Als Oppositionspartei konnten die Grünen fordern, was sie wollten. Nun stehen sie auf dem Sprung zur Macht – und haben plötzlich ein Problem: Das Wünsch-Dir-Was-Prinzip ist vorbei. Was ist zu tun, will man nicht wie die FDP enden?
Angst statt Euphorie: Der aktuelle Höhenflug löst im grünen Lager mittlerweile Beklemmungen aus. Sie könnten sich jetzt aufplustern, von der neuen Macht der Mitte erzählen und so weiter. Doch sie tun es nicht. Die Parteispitze hat den Mitgliedern erfolgreich Demut verordnet. «Bloß nicht abheben», lautet das Mantra, das aus allen Ecken der Partei schallt. «Angesichts des Rekordhochs sollten wir ehrfürchtig sein», verlautete kürzlich ein Führungsmitglied der Partei in einem Interview. «Vor uns liegt noch eine sehr, sehr große Aufgabe.»
Die Zurückhaltung kommt nicht von ungefähr. Zwar kratzt die Partei in den Umfragen kontinuierlich an der 20 Prozent Marke und könnte in Berlin und Baden-Württemberg bald die SPD überflügeln. Jedoch traut die Parteiführung den Zahlen noch nicht und warnt, dass die Umfrageblase auch schnell wieder platzen könnte. Denn von der absoluten Regierungsfähigkeit sei man noch ein gutes Stück entfernt, sagen grüne Spitzenpolitiker hinter vorgehaltener Hand.
Fünf Jahre agierten die Grünen klassisch als Oppositionspartei. Fünf Jahre konnten sie Forderungen aufstellen – ohne die Konsequenzen fürchten zu müssen, wie man unlängst in der CDU süffisant bemerkte. Die Grünen seien doch «mehr und mehr ein Wohlfühlangebot für die Anhänger der Dagegen-Republik», stänkerte Unionsgeneralsekretär Hermann Gröhe – und traf damit einen empfindlichen Nerv in der Öko-Partei. Denn dort weiß man: Es wird schwer, würde man jetzt in die Verantwortung genommen.
Grünes Wohlfühlangebot ist zu teuer
Personell haben die Grünen keine Sorgen. Mit Renate Künast, Cem Özdemir, Jürgen Trittin oder auch Bärbel Höhn haben sie Politiker in erster und zweiter Reihe, die als ministrabel gelten. Aber inhaltlich stehen sie vor einer großen Herausforderung. «Wir haben viele teure Vorschläge erarbeitet. Alle zusammen sind längst nicht finanzierbar», zitiert der Berliner Tagesspiegel eine regierungserfahrene Grüne. Doch genau all diese teuren Vorschläge sind es, die den Grünen von vielen Seiten her Zulauf bringen. Erst vor wenigen Wochen knackte die Partei die Schallgrenze von 50.000 Mitgliedern. Größer waren die Grünen nie.
Umso wahrscheinlicher scheint es, dass man im Fall eines Macht-Comebacks nicht alle versprochenen Wähler- und Mitgliederwünsche durchsetzen kann. So sieht es der erprobte Parteipolitiker Hans-Joachim Vogel (SPD). So nannte der ehemalige Vorsitzende der SPD den grünen Höhenflug einen «interessanten Prozess». Vor Jahrzehnten habe er den ersten Einzug der Grünen in die Parlamente erlebt. Dass sie später einmal zu einer 20-Prozent-Partei werden würden, habe er damals für unmöglich gehalten.
Dennoch – was Wunder – warnte er vor einer Überschätzung, da die Grünen im Vergleich zu allen anderen Parteien in den vergangenen Jahren nicht an ihren Taten gemessen worden seien. «Prüfungen, wie wir sie zu bestehen hatten in der Großen Koalition und in der Zeit danach, werden auch die Grünen nicht vermeiden können», sagte Vogel mit Blick auf die Stimmenverluste der SPD.
In der Bundesspitze der Grünen teilt man diese Einschätzung, fragt sich dort, „wie mit dem Rekordhoch am besten umzugehen“ ist. Die Antwort fällt ihnen nicht leicht, stehen sie doch vor einem schwierigen Spagat. Auf der einen Seite nämlich müssen die Grünen auf der Erfolgswelle weiter nach oben schwimmen und die Stimmung konservieren. Auf der anderen Seite aber müssen sie die inhaltliche Überfrachtung in den Griff bekommen – ohne die Wechselwähler gleich wieder zu verschrecken.
Mehr Schein als Sein? „Mit uns kommt die neue Zeit“?
Behutsam versuchen die Führungskräfte, die Partei durch die stürmische neue Zeit zu manövrieren. Nach außen vermitteln sie Stärke, solidarisieren sich mit den Protestbewegungen und geißeln die schwarz-gelbe Regierung. Intern aber laufen die Analysen und Sondierungen auf Hochtouren. Wer sind die neuen Sympathisanten. Was genau erwarten sie von uns? Was können wir leisten? Brauchen wir andere Strukturen? Das sind die Fragen, die den Angestellten in der Bundeszentrale schlaflose Nächte bereiten.
Was passiert, wenn man die richtigen Lösungen nicht findet, das schließlich hat die FDP vorgemacht. Sie gilt vielen Grünen in diesen Tagen als warnendes Beispiel. Im Wahlkampf 2009 konnten die Liberalen als Steuersenkerpartei punkten. Doch von deren eingefahrenem 14-Prozent-Sieg ist heute nicht mehr viel übrig.
Und in Heidelberg? Hier darf (tun wir das doch) genau hingeschaut werden. Der Grün Alternativen Liste (GAL) jedenfalls haben sich die Grünen hier erfolgreich entledigt. Das macht Hoffnung …
Gemeinderatsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Heidelberg
Kommunalpolitischer Stammtisch: US-Abzug – Chancen jetzt nutzen!
In vielen Städten gibt es ehemals militärisch genutzte Konversionsflächen, die von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIma) verwaltet und verkauft werden sollen. Auch in Heidelberg eröffnet der Abzug der amerikanischen Truppen, Entwicklungschancen für ein meist zentrumsnah gelegenes Gebiet. In einigen Städten wurden Konversionsflächen bereits zu Modellquartieren einer „Grünen Stadt der Zukunft“ entwickelt, mit Lebensqualität für alle Lebensalter, Bürgerbeteiligung, hohe Energiestandards, Verkehrssicherheit und kurze Wege, Arbeits- und Entfaltungsmöglichkeiten. Das Areal beidseits der Römerstraße bietet hierfür Chancen. Darüber hinaus könnten Einrichtungen des Gesundheitsbereichs, der Bildung, des Sports und der Kultur in den Heidelberger Süden zu verlagert werden, um damit das südliche Heidelberg durch eine verbesserte Infrastruktur aufzuwerten.
„Wir wollen mit Ihnen ins Gespräch und über die Nachnutzung der US-Flächen diskutieren. Deshalb laden wir alle Interessierten recht herzlich ein.“
Mi., 20. 10. 2010, 20 Uhr – Treff am Turm/ Franz-Kruckenberg-Str. 54 HD-Rohrbach