Mit einem trotz Grippe und Krise erstaunlich guten Ergebnis endete das 58. Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg. Das Festival genießt einen weltweiten Ruf dafür, die feine Speerspitze der besten Kinokünstler aus der internationalen Jahresproduktion an Filmen auszusuchen und sie das erste Mal einem internationalen Publikum zu präsentieren. Bei einer weltweiten Fülle an Festivals ist Mannheim-Heidelberg damit ein hoch selektives Habitat für Filmkünstler, deren Arbeit und Persönlichkeiten im Gegensatz zu anderen Festivals, die eher auf eine quantitative Breite der dargebotenen Werke setzen, ganz im Mittelpunkt stehen. Die extrem selektive Konzentration auf das einzelne Filmwerk ermöglicht es, jedem Film eine würdige Plattform zu bieten. Fast jeder Film des Programms wird in einem riesigen Kino zur Abendzeit vorgeführt, wobei sich auf die rund 40 Filme des Programms die Aufmerksamkeit der fast 60.000 Zuschauer verteilt: im Vergleich zu anderen Festivals (z.B. München: gleiche Besucherzahl bei 200 Filmen) wird hier jedes Werk außerordentlich ernst genommen und „außerdem bekommen die Regisseure bei uns die besten Hotelzimmer“, sagt Dr. Michael Kötz. „Die Regisseure sind unsere Stars, auch wenn sie noch unbekannt sind. Wer bei uns präsentiert wird, wird von der Fachwelt wahrgenommen, so dass aus einem heute noch unbekannten Filmemacher schon übermorgen der nächste Atom Egoyan oder Lars von Trier werden kann. Die übrigens beide ihre ersten Filme im selben Jahr 1984 in Mannheim zeigten.“
57.000 Besucher verzeichnet die Festivalleitung, wobei einige tausend Besucher sowie Gruppenanmeldungen aufgrund der Grippewelle ihre Reservierungen stornierten.
Mit rund 10% von 0.6 Mio Einwohnern nimmt die Region Mannheim-Heidelberg damit immer noch einen Spitzenplatz in der Besuchsstatistik von Publikumsfestivals ein.
Sowohl die Besucher als auch das Fachpublikum, bestehend aus Journalisten, Filmeinkäufern, Produzenten und Regisseuren, zeigten lebhaftes Interesse daran, die „Lebensträume und Lebenswelten“ der Regisseure zu entdecken. Der weltweit seltene Doppelcharakter des Festivals, als zugleich Publikums- als auch Profi-Festival, wurde damit erneut bestätigt.
Star-Regisseure, Talente und Gäste
Als Publikums- und Fachbesucher-Magnet erwies sich der mit dem „Master of Cinema Award“ gewürdigte kanadische Regisseur Atom Egoyan. Er besuchte vor 25 Jahren das erste Mal Mannheim mit seinem Erstlingsfilm „Next of Kin“, was zugleich seine erste Reise nach Europa und überhaupt zu einem Filmfestival darstellte. Egoyan zeigte sich sehr gerührt über die Auszeichnung und widmete den Preis allen Filmemachern, die wie er damals das Filmfestival Mannheim-Heidelberg zum ersten Mal besuchen.
„Heimat“-Regisseur Edgar Reitz, ein guter und langjähriger Freund des Festivals, kam in diesem Jahr, um zwei seiner kürzlich restaurierten Frühwerke vorzustellen. Nachdem sie 40 Jahre im Archiv gelegen hatten empfand er die Wiederbegegnung mit seinen Frühwerken ebenso wie das überraschend zahlreiche Publikum als eine überaus interessante Erfahrung.
