Eine Gruppe von Gen-Gegnern steht wegen der Zerstörung eines Weizenfeldes vor Gericht. Sie hat sich darauf eingestellt, Schadenersatz zahlen zu müssen. Wir haben mit einer Aktivistin gesprochen
Mirjam Anschütz: Es handelt sich um Weizen. Das ist unsere wichtigste Nahrungspflanze in Europa.
Das heißt, mit einer anderen Pflanze könnten ruhig Genversuche durchgeführt werden?
Anschütz: Das habe ich nicht gesagt. Nur, dass dies einer der Gründe ist.
Gibt es weitere?
Anschütz: Ja. In den Weizen wurden verschiedene Gene eingebaut. Zum einen, damit der Eiweißanteil erhöht wird. Außerdem, um die Pflanzen resistent gegenüber Antibiotika zu machen.
Woher wissen Sie das?
Anschütz: Ich habe den Antrag des Instituts zur Genehmigung der Weizen-Freisetzung gelesen.
Der vom Bundesamt für Verbraucherschutz positiv beschieden wurde.
Anschütz: Ja, aber in Gatersleben befindet sich die wichtigste deutsche und eine der weltweit wichtigsten Genbanken. In ihr werden Samen von tausenden Pflanzen gelagert. Auch von Weizenarten, die es nicht mehr gibt.
Wo liegt das Problem?
Anschütz: Das Genweizenfeld war nur 500 Meter von der Genbank entfernt. Schon vom gesunden Menschenverstand her, muss man mal sagen: Es gibt einerseits diese wertvolle, einmalige Sammlung und andererseits gleich daneben das zu der Zeit einzige Genweizenfeld in Deutschland.
Damit prangern Sie jedoch die Entscheidung des Bundesamtes für die Freisetzung an und nicht die Forscher, deren Feld Sie zerstört haben. Warum zeigen Sie Ihren Unmut in Gatersleben?
Anschütz: Sie wissen ja, dass wir das Weizenfeld zerstört haben und das konnte man nur da machen.
Nehmen wir einmal an, jemanden gefällt es nicht, dass sie Auto fahren. Dann finden Sie es bestimmt auch nicht gut, wenn derjenige Ihr Auto zerstört, obwohl es in Deutschland nicht verboten ist, Auto zu fahren.
Anschütz: Ich frage mich eben, wie kann es trotz der vielen Proteste dazu kommen, dass so ein Antrag genehmigt wird. Da muss man davon ausgehen, dass dies nicht nur aufgrund sachlicher Gründe passiert.
Dann werden Sie also auch unsachlich und reagieren mit Zerstörung und Gewalt?
Anschütz: Dieses Argument hören wir von Gen-Befürworter immer wieder. Dabei ist die gentechnische Manipulation Gewalt gegenüber den Pflanzen. Die Aktion an sich, war von Anfang an gewaltfrei.
Sie sind vor Ihrer Aktion nicht auf die Forscher zugegangen, um mit Ihnen über das Projekt zu reden. Warum nicht?
Anschütz: Ich habe vorher eine dieser Einwendungen gegen die Aussaat von Genweizen unterschrieben. So gesehen ist im Vorfeld viel passiert.
Aber Sie haben sich nicht persönlich über die Motivation des Genweizenprojekts informiert.
Anschütz: Richtig, das hat keiner von uns gemacht.
Warum nicht?
Anschütz: Weil die Erfahrung zeigt, dass das nichts bringt, wenn schon die massiven Proteste auch nichts gebracht haben. Es wäre ja schön, wenn man alles durch persönliche Gespräche regeln könnte.
Stimmt, aber dazu muss man es wenigstens versuchen.
Anschütz: Das wäre eine Möglichkeit. Aber ich sehe keine großen Chancen.
Wird es nun weitere Feldzerstörungen geben?
Anschütz: Es ist eben nicht so, dass wir überall hingehen und alle Felder, die wir sehen, kaputt machen. Wir haben uns ganz bewusst genau dieses Feld ausgesucht. Es ist durch die Nähe zur Genbank die Spitze des Eisberges.
Nach dieser Logik müssten Sie ja auch die Gewächshäuser in Gatersleben zerstören, in denen Genversuche stattfinden. Die stehen noch näher an der Genbank.
Anschütz: Man kann natürlich nicht alles machen. Die Gewächshäuser sind auch ein Problem, aber ich bin nicht der Typ, der herumläuft und alles zerschlägt. Wir haben jetzt diese eine Aktion gemacht. Sie war wichtig und hat die Aufmerksamkeit wieder auf das Thema gelenkt. Den Gerichtsprozess nutzen wir nun, um die Diskussion anzustoßen und wach zu halten.
Wer bezahlt eigentlich die Gerichtskosten?
Anschütz: Wir.
Persönlich?
Anschütz: Einerseits und andererseits aus Spenden.
Wie hoch ist die Spendenbereitschaft?
Anschütz: Wir bekommen viele Rückmeldungen von Leuten, die sagen: Ja, die Aktion war vielleicht radikal, aber notwendig.
Werden Sie auch von Verbänden unterstützt?
Anschütz: Ja, zum Beispiel vom BUND.
Gen-Gegner leiden meistens nicht Hunger. Es gibt jedoch in der Dritten Welt Völker, die verhungern. Wie würden Sie diesem Argument für die Genversuche begegnen?
Anschütz: Gentechnik ist auf große Betriebe und Monokultur ausgelegt. Es ist aber bekannt, dass kleinteilige Betriebe mit Mischkulturen auf die gesamte Flächenleistung betrachtet, einen größeren Ertrag haben. Außerdem wird durch Gentechnik die Abhängigkeit der Bauern von großen Konzernen erhöht.
Die Forscher in Gatersleben haben das Argument, dass sie Grundlagenforschung betreiben.
Anschütz: Nun ja. Speziell beim Genweizenversuch vermuten wir, dass es da um Produktentwicklung geht und eben nicht um Grundlagenforschung.
Aber das ist nur eine Vermutung?
Anschütz: Ja. Aber eine, die nicht ganz aus der Luft gegriffen ist. Es gibt Schriften, Hinweise und Widersprüche die wir gesammelt haben, die das vermuten lassen.
Wie geht das Gerichtsverfahren gegen Sie weiter?
Anschütz: Es gibt ein Grundurteil, dass der Schadenersatzanspruch des Leibnitz-Instituts gerechtfertigt ist. Das sehen wir nicht so und denken darüber nach, ob wir in Berufung gehen.
Mirjam Anschütz (24) ist eine von sechs selbst ernannten Feldbefreiern, die im April 2008 ein Genweizenfeld in Gatersleben (Sachsen-Anhalt) zerstört haben. Zurzeit läuft deswegen gegen die Gruppe ein Zivilverfahren am Magdeburger Landgericht. Mirjam Anschütz studiert Landwirtschaft an der Gesamthochschule Kassel/Witzenhausen. Sie engagiert sich politisch für die Zukunft der bäuerlichen Landwirtschaft. Weil ihrer Meinung nach der Versuchsanbau in Gatersleben einen weltweit wichtigen Genpool gefährdet, entschied sie sich zur Feldbefreiung.