Heidelberg, den 20.6.2009

Studierende der Pädagogischen Hochschule Heidelberg

Kontakt: Studentenfragenpolitiker@yahoo.de

An das
Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg
z. Hd. Herrn Minister Prof. Dr. Peter Frankenberg
z. Hd. Herrn Staatssekretär Dr. Dietrich Birk
z. Hd. Herrn Ministerialdirektor Klaus Tappeser
z. Hd. Herrn Ministerialrat Wilhelm Utz
Königstraße 46
70173 Stuttgart

Offener Brief von Studierenden der Pädagogischen Hochschule Heidelberg an die Verantwortlichen des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Frankenberg,
sehr geehrter Herr Dr. Birk,
sehr geehrter Herr Tappeser,
sehr geehrter Herr Utz,

in diesem Brief möchten wir Sie über die prekäre Lage an der PH Heidelberg informieren.
Auf Grund der am 13.5.2009 verhängten Haushaltssperre ergeben sich an der PH Heidelberg für Studierende und Dozierende untragbare Studien- und Lehrbedingungen.
Es kommt zu gravierenden Einschnitten im Lehrangebot, d. h. zahlreiche Professuren fallen weg bzw. werden nicht mehr wiederbesetzt, abgeordnete Lehrer werden abgezogen und befristete Lehraufträge werden gestrichen. Für uns Studierende bedeutet das konkret: Die jetzt schon meist überfüllten Lehrveranstaltungen platzen nun erst recht aus allen Nähten, produktives Arbeiten ist undenkbar und der Erwerb von Leistungsnachweisen gefährdet.

Für die desolate Haushaltssituation an der PH Heidelberg wird offiziell der Wegfall der Studiengebühreneinnahmen durch die neue Geschwisterregelung verantwortlich gemacht. Da die Studiengebühren jedoch ausschließlich zur Verbesserung der Lehre dienen sollen, dürfte dies keine Auswirkungen auf die Primärlehre haben:
„Wir handeln nicht aus fiskalischen Gründen. Die Hochschulen werden diese Gebühren zusätzlich einnehmen.“ (Frankenberg, 01.12.2005).
Faktisch mussten unsere Studiengebühren aber für die Primärlehre ausgegeben werden, um die seitens der Landesregierung deklarierte „globale Minderausgabe“  von ca. 720.000 Euro der insgesamt 1,4 Mio. Euro des PH-Haushalts auszugleichen. „Globale Minderausgabe“ meint einen unausgebbaren Betrag, der durch die Vakanthaltung von Professuren und anderen Stellen „erwirtschaftet“ werden muss. Somit sperrt die Regierung von vornherein die Hälfte der Gelder, die der PH offiziell zur Verfügung gestellt werden.

An der PH Heidelberg ergeben sich dadurch folgende Konsequenzen:
ο    Durch die Nichtbesetzung von Lehrstellen ist eine fachliche Betreuung der Studierenden bei der schulpraktischen Ausbildung nicht gesichert. Auch der Prüfungsablauf ist gefährdet, da es zu wenige Professuren gibt, um fachqualifizierte Prüfungen und wissenschaftliche Hausarbeiten abnehmen zu können.
ο    Sowohl eine fachqualifizierte Lehre als auch fachqualifizierte Prüfungen können unter diesen Umständen nicht geleistet werden. Das Absolvieren des Studiums in Regelstudienzeit wird somit nahezu unmöglich.

Die momentane Lage an der PH, die jetzt schon spürbar werdenden Folgen der Haushaltslage sowie die Unsicherheit über den Verlauf des kommenden Wintersemesters geben uns konkreten Anlass, FÜR eine qualitativ hochwertige Bildung zu streiken. Dies sehen wir nicht nur in Hinblick auf unsere Ausbildung, sondern auch auf unsere zukünftige Tätigkeit als LehrerInnen in Baden-Württemberg.

Wir Studierende wünschen uns, dass von Seiten des Ministeriums und der Hochschulleitung eine zufriedenstellende Lösung gefunden wird, sodass unser Studium nicht beeinträchtigt wird und die Qualität der Bildung sichergestellt bleibt.

Wir wünschen uns in diesem Zusammenhang auch, dass die Studiengebühren ausschließlich zur Verbesserung der Lehre, d. h. eindeutig zweckgebunden, verwendet werden.

Studenten der PH Heidelberg
Stellungnahme Fachschaft Germanistik zur Besetzung und Räumung der Alten Universität

Die Fachschaft Germanistik unterstützt den Bildungsstreik in all seinen Forderungen, die er
während der Besetzung der Alten Universität formuliert hat.
Die FS Germanistik fordert eine stärkere Repräsentanz der studentischen VertreterInnen bei
den Entscheidungsprozessen an der Universität Heidelberg (bspw. durch mehr studentische
VertreterInnen im Senat). Ebenso plädiert sie für die Abschaffung von Studiengebühren auf
Landesebene. Der von der BRD unterzeichnete UN-Sozialpakt muss eingehalten werden.
Die Fachschaft unterstützt die Forderung, dass sich der Rektor gegen das Projekt
„deregulierte Hochschule“ entscheidet: Statt einer Umstellung der universitären Entscheidungsstrukturen
auf unternehmerische Führungsstrukturen ist eine grundlegende Demokratisierung
der Hochschule notwendig. Anstelle einer unternehmerischen Hochschule, die
ökonomische Effizienz als ihren Maßstab hat, fordern wir eine Hochschule, die sich ihrer
gesellschaftlichen Verantwortung bewusst ist.

