Natürlich ist es richtig, dass gute Architektur auch (und gerade) Architektur ist, in der sich Menschen wohl fühlen. Richtig ist auch, dass nicht alles was geplant und gebaut wird auch unbedingt „gut“ ist und dass sich Gebäude selbstverständlich in städtebaulicheZusammenhänge einordnen müssen. Die restlichen Thesen diffamieren jedoch unseren Berufsstand in einer Art und Weise wie es offensichtlich modern und populistisch geworden ist. Hier wird der Eindruck erweckt, als ob die engagierte Bürgerschaft bauwütige Architekten und Städteplaner an der Umsetzung ihres „Sendungsbewusstseins“ und der Zerstörung der gewachsenen Stadt hindern müssten!

Architekten und Stadtplaner werden jedoch in der Regel nicht von sich aus tätig – sie brauchen einen engagierten Bauherren und ein sorgfältig ausgearbeitetes Programm für ihre Planungsvorhaben. Zuerst gibt es die Aufgabe – erst dann kommt der Architekt! Stadtplaner und Architekten müssen selbstverständlich soziale, psychologische, und auch in hohem Masse ökonomische, ökologische und funktionale Anforderungen in ihre Entwürfe einarbeiten und darüber hinaus noch eine Gestaltung finden die der jeweiligen Aufgabe, dem Bedürfnis des Bauherren und selbstverständlich auch ästhetischen und wahrnehmungspsychologischen Gesichtspunkten entspricht.

Um alle höchst komplexen Anforderungen an einen guten Entwurf zu erfüllen sind ausser der entsprechenden Begabung eine langjährige Ausbildung und Berufspraxis erforderlich. Natürlich wird man als Architekt darüber zum Spezialisten – auch mit eigenem Fachjargon wie es wohl in jedem Beruf üblich (und unverzichtbar) ist. Und als Fachmann muss der Architekt seinen Bauherren – dem die Fülle der unterschiedlichen Anforderungen an sein Gebäude und die unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten für eine vermeintlich einfache Aufgabe nicht unbedingt bewusst sind – beraten. Ein entsprechend ambitionierter, gebildeter, entscheidungsfreudiger und auch dem Gemeinwohl verpflichteter Bauherr ist hierzu unbedingt erforderlich, es versteht sich von selbst, dass die Qualität des gebauten Umwelt mit der Anonymität des Bauherrn (Immobilienfonds, PPP-Gesellschaften aber auch unübersichtliche Gremien) abnimmt.

Um die beste Lösung für eine Aufgabe zu finden, hat sich seit langen Jahren der Architektenwettbewerb etabliert. In diesem anonymen Verfahren wird unter einer Vielzahl von Entwürfen die nach oben genannten Kriterien passendste Planung herausgesucht. Da die Anforderungen – wie bereits beschrieben – in der Regel jedoch äußerst komplex sind geht es gerade nicht ausschliesslich um Kriterien wie „schön oder hässlich“ sondern um eine möglichst optimale Lösung ohne dass diese auf den ersten Blick als „Kompromiss“ erkennbar wäre (denn das wäre auch keine „gute“ Architektur).

Um dies jedoch beurteilen zu können braucht es wieder den Fachmann – jede Laienjury wäre mit der Bewertung der verschiedenen Lösungen vollkommen überfordert Deshalb die Dominanz von Architekten in Preisgerichten.

Im Übrigen gibt es sonst keinen mir bekannten Berufstand dessen Vertreter sich freiwillig und ohne Honorierung (denn nur die Preisträger erhalten eine Entschädigung die einen Teil der entstandenen Kosten decken) einem konkurrierenden Verfahren unterziehen um die beste Lösung für eine anstehende Aufgabe zu finden!

Wesentlicher Bestandteil des Architekturstudiums sind die Beschäftigung mit Baugeschichte, Denkmalschutz und unserem kulturhistorischen Erbe. Der Wert der bestehenden Stadt und des historischen Erbes sind uns Architekten durchaus bewusst! Allerdings stehen wir heutzutage vor Bauaufgaben und einem sozialen und gesellschaftlichen Kontext, den es so vor hundert Jahren nicht gab. Weshalb wir andere Antworten auf andere Fragen finden müssen. Genauso wie die Stadt der Gründerzeit anders die barocke Stadt aussehen musste. Und die barocke anders als die mittelalterliche.

Unsere Vorfahren waren im Stadtumbau im übrigen weit weniger rücksichtsvoll und geschichtsbewusst als wir es heute sind. Noch eine Bemerkung zum Schluss: Natürlich wollen Architekten bauen und Stadtplaner Städte planen. Das ist unser Beruf!

Wie gesagt: Kein Architekt wird ohne konkrete Aufgabe tätig. Mag sein, dass man eigenständig Ideen oder Visionen entwickelt – zur Umsetzung bedarf es jedoch des Bauherren der die Aufgabe (auch finanziell) umsetzt. Und dieser sollte sich seiner Verantwortung genauso wie der planende Architekt bewusst sein und dazu schaden weder das von Henning Dannenberg eingeforderte Allgemeinwissen noch Kenntnisse der Komplexität unserer Aufgabe sowie der Lösungen, die die neuere Architektur hierfür gefunden hat. Kein Architekt oder Städteplaner wird die kritische Diskussion über seine Arbeit oder der sozialen Funktion der Stadt scheuen.

Wenn sich das Niveau dieser Diskussion aber in die Niederungen des Boulevard begibt (wie zur Zeit in Heidelberg) oder an das „gesunde Volksempfinden“ appelliert, sollte unser Wunsch nach einer etwas differenzierteren Auseinandersetzung mit dem Thema und einem gewissen Grundverständnis der Inhalte unserer Arbeit nachvollziehbar sein!

Stephan Weber
Vorsitzender Architektenkammer Baden-Württemberg
Kammergruppe Heidelberg (Stadtkreis)
Heinsteinwerk
Wieblinger Weg 21
69123 Heidelberg
Tel. 06221 / 13 24-0
Fax 06221 / 13 24-24
www.hd.akbw.de

Dez 2009 | Heidelberg, Allgemein, Zeitgeschehen | 1 Kommentar