… auf dass die nachfolgende Buchbesprechng und der Auszug aus Bischof Wolfgang Hubers Buch besser verstanden werden können.
Alles, was in Amerika entsteht, kommt eines Tages auch nach Europa. Jetzt plaudern auch hiesige Politiker über den Kreationismus im Biologieunterricht – mit scheinwissenschaftlichen Argumenten.
Nach Fließband, Charleston, Jeans, Rauchverbot schwappt nun auch der uralte Streit über den Gottesbeweis, oder zeitgemäß: über »Kreationismus contra Evolution« über den Atlantik. Die Einlassungen der Getreuen sind, weiß Gott (nur eine Redewendung), nicht ex cathedra. Sie kommen auf den leisen Pfoten der Schein-Wissenschaftlichkeit einher.
Die hessische Kultusministerin Karin Wolff etwa hat mit Kreationismus »überhaupt nichts am Hut«, also der Idee, dass ein allmächtiger Gott für die unendliche Komplexität des Lebens verantwortlich sei. Aber sie spricht von »Konvergenzen« zwischen »Evolution und Schöpfungsgeschichte«, und sie hält es für »sinnvoll«, Schüler nicht allein mit der Evolutionslehre im Biologieunterricht zu konfrontieren.
Darwin und Nachfolger dürften nicht getrennt werden von der »Schöpfungslehre der Bibel«, die im Religionsunterricht vermittelt wird. Auch »noch eine andere Sicht« sei notwendig als nur die der Naturwissenschaft. Ein Bravo auf Ein- und Vielfalt.
Die Ministerin ist nicht allein. Im Europarat beteuert auch der Flame Luc van den Brande, der Führer der Konservativen-Fraktion: »Ich bin kein Kreationist.« Er hat aber eine Resolution verhindert, die jegliche Form des Kreationismus zum Teufel wünschte (auch das ist nur so eine Wendung, die keine Parteinahme impliziert). Im Oktober soll der Kulturausschuss eine neue Vorlage formulieren.
Es tut sich also etwas im »entchristianisierten« Europa, zumal die Debatte nunmehr auch in den großen bundesrepublikanischen Zeitungen geführt wird. Für die historisch Interessierten sei hier vorweg vermerkt, dass dieser Streit um Gott und Darwin in Europa angekommen ist – 82 Jahre nachdem er einen der berühmtesten Prozesse der US-Geschichte ausgelöst hatte: »Tennessee vs. John Scopes«. Scopes war Biologielehrer, der 1925 mit der Evolutionslehre gegen ein gerade verabschiedetes Gesetz verstoßen hatte. An den Schulen war »jedwede Theorie« verboten worden, »welche die göttliche Schöpfung verneint und stattdessen lehrt, der Mensch entstamme einer niedrigeren Form des Tierlebens«.
Der Prozess in Dayton war »eine Kreuzung zwischen Zirkus und Heiligem Krieg«, notierte damals Time. Scopes wurde von dem legendären Anwalt Clarence Darrow vertreten (im Film Inherit the Wind von Spencer Tracy dargestellt). Die Anklage gegen den 24-Jährigen leitete William Jennings Bryan, ein begnadeter Demagoge, der dreimal als Präsidentschaftskandidat für die Demokraten angetreten war. 200 Reporter kamen in das Südstaaten-Kaff, der Andrang war so groß, dass die Verhandlung in ein Zelt verlegt werden musste. Draußen wurde das Volk mit Schimpansen amüsiert, die angeblich als Zeugen der Anklage fungieren sollten; daher der Begriff »Affen-Prozess«.
Was vom legendären »Affen-Prozess« in Dayton geblieben ist
Der greise Bryan – »alles sollte so akzeptiert werden, wie es in der Bibel steht« – war dem fulminanten Darrow nicht gewachsen. »Glauben Sie, dass der Wal Jonas geschluckt hat?«, wollte Darrow wissen. »Dass Joschua die Sonne angehalten hat?« Bryan, der kurz nach Prozessende sterben sollte, stotterte, stolperte und räumte schließlich ein, dass er die Sache noch nicht so richtig untersucht hatte.