Die Fachschaft fordert den Rektor zu einer radikalen Kehrtwende im Bologna-Prozess auf.
Eine Neukonzeption der Bachelor- und Masterstudiengänge ist dringend notwendig.
Bei der überwältigenden Unterstützung, die es für die inhaltlichen Anliegen des
Bildungsstreiks durch die Fachschaften gab, wurde die Frage, ob denn eine Besetzung
befürwortet werden soll, sehr kontrovers diskutiert. Die Fachschaft Germanistik solidarisiert
sich voll und ganz mit der Besetzung. Jahrelang haben die VertreterInnen der Fachschaften
versucht, in den Gremien und Instituten konstruktiv studentische Belange durchzusetzen.
Teilweise wurden den studentischen Vorschlägen Pseudoargumente entgegen gesetzt, die auf
die aufgezeigten Probleme nicht eingingen, sondern lediglich die studentischen Positionen
schwächen sollten. Oft jedoch wurde gar nicht mehr diskutiert, sondern unsere Legitimität,
wegen der sehr geringen Wahlbeteiligung an den Uniwahlen, in Frage gestellt. Erst durch die
Besetzung haben wir als Studierende an dieser Universität ein wenig Gehör gefunden!
Besonders traurig stimmt uns die polizeiliche Zwangsräumung der seit Mittwoch besetzten
Alten Universität.

Dies geschah, weil das Rektorat der Universität gegen die eigenen
Studierenden Strafanzeige erstattet hat. Selbst bei der Besetzung in Heidelberg 1997 passierte
dies nicht. Dies ist umso verwunderlicher, da die Besetzung friedlich verlaufen ist und im
Zeichen des Dialogs stand. Die Behauptung des Rektorats, dass die Studierenden nicht für
einen Dialog offen gewesen seien, geht an der Realität vorbei. Die Besetzung war stets offen
für alle, die mit den Studierenden diskutieren wollte und war geprägt von gegenseitigem
Respekt und einer auf konkrete Problemlösungen hin orientierten Diskussion.
Hierzu Ziad-Emanuel Farag, Mitglied der Fachschaft Germanistik: „Es ist unfassbar, was
sich heute abgespielt hat. Die Universität gehört den Studierenden, die Polizei hat hier nichts
zu suchen! Anstatt sich über die große Verbundenheit der Studierenden mit der Universität
zu freuen, wurden wir wie Verbrecher behandelt. Wenn dies „semper apertus“ sein soll, ist es
bereits fünf nach zwölf!“
Die Fachschaft Germanistik fordert ferner den Rektor der Universität Heidelberg auf, die
Strafanzeigen zurückzuziehen, um einen respektvollen Umgang miteinander zu ermöglichen.

Die Fachschaft Germanistik

An die Lernenden der Universität Heidelberg,
der Schulen Heidelbergs und darüber hinaus

Offener Brief an die Dekane,
Professorinnen und Professoren
Lehrenden der Universität Heidelberg

Spectabilis,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Dekane,

wie Sie wissen, wurde in den Morgenstunden das Rektorat durch die Polizei gewaltsam geräumt. Im Inneren des Gebäudes hielten sich 125 Studierende, Promovierende und SchülerI auf, die heraus getragen und widerrechtlich erkennungsdienstlich behandelt wurden.

Das Rektorat hatte laut Polizei bereits gestern gegen 22.00 Uhr die Anweisung zur Räumung gegeben, noch ehe die Studierenden zum Positionspapier des Rektorats abschließend Stellung beziehen konnten. Die Diskussionen verliefen bis zur Räumung heute Morgen sehr kontro-vers, waren jedoch noch nicht abgeschlossen. Wir sandten noch in der Nacht (3:30 Uhr) eine erste Stellungnahme an das Rektorat, in der wir unsererseits die Gesprächsbereitschaft für Zugeständnisse signalisierten.

Die Polizei umkreiste um 7.12 Uhr mit rund 30 vollbesetzten Kastenwägen die Alte Universität und drang mit rund 220 mit Schlagstöcken und Helmen ausgestatteten Polizeieinheiten in das Gebäude des freien Geistes. Die Presse wurde ausgeschlossen, Kameras und sonstige Aufzeichnungsgeräte wurden beschlagnahmt und Platzverweise ausgesprochen. Forderungen nach einem organisierten Rückzug von Seiten der verängstigten Studierenden und Schüler im Inneren wurden abgelehnt.

Die Polizei agierte sehr gespalten: Vereinzelte PolizistInnen äußerten Verständnis und zeigten Zustimmung für unsere Forderungen nach einer Verbesserung von Lehre und Forschung.

