Mais ist ein kulturrelevanter Rohstoff. Deshalb muss auch das Feuilleton eine klare Haltung in der Frage des Genmais-Anbaus finden. Was wäre das Kino ohne Popkorn und der Existenzialismus ohne Maispapier-Zigaretten? Und hätte es ohne Polenta eine Resistenza und ohne Resistenza den italienischen Nachkriegsfilm gegeben? Nein, auch der Kulturmensch kommt am Mais nicht vorbei. Gleichwohl fremdelt er mit ihm. Das hat mehrere Ursachen. Wie die anderen beiden großen Amerika-Importe in die europäische Kulturlandschaft, also die Kartoffel und die Tomate, entzieht sich der Mais dem Besungenwerden. Die Spuren, die sie in der Natur- und Liebeslyrik hinterlassen haben, sind spärlich. Die Ähren des Maises, die man Kolben nennt, können nun einmal nicht sacht wogen wie die des Weizens oder des Roggens. Wer eine Mondnacht an einem Maisfeld verbringt, etwa um den sich in seinem Schutz karnickelhaft vermehrenden Wildschweinen aufzulauern, der hört es nur rascheln. Das Geräusch ist nicht dazu angetan, die Seele zum Flug durch die stillen Lande zu stimulieren. Kurzum, der Mais – obgleich seine Anbaufläche auch wegen der Bioenergie-Erzeugung stetig wächst – bleibt dennoch ein Fremdling in unserer inneren Kulturlandschaft. Da kommt alle multikulturelle Korrektheit gegen den romantischen inneren Schweinehund nicht an. Wo es um kulturelle Überlebensfragen geht, folgt der Kulturmensch seiner inneren Stimme und nicht den ohnehin verwirrenden Aussagen interessegeleiteter Experten. Europa darf nicht zur Maiswüste werden.

Aus kulturpflegerischer Sicht ist also – zumal übertriebener – Anbau von Mais überhaupt abzulehnen, der Anbau von Genmais aber ganz besonders. Das hängt nicht etwa mit einer klammheimlichen Freude am nagenden Maisvernichtungswerk des Maiszünslers zusammen, den die genetisch manipulierten Pflanzen nun mit eigenem Gift umbringen. Das Nein zur grünen Gentechnik ist grundsätzlich motiviert. Diese angewandte Wissenschaft zerreißt endgültig den Zusammenhang von Wissen und Tradition, der die Agrikultur als Urform aller Kultur auszeichnet. So wie seit Joseph Beuys gilt, dass jeder Mensch ein Künstler ist, so gilt seit Adam und Eva, dass jeder Mensch ein Bauer ist – oder es zumindest sein können müsste. Dieser Wurzelgrund des Humanen aber wird zerstört, wenn global operierende Konzerne wie Monsanto die Menschheit beim Säen und Ernten von sich abhängig machen. Dass dadurch der Hunger in der Welt bekämpft werde, ist eine kühne Behauptung, die den kulturellen Abwehrreflex nicht beschwichtigen kann. Nicht alles, was aus dem Bauch kommt, ist verkehrt. Aber, und auch dies muss gesagt werden dürfen. Zumal das nicht aus dem Bauch kommt. Hin und wieder muss auch Hirn eingeschaltet werden. gott

Alsdann, Irrationalitäten bitte ausschalten:

Gemeinsame Erklärung der Wissenschaftsorganisationen

Gerade hat die Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ilse Aigner mit sofortiger Wirkung den Anbau von gentechnisch verändertem Mais verboten. Die Ministerin wies darauf hin, dass es sich hier um keine Grundsatzentscheidung zum Umgang mit Grüner Gentechnik, sondern um eine Einzelfallentscheidung handle. Zuvor hatte die oberste europäische Zulassungsbehörde EFSA keine Bedenken gegen einen Anbau geäußert. Aus der Sicht von Wissenschaft und Forschung besteht große Sorge, dass diese Entscheidung den Trend verstärken wird, mit einer aller Voraussicht nach wichtigen Zukunftstechnologie irrational umzugehen und dadurch irreparable Schäden für den Standort Deutschland herbeizuführen.

Die deutschen Wissenschaftsorganisationen setzen sich ausdrücklich dafür ein, die Chancen und die Nutzung der Grünen Gentechnik in Deutschland zu erforschen. Dies schließt auch die vorurteilsfreie Untersuchung von Sicherheitsfragen und möglichen Risiken ein. Diese Untersuchungen finden in Deutschland auch seit Jahren umfangreich und wissenschaftlich profund statt. Die Forschung wird größtenteils durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und durch die Bundesländer – direkt oder über die von ihnen finanzierten Organisationen – finanziert oder als Ressortforschung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz durchgeführt. Nie haben entsprechende Untersuchungen fundierte Ergebnisse erbracht, die eine Abkehr von dieser Technologie auch nur entfernt nahe legen könnten.

Eine pauschale Ablehnung der Grünen Gentechnik schadet nachhaltig dem Forschungsstandort Deutschland. Für die Agrarproduktion in Zeiten des Klimawandels bietet der Einsatz der auf molekularbiologischen Erkenntnissen beruhenden gentechnischen Methoden ein einzigartiges Potenzial, wertvollere, umweltfreundlichere und zugleich produktivere Nutzpflanzen zu entwickeln. Diese Sichtweise steht im Einklang mit von der Bundesregierung finanzierten und internationalen Forschungsergebnissen zur Untersuchung der Risiken Grüner Gentechnik gegenüber klassischen Züchtungsmethoden.

Das Verbot birgt die Gefahr, dass diffuse Ängste statt sachlicher Aufklärung im Vordergrund stehen. Der Zusatz, dass es sich dabei um eine Einzelfallentscheidung handelt, kann über den negativen Effekt für den Forschungsstandort Deutschland nicht hinwegtäuschen und steht einer zukunftsorientierten Ausrichtung diametral entgegen.

Wir wenden uns daher entschieden gegen pauschale Verbote gentechnischer Erzeugnisse und fordern die Politik auf, für eine Versachlichung der Diskussion zu sorgen und verlässliche Rahmenbedingungen für die Forschung und wissenschaftliche Begleitung der künftigen Nutzung der Grünen Gentechnik zu schaffen. Wir begrüßen daher sehr den Vorschlag von Bundesforschungsministerin Annette Schavan, einen „runden Tisch“ mit Wissenschaftlern und Politikern einzurichten, um klare Signale für die künftige Forschung an gentechnisch veränderten Pflanzen zu geben.

Jul 2009 | Allgemein | Kommentieren