Klaus Staeck – unser Heidelberger Kreuz- und Querdenker wurde gerade als Chef der Berliner Akademie der Künste wiedergewählt.
Vor mehr als vierzig Jahren entwarf Klaus Staeck sein erstes Plakat – und dass er auch heute nicht mal als Stammgast im ICE Berlin-Sprinter zur Ruhe kommt, läßt sich beobachten, wenn der häufig zwischen Heidelberg und Berlin pendelnde Klaus Staeck akribisch im Zug arbeitet. Nachdem er das Amt für die Akademie vor drei Jahren von dem überraschend zurückgetretenen Schriftsteller Adolf Muschg übernommen hat, sahen sich viele- auch Freunde – getäuscht, die ihm nicht gerade moderierende Talente angesehen haben. Er zeigte sich während der drei Jahre als Akademieleiter auch dieser Tugend mächtig, nicht zuletzt deshalb zweifelte kaum wer daran, dass er am Wochenende mit der erfahrenen Theaterdirektorin Nele Hertling an die Spitze der Akademie wiedergewählt würde. „Das Geheimnis erfolgreicher Kulturpolitik“ – so war gerade zu lesen, „besteht schon länger darin, die Erfahrungen aus der Konfliktphase der alten Bundesrepublik mit der Beweglichkeit eines modernen Kulturmanagements zu verbinden“. Das, in der Tat, diese Verbindung nicht nur hergestellt sondern auch gehalten zu haben, das tat Klaus Staeck während der drei Jahre seiner Akademieleitung. Wir möchten Klaus Staeck noch einmal vorstellen als den politischen Künstler, der er auch während seiner Arbeit für die Akademie war und bleibt:
Der Akademiechef, persönlich:
Klaus Staeck gibt Dingen und Zuständen, er gibt Verhaltensweisen den richtigen Namen, aus dem Tohuwahohu beschwichtigender, verharmlosender Bedeutungen, die wie Rauhreif über die Sprache fallen, klaubt er die Wahrheit einer Sache hervor. So sind seine Postkarten und Plakate immer auch Lehrstücke, Demonstrationen einer unbestechlichen Aufklärung: im besten Sinne Agitation und Polemik, die freilich keinen dogmatischen Mantel trägt; sie sind leidenschaftliche Plädoyers für die Umwelt, für geschurigelte, gedemütigte, gequälte, verfolgte, um Stolz und Arbeit gebrachte Menschen. Und ebenso sehr aber auch gegen die Verursacher all dessen.
Realität – für Klaus Staeck ist sie Metapher für die Beschreibung der Wirklichkeit, für ihn hat sie denselben Stellenwert wie die Metaphern Idealismus, Gerechtigkeit oder Demokratie; einzig und allein aber wichtig ist ihm bei seiner Arbeit der Einfluss auf den realen Denkprozeß des Betrachters
Klaus Staeck weiß – hier vor einem Plakat in seinem Schaufenster in der Heidelberger Ingrimstraße (Foto: Gottschling) – wie und was gesprochen wird, wie man ihm zuhört und aus dieser Kenntnis hat er eine verblüffende und eine zugleich verblüffend einfache Dialektik entwickelt: Er enthüllt die Verhüllenden, daß sie in ihrer Blöße sprachlos werden müssen, er läßt Lügen sich selbst überführen, nimmt Sprachregelungen wörtlich, um ihre verborgenen Absichten zu entlarven,
Dabei wird der Wortminimalist Staeck nicht müde, auf diesen Zustand hinzuweisen, er scheut sich nicht, Richtung zu weisen, beharrlich klopft er Befindlichkeiten und Zustände ab, sie von der Tünche der Lüge und der falschen Pose zu befreien. Die Welt, in der wir leben, sie schmerzt ihn, fordert ihn aber auch immer wieder aufs Neue heraus, Klarheit zu finden im Gegensatz zu jenen metaphorisierenden Adepten, die Scheuklappen für Fernrohre halten.
Die Vögel verirren sich im Dunstgrau des Himmels, das Wild nimmt keine Fährten mehr auf, die Pflanzen erschauern vor dem Pesthauch der Industrie, die uns den Luxus als Henkersmahlzeit vorsetzt. Kriege werden aus verletzter Eitelkeit vom Zaun gebrochen, Menschen sterben, weil sie ein Vorurteil zeichnet, Menschen verhungern, weil sie keinen Plus-Posten in der Bilanz ausmachen. Welche Perversion gehört dazu, diesen Klaus Staeck als unbequem abzutun, denjenigen mit Klagen zu überhäufen, der diesen Wahnsinn unmißverständlich anprangert? Die alles verdauende Öffentlichkeit hat oft und zu guter Letzt immer ohne Erfolg versucht, diesen nun unmerklich in die Jahre gekommenen Mahner zum (wie wir das kennen) Hofnarren zu machen, ihn der allgemeinen Lächerlichkeit preiszugeben. Klaus Staeck begegnet alledem mit aufklärerischem Elan, der sich gegen jede Routine und gegen jede Pose sträubt. Dabei eröffnet er mit jeder Postkarte, mit jedem Plakat, mit jedem neuen Slogan einen aufklärerischen Dialog. Und mißtraut dabei sogar dem Applaus seiner Freunde und Bewunderer, die ihn nur allzu gern auf dem sokratischen Sockel sehen. Klaus Staeck hingegen hat gelernt, daß Bewunderung die Nachdenklichkeit lähmt.
Ihm bleibt Recht Recht, Unrecht Unrecht und Hass Hass, Friede ist Friede, ein Mahner ist ihm ein Mahner, kein Nestbeschmutzer. Als ein solcher zu gelten muß einer nur Dinge und Zustände beim richtigen Namen nennen. Offensiv zu sein, sagt er, werde hierzulande von vielen schon als nicht zulässig empfunden. „Ich bin jemand“, so Klaus Staeck weiter, „der behauptet, daß Kritik das Salz in der Demokratiesuppe ist, und daß sich Demokratien von Diktaturen im Wesentlichen dadurch unterscheiden, daß man frei seine Meinung sagen kann“. Und das tut Klaus Staeck, er mischt sich ein. Und nach all den von ihm „Genommenen Kurven“ wird er wohl auch künftig den Finger auf die Wunde derer legen, die da beschwichtigen, vertuschen, verdrehen und beschönigen, er wird auch künftig dafür sorgen, daß aus Verbrechen keine Notwehr gemauschelt werden kann, daß aus Schuld die besondere Form des Vergessens nicht gemacht werde: nämlich vergessen zu haben, was man vergessen hat und daß aus Unrecht hernach kein Sachzwang gestrickt werden kann. Für ihn sind „Künstler nicht dazu da, die Gesellschaft zu illustrieren oder ihr Kränze zu flechten“, Kunst ist für ihn immer Risiko, „denn mit der Toleranz der Gesellschaft, ist es nicht so weit her“. Staeck, der Querkopf, für den „Demokratie ein ständiger Auftrag“ ist, mischt sich heftig ein, seine Angriffe sind knapp, deutlich und verletzend. Und wo sie ohne Begründung sind, liefern Angegriffene diese mit ihrer Verteidigung nach. Zensurenverteilende Zuschauerdemokratie ist seine Sache nicht, er hat eine scharfe Zunge und gilt deshalb Einigen in diesem unserem Lande als dubioser Charakter. Was Wunder.
Jürgen Gottschling
19.Feb..2017, 16:53
Postkaren waren das A und O fruüher. Schade dass heutzutage nicht mehr so viele geschickt werden…