… und raus bist Du

Intendantensuche in Deutschland geschieht in einem eher halböffentlichen Raum, in dem sich nicht nur feudalistische und demokratische Formen der Machtausübung gegenseitig im Wege stehen, sondern es dienen auch oft genug undurchsichtige
Interessenlagen als Auswahlkriterien.Dass den jeweiligen Kandidaten diese Strukturen der Berufungspraxis durchaus vertraut sind, zeigen Beispiele genug. Und, ist ein Intendant erst einmal berufen, scheidet eine Kündigung unter künstlerischen Gesichtspunkten in aller Regel vollkommen aus. Wer unter den Gemeinderäten, wer von ihnen sollte wohl auch eine Entscheidung tragen und dafür dann auch noch eine Mehrheit bekommen, wann Inszenierungen künstlerisch zu vertreten sind oder ob nicht: Neben der mangelnden Sachkompetenz spielt  als ausschließendes Argument zwangsläufig noch die Möglichkeit einer Zensur eine Rolle. Und das kann niemand wollen, das würde auf Dauer auch jede sinnvolle Theaterarbeit verhindern.

So ergibt sich das absurde Phänomen, dass Stadt und Länder gezwungen sind, tatenlos zuzusehen, wie entweder ein Theater zugrunde gerichtet wird, oder Millionenbeträge von den Rechtsträgern der Theater übernommen werden müssen. Bedarf also das Verhältnis öffentlicher Rechtsträger zu ihren Bühnen einer grundsätzlichen Korrektur? Schließlich haben Theater Etats in Millionenhöhe zu verwalten. Aus diesem Finanzvolumen ergibt sich, dass der Intendant nicht nur über künstlerische, sondern auch über bedeutende fiskalische Fähigkeiten verfügen muß. Es steht ihm zwar gewöhnlich ein Verwaltungsdirektor zur Seite, aber die vom Intendanten getroffenen künstlerischen Entscheidungen sind durchschlagend kostenwirksam.

Weniger durch Inhalt als mit Restriktionen und Struktur- Experimenten hat das deutsche Theater der letzten Jahre versucht, seiner Misere zu entkommen. Theaterdonner ersetzte Alternativen, Mitbestimmungsquerelen verdeckten den Theaterqualm, niemand vermochte so in einem ästhetischen Modell darzustellen, woran es der attackierten Gesellschaft eigentlich gebrach. Nicht einmal war man in der Lage – oder willens – die inneren Widersprüche des deutschen Theatersystems auch nur zu sehen.

Das berühmt-berüchtigte Beispiel, wo praktizierte Mitbestimmung zur Lahmlegung des Theaterbetriebes führte, mag als Extrem durchgehen. Aber es zeigt deutlich, dass solche Versuche überhaupt nur möglich sind, weil dies eine (noch halbwegs) generös geöffnete öffentliche Hand finanziert. Ohne jeden Existenzdruck kann sich kein praktikables Mitbestimmungsmodell entwickeln, weil es im luftleeren Raum notwendigerweise zur formlosen Attitüde verkommt.

Die Auszehrung an Führungspersönlichkeiten zeigt sich vor allem dann, wenn es gilt, irgendwo für einen scheidenden Intendanten einen Nachfolger zu suchen, wenn dies zumal belastet ist wegen Querelen zwischen Stadt- und Theaterverwaltung? Der Begriff Intendanten-Karussell bringt die immer wiederkehrende Situation auf den Punkt: Eine Handvoll beständig gleicher Namen bestimmt das Geschehen.

Wir werden sehen. Ausgeschrieben ist die Stelle des Intendanten des Theaters der Stadt Heidelberg jedenfalls schon mal – aber das Damoklesschwert dieses überproportionierten Neubaus schwebt über alledem, schließlich muß das ja auch mit dem vorhandenen Personal bespielt werden können. Oder vermietet: Trabü-Ball – und alles mögliche – steht in den Startlöchern …

Apr. 2010 | Allgemein, Sapere aude, Zeitgeschehen | Kommentieren