„Am Pfingsttag (am Ende der sieben Osterwochen) vollendet sich das Pascha Christi in der Ausgießung des Heiligen Geistes. Dieser wird als göttliche Person offenbar, gegeben und mitgeteilt. Christus der Herr spendet den Geist in Überfülle.  (Apg 2,33.).
An diesem Tag wird die heiligste Dreifaltigkeit voll und ganz geoffenbart. Seither steht das von Christus angekündigte Reich allen offen, die an ihn glauben“
– sagen uns Theologen,  wir hingegen meinen:
Ekklesia semper reformanda –  (lat. „die immer der Reform bedürftige Kirche“): und geben einer der Kernaussagen des  Zweiten Vatikanischen Konzils recht, wonach die Kirche „stets der Reinigung bedürftig“ sei, weil sie „aus menschlichem und göttlichem Element zusammenwächst“ und deshalb „Sünder in ihrem eigenen Schoße“ umfasst. Ja, da schau her, das klingt ja gerade so, als ob damit (allein, mir fehlt der Glaube) gemeint wäre, was Sie jetzt hier lesen werden.

Wahrlich, ich aber sage Euch:

Feurige Zungen, Flammen der Liebe, heiliges Feuer – das sind Bilder, die immer wieder begegen, wenn von Pfingsten die Rede ist. Bilder, die die unbegreifliche biblische Szene von der Ausschüttung des heiligen Geistes greifbar machen wollen.

Feurige Zungen, Flammen der Liebe, heiliges Feuer – das sind Bilder, die einem immer wieder begegen, wenn von Pfingsten die Rede ist. Bilder, die die unbegreifliche biblische Szene von der Ausschüttung des heiligen Geistes greifbar machen wollen. Beim heutigen Bodenpersonal scheint hingegen davon nichts angekommen zu sein, weder beim "Stellvertreter Gottes" hinieden, nicht bei Prälaten, nicht bei den Bischöfen und wie diese Wasser predigen und Wein trinkenden Arbeiter im Weinberg des Herrn sonst nocht heißen mögen …

In allen Zeiten hat sich Kirche nicht damit begnügt, ihre Schandtaten unter den Teppich zu kehren. Sie beansprucht jede Epoche, auch die scheußlichste, ganz für sich und ihre Reinheit. Der Heilige Geist – so steht es geschrieben – verjüngt die Kirche „allezeit“, „erneuert sie immerfort“ und geleitet sie zur vollkommenen Vereinigung mit Christus. Da sei die Frage erlaubt, wann und wo denn der Geist in zweitausend Jahren die Kirche verjüngt hat, da er sie ja allezeit verjüngt. Die Gewaltanwendung der Kirche wuchs und wuchs. Und sie nahm nur langsam und in dem Maße ab, in dem der weltliche Arm sich der Kirche versagte.
Nichts stellte sie von sich aus ab. Die letzte Hexenverbrennung fand 1793 in Posen statt, im letzten Jahr des katholischen Königreichs Polen. Vierzehnhundert Jahre dauerte die physische Gewaltanwendung der Kirche, und das nennt sie: allezeit verjüngt und immerfort geleitet vom Heiligen Geist. Es ist ganz ausgeschlossen, daß ein Heiliger Geist während der kirchlichen Gewaltherrschaft verjüngend und leitend wirkte.
„Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder…“ – heißt es in der Predigt anderer Prediger. Mit verlogen-sentimentalem Pathos beschwören viele Theologen die „Unschuld“ der Kindheit, das „Paradies“ des naiven, unbewußten Lebens. Sie preisen die kindlichen „Tugenden“ – Einfalt, Anhänglichkeit und träumerische Phantasie-, auf daß Eure Kinder nicht den Aufbruch wagen aus der Bevormundung in Unabhängigkeit und Selbstbestimmung.

