Deutsche Erstaufführung im Heidelberger Zimmertheater: „Einladung zum Abendessen“ (The Invitation) von Brian Parks – Deutsch von Peter und John von Düffel, Regie: Ute Richter
So geistreich bitterböse und so lustig zugleich, Oskar Wilde – da sind wir sicher – hätte seinen Spaß am von Ute Richter für die Deutsche Erstaufführung entdeckten Stück gehabt!
Seziermesserscharf kommen bisweilen schon sehr kräftig-sarkastisch bis zynischer Wort- und Dialogwitz solcherweise einher, als sie einem im Halse stecken bleiben könnten, nähme das Ensemble das nicht bereits insofern gekonnt nachvollziehbar auf, als nämlich die Akteure daraus locker-flockige, filigran-rhetorische Leckerbissen basteln; da muss der Zuschauer schon genau hinhören dürfen …
Auch die Protagonisten tun dies; nach schon darauf hinweisenden – wenngleich noch nicht gegeneinander eingesetzten – Scharfzüngigkeiten gegen zum Beispiel die Musik: „Schluss mit dem lauten russischen Bauerntum“ – sie hören, wie wir auch, den Bauernmarsch aus Tschaikowskis Eugen Onegin, was den Gastgeber – sozusagen als unverfrorene Vorspeise – Tschaikowskis heimliche Homosexualität ebenso ins Spiel bringen lässt, wie – diese zu verbergen – seine Heirat mit einer seiner Schülerinnen, die „nicht nur weiblich war, sondern auch nymphoman“. Tschaikowski beiseite – nach dem Essen gehts dann rasch ans Gastgeber und Gäste betreffende Eingemachte, geht es an das rhetorische Hauptgericht. Brian Parks setzt im Stück – auch – auf der Ironie tiefere Bedeutung, er gibt dieser und der des Sarkasmus Erkenntnisform die zweifellos wichtige Rolle, Verhältnismäßigkeiten auszutarieren.
v. l. Werner Opitz, Manuela Romberg, Lena Sabine Berg, Ulrich Marx, Katharina Waldau. Foto: Mara Eggert
Einmal mehr beweist Ute Richter sowohl bei der Rollenbesetzung ein glückliches Händchen, als auch mit ihrem Regiekonzept eine straffend starke Hand; rhetorische Attacken läßt sie nicht mit dem Säbel fechten, stattdessen werden kaskadeske Wortduelle mit scharfem Florett ausdiskutiert. Parks Ironie setzt Richter um in einen lächelnde Überlegenheit tarnenden Ausdruck von Lebensangst; deren Dynamik sodann reicht der postmodernen Flucht in die Oberfläche – die gleichfalls schwelende Konflikte zudecken soll – die Hand …
„Jemand musste es tun. Jemand musste das alles beenden!“ erklärt David nachdem er seine aufmüpfige, jeden und alles verspottende Frau Marian erstochen hat. (Ulrich Marx gibt Gastgeber David intellektuell, gewitzt, liebenswert cool.) Manuela Romberg spielt überzeugend die selbstbewusst-schlagfertige Marian, die oft das (sic) letzte Wort hat. John, Gast und erfolgreicher Anwalt (Werner Opitz bleibt sich auch in dieser Rolle treu – als Charmeur) gibt seiner Erschütterung lediglich mit der Frage an den Messerstecher Ausdruck: „Oh Gott, Dave – warum? Das ist kein Partyscherz!“. David: „Noch nicht! Tragödie plus Zeit ist das Rezept für Komödie, richtig?“ Richtig! Dann haben wir noch Steph bei diesem Essen, Lena Sabine Berg zeichnet die Chefin einer Werbeagentur köstlich distinguiert, wenn auch nicht minder boshaft: „Verhaften lassen? Es bleibt uns verdammt noch mal nichts anderes übrig!“ – Und Sarah, die für eine wohltätige Stiftung arbeitet, gespielt in vorzüglichem Edelmut von Katharina Waldau, die am Ende aus einem Wandschrank wieder befreit die Frage in den Raum stellt: „Was habe ich verpasst?“ Ne ganze Menge, würde man gerne auf die Bühne gerufen haben.
Die durch der Regie als szenisches Arrangement ausgedrückte Form der Aufführung wurde (wahr- und augenscheinlich) nicht ausschließlich über der Prinzipalin Regiearbeit festgemacht, sondern (gelernte Psychologin, die sie nun mal ist) – abhängig von den künstlerischen Individualitäten der Schauspieler – einfühlsam in einem schöpferischen Prozess erarbeitet; was, was Wunder, natürlich nicht im auch diesmal von Ute Richter äußerst lesenswert gestaltetem Programmheft zu lesen ist. Wer Augen hat zu schauen, nimmt es wahr. Apropos schauen: Die von Ute Richter eingerichtete Bühne besticht in gradlinig sparsamer Möblierung; in diesem Upper East Side Speisezimmer stimmt jedes Detail, die Objektbilder Gerlinde Britschs, die Skulpturen von Günter Braun sowie die HiFi-Skulptur von Bang & Olufsen haben gewiss nicht unwesentlich dazu beigetragen.
Es wird sehr viel gelacht über dies Stakkato der Zynismen, wobei zu guter Letzt – mit Oskar Wilde – unter Zynikern von uns die Leute verstanden seien, die von allen Dingen den Preis kennen, aber nicht den Wert (Wilde: „Leute, die von allen Dingen den Wert kennen, aber nicht den Preis, nennt man Romantiker“). Nicht enden wollender Applaus – auch für den Autor – vom Premierenpublikum. Und Bravi. Von uns auch.
Zimmertheater – Kartentelefon 06221 – 21069
20.Okt.2009, 01:07
Als eifrige Leserin der Rundschau freue ich mich sehr, mal wieder was über eine Produktion des Heidelberger Zimmertheaters zu lesen. Als Wahlberlinerin aus München bin ich oft für einige Tage bei meinem Lebensgefährten in Heidelberg und habe es bisher nie bereut, Aufführungsempfehlungen nachzukommen. Das nächste mal an einem der Abende bestimmt zu diesem Abendessen mit Gästen.
Manuela Carlsen-Müller
01.Dez.2009, 03:48
Oscar Wilde formulierte zum Zynismus auch folgendes:
„Cynicism is merely the art to see things as they are instead as they ought to be.“ Hierfür scheint mir das Zimmertheater mit vielen Aufführungen in extraordinärer Art und Weise zu stehen, gerade auch mit dem oben besprochenen Stück, das ich hoffentlich noch sehen kann.
Ich fühle mich angeregt.
Beste Grüße
Fritz Feder