Es sei ja eingeräumt – Heidelberg ist ein Dorf, liebenswert, schrullig manchmal, Bloch – im Ernst, bezeichnete Heidelberg (zwar) als Mekka des Geschwätzes, (aber) müssen wir, weil Heidelberg dies alles und noch viel mehr ist, ja nun, auch der Vaterlandsstädte schönste, zuschauen, wie das Bild des Heidelbergers (an sich) nun als Hinterweltler ins Ländle nicht nur, sonder in die ganze Welt verbreitete wird?

Hinterweltler, der

Wenn Hinterweltler welche sind, die sich in ihrer selbstgeschaffenen Ideologie gefangen und daher rationalen Argumenten nicht mehr zugänglich sind, dann haben wir in Heidelberg so viele davon, wie am Sonntag an „NEIN“-Stimmen gezählt werden!

Der Begriff des Hinterweltlers soll hier sowohl für all jene stehen, die ihre selektive Wahrnehmung verabsolutiert haben, als auch für ähnlich agierende, komplexitätsreduzierende, verbiesterte und hasserfüllte „Nein-Sager“ – muss doch so mal gesagt werden dürfen, wenn schließlich einer der Ober-Nein Sager (Lepanto) im Gemeinderat sagen durfte, „JA“- Sagende zum Stadthallenanbau machten sich der Gotteslästerung schuldig. Ähnlich argumentiert wird mit diesem Plakat für NEIN, das wir Ihnen – sollten Sie es noch nicht im Straßenbild entdeckt haben, nicht vorenthalten wollen:

Dies Plakat ist in der Groß- und Eindeutigkeit seiner Aussage kaum noch zu toppen. es zu kommentieren gereicht es mir nicht an Größe. So lasse ich denn Berthold Brecht zu Wort kommen, der von Frederike Kemptner - dem „Schlesischen Schwan“ - einmal gesagt hat. „Gäbe es sie nicht, man müsste sie erfinden“. Auch Lepanto muß erfreulicherweise nicht erfunden werden - wir haben ihn.

Wirkungsmacht – am Sonntag wird sichs zeigen – erzielt man dauerhaft nicht durch haltlose Spekulationen, Skandalisierungen, Hysterisierungen oder anarchisch-pseudoradikale Verlautbarungen, die von wohlstandsgeformten Möchtegernrevoluzzern verfasst werden. Sie liefern höchstens eine – mehr oder weniger gut – gesetzte Pointe und verschaffen ihren Protagonisten kurzfristige Erleichterung. Auf Dauer stumpfen diese Pos(s)en allerdings nur ab und erzeugen eher das Gegenteil dessen, was sie eigentlich intendierten, wobei sie entweder  ziemlich wenig Vertrauen in die eigene Argumentation zeigen, oder mangelnde Fähigkeiten zur Disputation.

Im übrigen muss man ja nicht soweit gehen, wie nach einem Schlag auf die eine Backe die andere Backe hinhaltende Christen, die am Ende fast euphorisch vom Mut, einander Feind zu sein spricht, denn dann mögen wir (alle) uns noch als Feinde lieben, weil jeder dem anderen zu hellerer Klarheit, zu stärkerer Kraft hilft.

Dieses Zutrauen in den Diskurs mutet heute freilich allzu rührend an. Das ist aber nun mal leider so. Einige der Nein-Sager haben das wohl immerhin auch verstanden, es wurden Not-Aktionsgemeinschaften fabriziert in einer Feind-Freund-Zusammensetzung, die einen nur noch staunen machen kann.

Leute, von denen wir wisen – zwei, nur mal eben so zum Beispiel, deren beide ein Gärtchen am Philosophenweg haben und sich derbest beschimpft haben … Lasst uns alle Freunde sein?  Aber ja doch, da kann doch auch ich – eingedenk eines Mittagessens in der  Marstall-Mensa – ein Lied von singen: Ich hatte mal einen Feind. Der hasste mich Tag und Nacht. / Der hätte mich, was mir auch logisch erscheint, von Herzen gern – umgebracht.

Dann aber: bekam ich noch einen Feind. Und ich dachte: zwei Feinde, na ja. Doch was ich dabei übersah:
Dass mein zweiter Feind mit dem ersten Feind / Schon seit Jahrern verfeindet war.

Das merkte ich erst, als mein erster Feind / mich anrief: „Grüß Gott und blabla, der Dings, wie mir scheint, ist dein Feind mein Freund. / Ein gemeinsamer Feind, der vereint, mein Freund, / küß die Hand, tatatü tatata.“

Sogleich erschien mir mein zweiter Feind / nicht mehr ganz so schlimmm, wie er war.
Denn ich dachte: Ein Feind, der es feindlich meint, / der kann doch nicht sein meines Feindes Feind.
Ja, ich sah überhaupt nicht mehr klar …

Denn ich hatte zwei feindliche Freunde zum Feind. / Ein Gedanke, so traurig, so schön.
Ich hab`mich betrunken, gelacht und geweint. / Feiner Freund, lieber Feind, oh du feindlicher Freund.

Ach nimmer wird, wer mit einem Feind, was Feindschaft, ist zu begreifen meint, das Geheimnis der Freundschaft verstehn.

Alsdann, womit ich angedeutet haben will, dass mir einige Verhaltensweisen der NEIN-sagenden Hinterweltler nicht gänzlich fremd sind. Sie aber bleiben trotz Feind-Freudschem Verhalten  dabei, sie sehen  die ganze Welt (zwar) neu; aber ihnen dienen alle Dinge nur zur Bestätigung ihrer Monomanie. Den Hinterweltlern schrumpft die Welt ein. Sie finden in allem und jedem Ding nur noch die Bestätigung ihrer eigenen Meinung. Die Sache selbst ergreift sie nicht mehr. Sie können nicht mehr ergriffen werden; soweit die Dinge sie noch angehen, dient dies dann allenfalls noch als Schlüssel – zur Hinterwelt.

Juli 2010 | Heidelberg, Allgemein, Zeitgeschehen | 16 Kommentare