Es ist nicht nur nicht das Brot allein, auch ist es nicht die Utopie allein, sondern ihr Verkünder, der den Weg ins Paradies weist. „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben!“ lautet der Tenor eines jeden Messias. Phantastische Versprechungen, gepaart mit der Forderung nach bedingungsloser Gefolgschaft – das ist die faszinierende Mixtur. Das hat die Masse der Gläubigen noch immer mobilisiert, auch wenn aus dem schönen Traum alsbald ein Alptraum wurde. Dieses aber unterscheidet die harmlosen von den furchtbaren Illusionisten: ehrliche Zauberer packen ihre Trickkiste ein, wenn der Vorhang fällt. Messianische Heilsbringer dagegen treten nur selten freiwillig von der Bühne ab. Sie können nicht lassen von ihrem schönen und schrecklichen Wahn.
Wer Illusionen, wer den Menschen Glauben nimmt, statt Illusionen zu nähren, darf nicht auf Bewunderung hoffen. Wer die Erde aus dem Mittelpunkt des Universums rückt, wer die Geschichte des Menschen an die der Tiere anknüpft, wer das autonome, frei entscheidende Bewußtsein entthront und es zumindest teilweise einem animalisch-triebhaften Unterbewußten unterwirft, der darf keine begeisterte Zustimmung erwarten. Ach Kirche – all wir Spielverderber, Tabubrecher und Denkmalschänder haben natürlich kein Recht auf honorige Reputation. Der Umgang mit den, mit uns Gegnern einer verbeamteten, sturen Amtskirche war von jeher rüde. Als das noch erlaubt war, landeten wir längst als Ketzer auf den Scheiterhaufen. Heute werden die Rufer in der Wüste in die Ecke gestellt, verlacht, verhöhnt, verspottet, es werden ihnen Prozesse angehängt, oder aber – wie das die Kirche seit geraumer Zeit mit Karlheinz Deschner macht, nachdem gegen seine Fakten nicht anzukommen war – ganz einfach totgeschwiegen. Ist der Kampf gegen die Machenschaften der Kirche hoffnungslose Sisyphusarbeit? Stellt die Geschichte der Menschheit eine einzige Abfolge von Selbstbetrug und Träumen dar?
„Auf Erd ist nicht seinsgleichen“?  Es war noch immer und zu allen Zeiten das Maßlose, Unwahrscheinliche, Wunderbare, welches Gläubige jeder Couleur in Entzücken versetzt hat. Ob ewiges Leben, vollkommene Liebe oder grenzenloses Glück, ob Gottes- oder Drittes Reich, ob Jenseits- oder Einkaufsparadies: Heilsutopien kennen das Unmögliche nicht.
Die Autoritäten, geistliche Oberhirten und Institutionen hüten den Glauben und geben ihn mit mehr oder minder pädagogischem Geschick – mal primitiv doktrinär, mal mit sublimer Raffinesse – an ihre Kinder und Schäfchen weiter. Sie sagen Euch, wozu Ihr auf Erden seid: um Gott zu lieben, seine Stellvertreter, die Mächtigen, den Wohlstand: Und dadurch selig zu werden…
Kirche, zeig mir den Weg deiner Buße während der anderthalb Jahrtausende deiner Gewaltherrschaft! Niemals wäre Jesus fähig gewesen zu lehren: „Spürt inquisitorisch Menschen auf, die eines Paktes mit dem Satan verdächtig sind, foltert sie so lange, bis sie gestehen und verbrennt sie dann auf dem Scheiterhaufen.“ Die Kirche Jesu Christi mag noch so schön über Dreifaltigkeit, den Heiligen Geist und die Erlösung predigen, sie hat in die Lehre den Teufelspakt eingefügt und durch diese Lehre das Blut von Millionen unschuldiger Menschen vergossen.  Ein guter Baum könne keine schlechten Früchte bringen? Eine Kirche, die inquisitorische Monstrositäten in die Lehre aufnimmt, macht die Lehre zur Monstrosität, die schlechte Früchte hervorbringen muß. Das Wort Jesu betrifft keine dogmatischen Früchte, sondern die Früchte der Lehre im praktischen Leben. Und machen wir uns nichts vor, wenn auch Scheiterhaufen und Inquisition nicht mehr erlaubt sind – es gibt subtile, seelische Gewalt – und gibt sie nach wie vor in der Kirche, da hat auch Luthers Reformation wenig dagegen geholfen.
