Wer den Koran wörtlich nimmt, kollidiert mit unserer Kultur. Wenn der Bundespräsident von unserer christlich-jüdischen Geschichte spricht und sie gleichsetzt mit dem Islam – der, so seine Rede, nun zu Deutschland gehören soll – dann vermischt er kulturelle Prägung und Religion.

Ja, das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Auch das Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber gehört  der Islam inzwischen auch zu Deutschland?

Das nämlich war die deutlichste Botschaft in der Rede des Bundespräsidenten zum 20. Jahrestag der deutschen Einheit. Da kann einem schon der Atem stocken. Was hat der Islam mit der deutschen Geschichte, dem deutschen Nationalsozialismus, der deutschen Teilung und der deutschen Einheit zu tun, dass er zum Kernstück der Rede des Staatoberhaupts zu einem geschichtsträchtigen deutschen Feiertag, zum Tag der Deutschen Einheit, taugt?

Vor allem aber: Gehört der Islam zu Deutschland? Zum Islam gehört die Scharia, die Unterdrückung der Frauen und der Meinungsfreiheit, der Anspruch auf den einzigen und alleinigen Gott. Christian Wulff hat ja nicht vom spirituellen Islam gesprochen, von der Religiosität des Einzelnen, sondern eben von dem Islam, der einen unverhohlen weltlichen und politischen Anspruch hat, der von der Scharia gar nicht zu trennen ist, von dem Islam, den es, sobald er sich einer Kritik zu stellen hat, nach den Argumenten seiner offiziellen Vertreter gar nicht gibt und der sich auf seine für Laien undurchschaubare Vielfalt beruft, obgleich er sich in allen seinen Ausprägungen in der Scharia realisiert. Ja, dieser Islam gehört nicht zu Deutschland.

Hier leben vier Millionen Menschen aus islamischen Ländern. Wie viele von ihnen gläubige Muslime sind, wissen wir nicht. Wir wissen auch nicht, wie viele von ihnen jetzt darüber entsetzt sind, dass der Islam, vor dem sie vielleicht geflohen sind, ihnen nun offiziell nach Deutschland gefolgt ist. Im deutschen Sprachgebrauch werden diese Einwanderer seit einiger Zeit nicht mehr nach ihren Herkunftsländer benannt, sondern nach ihrer Religionszugehörigkeit, die sie vielleicht gar nicht haben. Sie sind nicht Türken, Iraner, Libanesen, Ägypter, sondern Muslime. Demnach dürften sich die Europäer eigentlich nicht mehr Deutsche, Engländer, Franzosen oder Spanier nennen, sondern Christen oder Juden. Das aber tun wir  nicht, und es muss die Frage gestellt werden dürfen, warum dem so ist …

Weil nämlich die Religion nur dann unser Leben dominiert, wenn wir uns freiwillig dafür entscheiden, weil wir Atheisten sein und konvertieren dürfen. Weil wir nicht mit dem Tod bedroht werden, wenn wir vom Glauben abfallen. Wenn wir aber von jedem, der als Muslim geboren wurde, als Muslim sprechen, akzeptieren wir das Gesetz des Islam, nach dem jeder Muslim Muslim bleibt, ob er will oder nicht. Dieser Islam aber gehört nicht zu Deutschland. Das walte unser Grundgesetz!

Wenn Christian Wulff von unserer christlich-jüdischen Geschichte spricht und sie gleichsetzt mit dem Islam, der nun zu Deutschland gehören soll, vermischt er kulturelle Prägung und Religion. Wir meinen mit unserer christlich-jüdischen kulturellen Prägung ja nicht nur die Religion, sondern ebenso die Religionskritik und die Aufklärung. Unsere christlich-jüdische Prägung umfasst nicht nur die Christen und Juden, sondern alle, die sich in dieser Kultur verwurzelt fühlen, Andersgläubige wie Atheisten. Zu unserer christlich-jüdischen Geschichte gehört auch unser größtes Verbrechen: der Völkermord an den Juden. Auch das hat uns geprägt, vor allem auch in unserer Furcht vor uns selbst, die manche offenbar auch blind macht für andere Gefahren.

Solange „der Islam“ sich seiner Aufklärung verweigert, solange er keine Götter duldet neben sich, solange er Andersgläubigen und Nichtgläubigen Bekehrung oder Unterwerfung und Abtrünnigen den Tod androht, solange gehört er nicht hierher.

Die in Deutschland lebenden Muslime gehören nun zu Deutschland, das ist wahr. Sie genießen wie jeder, der hier lebt, den Schutz des Grundgesetzes, der ihnen auch die Religionsfreiheit garantiert, solange die Religion nicht mit den deutschen Gesetzen kollidiert. Wer den Koran wörtlich nimmt, wie es der Islam bis heute vorschreibt, wird nicht konfliktfrei durch den deutschen Alltag kommen. Ich kann und will mir nicht vorstellen, dass Christian Wulff unseren gläubigen muslimischen Bürgern wirklich die Last aufbürden wollte, sich ständig zwischen zwei gültigen Systemen entscheiden zu müssen: zwischen der deutschen Rechtsstaatlichkeit und den Gesetzen des Islam, die, wenn der Islam zu Deutschland gehörte, hier gelten würde wie in Ägypten, Saudi-Arabien und zunehmend auch wieder in der Türkei.

Zu Deutschland gehören (jaja, wofür, dass das so bleibe, wir immer wachsam sein müssen (und dürfen!) – wir wissen das – der Rechtsstaat, die Gleichstellung der Geschlechter, die Freiheit der Kunst, die Meinungs- und Religionsfreiheit, die Solidargemeinschaft, das Recht auf Bildung und gewaltfreie Erziehung. Aber, werter Bundespräsident, nicht der Islam.

Okt. 2010 | Allgemein, Essay, Sapere aude, Zeitgeschehen | Kommentieren