Wirrungen oder die Ränkespiele des schwindenden Landadels. Und mittendrin Thiel und Börne, die sich nach bester Screw-Ball-Methode zänkisch bis zärtlich über den Mund fahren. Der Münsteraner Tatort ist das kuschlige Gegenstück zu den nicht selten ganz dicken, globalisierten Fällen der Großstadt-Kollegen aus Berlin, Köln oder Hamburg und bietet frische Landluft statt urban-globalem Thrill.
Der Rest vom Schützenfest
Doch Thiel und Börne wären wenig ohne ihre Adjutanten. Nicht minder kurios als die Protagonisten ist das Restensemble, das die Macken der beiden Ermittler gleichsam in den erweiterten Personenkreis hineinträgt. Da ist Herbert Thiel (Claus D. Clausnitzer), kauziger Grauzopf, Alt-68er und Vater des Kommissars, der sich neben seinem Hauptberuf als Taxifahrer mit privatem Hanf-Vertrieb ein bisschen was dazuverdient und womöglich selbst sein treuester Kunde ist. Genug Stoff also für jede Menge Zunder, wenn Revoluzzer-Vater und Beamten-Sohn aufeinander treffen, die außer ihrem Nachnamen und einem Faible für fragwürdige Frisuren immerhin noch die ausgeprägte Streitsucht teilen.
Und Pathologe Börne? Der wäre ohne seine rechte Hand und bessere Hälfte Silke Haller (Christine Urspruch) nur die halbe Miete: Die kleinwüchsige Forensikerin, von Wagner-Fan Börne liebevoll «Alberich» nach dem wagnerschen, gleichnamigen Nibelungenzwerg gerufen, sockelt das Riesen-Ego ihres Chefs immer wieder und sorgt für schwarzhumorige Abwechslung im Leichenkeller. Einzig von Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann), die als kettenrauchende Staatsanwältin mit Barry-White-Stimme das Patronat über die Universitätsstadt gleich im Vornamen mitführt, bekommen sowohl Thiel als auch Börne in regelmäßigen Abständen eins auf den Deckel.
Ja (!), die richtige Frau ist nicht dabei für Thiel und Börne. Das Münsteraner Ensemble gibt sich durchweg schräg, aber nicht allzu kopflastig. Es gibt hier weder traumatische Vorvergangenheiten wie beim Stuttgarter Ermittler Lannert (Richy Müller) noch verquasten Beziehungsballast wie bei den Leipziger Kollegen (Simone Thomalla und Martin Wuttke). Romanzen und Bettgeschichten sucht man – im Unterschied zu anderen Tatorten – vergebens. Und irgendwie wäre es auch unpassend. Denn am Ende geht Ernie schließlich auch immer nur mit Bert ins Bett. Ganz – was Wunder – unschuldig natürlich.