Alles Schöne und Hohe und kulturell Förderliche und künstlerisch Hinreißende, das aus dem Christentum geflossen ist, wiegt die zudem von diversemv Bodenpersonal vergifteten und vergiftenden Grundlagen des Christentums nicht auf. Kulturelle Leistungen können nicht als Alibi für eine Religion dienen. Sie sind historisch hochinteressant, aber religiös irrelevant. Da ist sogar die profane, die weltliche Geschichte weniger getränkt von dem (sondern erlöse uns…) Übel. Zuguterletzt waren es profane Denker und aufgeklärte Regierungen, die dem ärgsten christlichen Höllenspuk ein Enden bereiteten. Allerdings ist das Gift so tief in die Bevölkerung Europas eingedrungen, daß sich Judenfeindschaft und Menschenverachtung in immer neuen Formen bis heute erhalten haben. Eine Entgiftung bleibt die Aufgabe eines jeden denkenden, nicht korrumpierten Menschen.
Diese Religion ist im Kern totalitär und stiftet von ihrem angemaßten Fundament her zwangsläufig Un-Heil. Ob sie als säkular betrachtete Institution je nach Blickwinkel zeitweise brauchbar, zeitweise fortschrittlich, zeitweise rückschrittlich ist, zählt für eine Fundamentalbetrachtung nicht! Dies alles ahnten die hinterbliebenen Schüler Jesu nicht. Die durch die Hinrichtung ihres Meisters Enttäuschten und Verzweifelten grübelten so lange über den alten Schriften, bis ihnen ein Licht aufging. Unheil zu stiften hatten sie nicht im Sinn. Sie wollten im Gegenteil Heil stiften. Sie meinten es gut mit sich und mit Gott und mit der Welt. Sie hatten zu ihrer Zeit einen Gott vor Augen, der den Menschen total beansprucht, das Gute will und gemäß der jungen Tradition die Dämonen bekämpft; das hatte Folgen, welche die grübelnden Fischer nicht ahnten: Es mußte später dazu kommen, daß das Gute mit Gewalt durchzusetzen und das Böse samt den von satanischen Dämonen verführten Bösen auszurotten war. Und genau dieser absolute Anspruch des durchzusetzenden Heils ist das Kennzeichen jeder totalitären Ideologie. Und das Ausrotten ist nicht eine längst vergangene Unart, es lebt weiter in der ewigen Verdammnis der Ausscherenden. Wenn es denn gar nicht anders geht, interpretiert man fragwürdig gewordene Glaubensinhalte zwecks Rettung ihrer Attraktivität bis zur Unkenntlichkeit neu – oder um. „Rationalisieren“ nennt das die Psychoanalyse – und einen „neurotischen Mechanismus“. Wo aber das Rationalisierungsdenken an seine Grenzen stößt, da beginnt die wahre Tugend des Glaubens, dann ist es Zeit für das heroische „Credo quia absurdum“: Ich glaube, gerade weil es absurd ist. „Der Schoß der Kirche, wie er sich heute bietet, steht jedem offen, der bereit ist, sich von einer gewissen Summe Verstandes zu trennen“, hat Goethe bereits geschrieben und: „Die Kirche will herrschen, und da muß sie eine bornierte Masse haben, die sich duckt und geneigt ist, sich beherrschen zu lassen. Die hohe, reich dotierte Geistlichkeit fürchtet nichts mehr, als die Aufklärung der unteren Massen. Sie hat ihnen auch die Bibel lange genug vorenthalten, so lange wie irgendmöglich. Was sollte auch ein armes christliches Gemeindeglied von der fürstlichen Pracht eines reich dotierten Bischofs denken, wenn er dagegen in den Evangelien die Armut und Dürftigkeit Christi und seiner Jünger sieht. – Die Kirche schwächt alles, was sie anrührt.“ Soweit Johann Wolfgang von Goethe – und dem hätte Jürgen Gottschling allenfalls eine Vision von Kirche hinzuzufügen. Eine solche  scheint derzeit – Pfingsten hin oder her – jedoch nicht gefragt!

Juni 2009 | Allgemein, Feuilleton, InfoTicker aktuell, Sapere aude, Wirtschaft | Kommentieren