Andere Einheiten gingen entgegen den – selbstverständlich presseorientierten Stellungnah-men des Einsatzleiters – teilweise mit Gewalt gegen die Heranwachsenden vor und nahmen potentielle Verletzungen selbst bei SchülerInnen und Schülern in Kauf:
•     „Wenn Du nicht kooperierst, muss ich stolpern und Du tust Dir weh.“
•    „Tut doch nur Dir weh, du Penner.“
•    „Wir können dir auch gleich mit dem Stock den Kopf einschlagen.“ – Aus dem Inneren des Gebäudes der Alma Mater sind wiederholt Rufe und Sprechchöre „Keine Gewalt“ zu hören.
•    „Wenn wir Gewalt anwenden würden, wärt ihr schon längst im Krankenhaus.“
•    Gespräche mit dem Einsatzleiter wurden von der Polizei verweigert. Auf unsere Angebote, das Gebäude zu reinigen, wurde nicht eingegangen. Hingegen durfte nicht einmal die Toilette aufgesucht werden.
•    Ein Polizist äußerte zu seinem Kollegen: „Soll ich gleich den Schlagstock ziehen, um dem Nächsten den Schädel einzuschlagen?“ (verbunden mit entsprechender Gestik und Schlagstock). Auf Nachfrage bei einer Einsatzleiterin, ob sie diese Aussage gehört habe, bestätigte sie dies und gab Auskunft über die zuständige Beschwerdestelle.
•    Trotz wiederholtem Widerspruch und entgegen geltendem Recht wurden die Festgenommenen fotografiert. Durchsuchungen wurden willkürlich durchgeführt.
•    Einer Studierenden, die freiwillig das Gebäude verlassen wollte, entrollte sich der Schlafsack, worauf ältere Polizisten reagierten: „Ja jetzt tragt mal die Braut über die Schwelle.“
•    Einer Kommilitonin wurde erst nach wiederholten Bitten gestattet, ihre Insulinspritzen aus dem Gebäude mit zu nehmen.

Zitate und Handlungen können von mehrfachen Zeugen (auch Polizeibeamten) bestätigt werden.

Wir, die Lernenden unserer Alma Mater, sind sehr enttäuscht über das kompromisslose, ja gewaltsame Verhalten von Rektorat und Polizei. Wir haben in den letzten Tagen – das wurde in der Presse durch zahlreiche Fernseh-, Foto- und Textberichte dokumentiert – fortwährend und intensiv versucht, Konzepte für eine Verbesserung unserer aller Situation zu erarbeiten. Wir öffneten den Diskurs für alle Mitglieder der Universität. Konzeptpapiere wurden veröffentlicht, fundierte Inhalte im Rahmen des Möglichen und des geltenden Rechts als Diskussionsgrundlage eingebracht.

Viele von Ihnen und Ihren Kollegen haben sich mit diesen Inhalten auseinandergesetzt, daran mitgearbeitet, Alternativvorschläge formuliert. Allein am gestrigen Freitag unterzeich-neten innerhalb weniger Stunden 1500 Lernende und Lehrende, aber auch Bürgerinnen und Bürger aus Heidelberg, die Forderungen sowie mit einer gesonderten Unterschrift in der abso-luten Mehrheit die friedliche Besetzung des Rektorats. Kurz: der lebendige Geist war nie so lebendig über alle Statusgruppen hinweg wie in den vergangenen Tagen. Hunderte Menschen (allein gestern: 60¬¬0 inklusive zahlreichen Lehrenden und einem Mitglied des Bundestags) diskutierten bis in die Morgenstunden in einem auf Konsens hin orientierten, demokratischen Kreis.

Anstatt sich diesem Kreis anzuschließen, hat „unser“ Rektor Strafanzeige gegen alle (mind. 150) Studierende, Promovierende und SchülerI gestellt. Die Betroffenen, die sich für einen offenen Diskurs einsetzten, müssen nun mit Vorstrafen, Geldbußen und massiven Einschnitten in ihre Lebensplanung rechnen.

Wir sind zutiefst bestürzt und hoffen, dass diese auf Gewalt und starre Hierarchien gestützten Formen des Rektorats bei Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, keine Unterstützung finden.

Streiten Sie mit uns gemeinsam für den lebendigen Geist in unserer Universität.

Setzen Sie sich bitte öffentlich für die sofortige Rücknahme sämtlicher Strafanzeigen gegen die jungen Lernenden ein.

Arbeiten Sie weiterhin mit uns an der Verbesserung unserer aller Situation: Diskutieren Sie mit uns, vertrauen Sie unserer ständigen Bereitschaft zum friedlichen Miteinander.

Zahlreiche Sympathiebekundungen erreichten uns bereits: Für weitere Stellungnahmen und Unterstützung wären wir Ihnen herzlich dankbar. – Für Rückfragen erreichen Sie uns jederzeit unter der Emailadresse hannah.eberle@gmx.de oder unter 0170-9832652 (Frieder Otto Buchner).

Mit freundlichen Grüßen,

Ihre Studierenden, Promovierenden und Schüler

Juni 2009 | Heidelberg, Allgemein, InfoTicker aktuell, Junge Rundschau, Zeitgeschehen | 2 Kommentare