Von den Regisseuren und Produzenten der Filme in den Hauptreihen waren fast alle angereist, zum Teil in Begleitung der Schauspieler. Sie fühlten sich außerordentlich wohl, einige verlängerten ihren Aufenthalt und bedankten sich für die familiäre Aufnahme. Die inhaltliche Ausrichtung des Festivals wurde sehr gelobt und geschätzt, das Festival, das sich auch als Ort der Förderung neuer Kinotalente versteht, wird von den Filmemachern als „spirituelles Camp für Künstler“ empfunden und begeistert angenommen. Die Konzentration auf 25 Filme aus 21 Ländern, die aus der Gesamtproduktion an Newcomer-Filmen des Jahres ausgewählt werden, wird sehr begrüßt, da sie eine hohe Aufmerksamkeit für das einzelne Werk mit sich bringt und ermöglicht.
Dies wissen auch die Filmeinkäufer zu schätzen, die die Sichtungsmöglichkeiten im Internationalen Buyers Service des Festivals intensiv nutzten, um neue Talente zu entdecken und für die jeweils nationale Kino- oder Fernsehauswertung einzukaufen. Insgesamt wurden dort 1100 Mal die Filme gesichtet.
Das Publikum belohnte die Filmauswahl und die Möglichkeit des direkten Austausches mit den Filmemachern mit einer hohen Besucherquote der Filmgespräche im Anschluss an die Filmvorführungen. Rund 85 Filmgespräche fanden in den 11 Festivaltagen statt, im Durchschnitt wurden sie von etwa 120 Zuschauern pro Film besucht, so dass also rund 10.000 Zuschauer das Angebot der Filmemacher wahrnahmen.
Die nationalen und internationalen Medien begleiteten das Festival mit Fachartikeln und -beiträgen sowie Filmrezensionen und Interviews mit den Filmemachern.
MANNHEIM MEETINGS – Ein Markt der Träume
Die MANNHEIM MEETINGS als Markplatz für neue Film-Projekte und Verleih und Verkaufskooperationen ist ein Ort der Vermittlung und Geburt neuer Filme. Hier werden weltweit Finanzierungspartner für neue Filmvorhaben gesucht und gefunden. In diesem Jahr wurden 40 Projekte aus 25 Ländern verhandelt, die insgesamt ein Budget von 57 Mio Euro darstellen. Im Fokus des Rahmenprogramms standen die Länder Slowakei, Lateinamerika und Südkorea, das als erstes asiatisches Land bei den MEETINGS zu Gast war.
Insgesamt nahmen unter anderem 95 Produktionsfirmen, darunter zum Teil sehr efahrene Firmen wie etwa Razorfish aus Berlin (sie produzierten z.B. „Paradise Lost“), 25 Weltvertriebe, sechs Institutionen (KOFIC, Slovak Film Institute etc.) teil. Rund 600 im Voraus arrangierte Meetings fanden statt, zuzüglich der ca 200 zusätzlich vor Ort arrangierten Treffen.
Die Teilnehmer lobten durchweg das hohe Niveau der angebotenen Projekte und die Produktivität und Qualität der Treffen und Gespräche.
Die Resultate der MEETINGS werden sich in den kommenden Monaten herausstellen.
Internationale Jury und Nebenjuries
Die Preise des Festivals, vergeben durch die Internationale Jury mit der Schauspielerin Johanna ter Steege, dem Sales Agent Loic Magneron, und dem freien Autor Willi Winkler, sowie durch die drei Nebenjuries, wurden am Abend des 15. November bekanntgegeben. Durchweg lobten die Jury-Mitglieder das anspruchsvolle Programm an Newcomer-Filmen in den zwei Hauptreihen.
Zweiter FILMKULTURPREIS MANNHEIM-HEIDELBERG
Als Auszeichnung für die „Ökologie der Sinne“ will das Festival den zum zweiten Mal verliehenen FILMKULTURPREIS MANNHEIM-HEIDELBERG verstanden wissen. Er geht an Unternehmen, Institutionen und Einzelpersonen, die sich über Jahre hinweg kontinuierlich verdient gemacht haben um die Filmkultur in Deutschland. Der Preis ging am 12. November im Rahmen einer feierlichen Preisverleihung an den Filmjournalisten Wolfram Schütte, an die „Filmgalerie 451“ und an die „Filmredaktion 3sat“.