Dennoch wurde Scopes zu einer Strafe von 100 Dollar verurteilt. Ein Jahr später gewann er aber, als das Oberste Gericht des Staates das Urteil wegen eines Formfehlers kassierte. Doch machte die Entscheidung Schule. Von 15 Staaten, die den Antidarwinismus dekretieren wollten, taten es nur zwei: Arkansas und Mississippi. Erledigt aber war der Streit nicht – wie im Film von Spencer Tracy vorausgesagt: »Sie glauben doch nicht, dass so eine Sache je aufhört?«
Sie sollte jahrzehntelang weiterköcheln. Erst 1968 befand der Supreme Court des Bundes in Epperson vs. Arkansas, dass Evolution gelehrt werden könne, nicht aber Kreationismus, weil der als Religion an staatlichen Schulen nichts zu suchen habe. Doch die Kreationisten ließen nicht ab. Zuletzt, 2005, musste das US-Bezirksgericht in Pennsylvania eine Schulbehörde belehren, dass »Intelligent Design« als Alternative zur angeblich »wissenschaftlich zweifelhaften Evolutionslehre« nicht angeboten werden dürfe, weil das gegen die verfassungsgemäße Trennung von Staat und Kirche verstoße.
Intelligent Design ist zugleich uralt und ganz neu. Uralt, weil schon Aristoteles einen »Entwurf« unterstellt hatte, der die Natur regiere. Die scholastische Philosophie nutzte gern die Uhren-Metapher als Gottesbeweis: Wo eine Uhr, da auch ein Uhrmacher – also Gott. Zugleich ist Intelligent Design etwas ganz Neues, weil es nicht mehr mit der buchstäblichen Schöpfungslehre wie im »Affen-Prozess« operiert, sondern mit wissenschaftlichem Gestus. Evolution sei bloß eine »Theorie«, die gewisse Phänomene nicht erklären könne. Besonders beliebt ist das Flagellum mancher Bakterien, eine Art »Außenbordmotor«, das sie beweglich macht. Also eine richtige »Maschine«, die nie durch natürliche Selektion hätte erzeugt werden können. Folglich muss eine »Intelligenz« dahinterstehen.
Hier lauert schon die erste logische Falle. Wenn’s ein »Ingenieur« war, warum nicht ein Marsmännchen oder ein überintelligenter Zeitreisender aus der Zukunft? Natürlich ist der judäo-christliche Gott gemeint, aber so krude wie einst Bryan wollen seine Erben nicht mehr vorgehen. Sie wollen erst einmal Parität zwischen Darwin und Deus herstellen, ganz wissenschaftlich.
Schon Gott hat Glauben und Wissen nicht vermischen wollen
So auch hierzulande, wo das Intelligent Design auf den immer noch fruchtbaren Boden der romantischen Revolte gegen die Aufklärung fällt. Gern wird Einstein bemüht, mit Sprüchen wie »Gott würfelt nicht« oder »Wissen ohne Religion ist lahm«. Für ihn, so stehts geschrieben, hätten »Glauben und Vernunft nicht in Konkurrenz zueinander« gestanden. (Einstein, so trösten Eltern ihre Kinder, hatte auch eine Sechs im Mathe – was nur deshalb richtig ist, weil die Sechs im schweitzer Aargau die beste Zensur war.) Eingespannt wird auch Max Planck, für den der »Geist der Ursprung aller Materie« ist. Überhaupt die moderne Physik: Wimmelt sie nicht von Schwarzen Löchern und Dunkler Materie, ist das nicht schon »Metaphysik«?
Ergo, so wird in Amerika wie auch neuerdings in Europa räsoniert, wisse die Wissenschaft auch nicht alles und nehme Zuflucht in Konstrukten. Just hier beginnt der nächste Trugschluss: Weil der Wissenschaft die Gewissheit abgehe, müsse es doch etwas anderes geben, eben den »intelligenten Designer« alias Gott. Hier offenbart sich ein gründliches oder gewolltes Missverständnis der wissenschaftlichen Methode. Alle Wissenschaft ist erstens vorläufig. Zweitens muss sie zumindest im Prinzip empirisch überprüfbar sein – »intersubjektiv« und nachvollziehbar. Und drittens muss man ihre Erkenntnisse falsifizieren können. »Der Himmel ist blau« ist ein Satz, der widerlegbar ist; »dort wohnt Gott« ist es nicht.
Glauben aber erfüllt keines dieser Kriterien. »Ich glaube« ist das Gegenteil von »ich weiß«, auch wenn mein Wissen falsch sein kann. Deshalb ist Wissenschaft der ewige Widerstreit von Thesen und Theorien. Sie müssen aber überprüf- und widerlegbar sein. Bloß lässt sich Gott weder beweisen noch widerlegen. Und just deshalb hat Intelligent Design mit Wissenschaft nichts zu tun, wie es uns die Neokreationisten und nun auch Ministerin Wolff und ihre publizistischen Mitstreiter weismachen wollen.
Sie redet von »erstaunlichen Übereinstimmungen« zwischen Darwin und Bibel, von »Erklärungsmustern«, die der Schöpfungsgeschichte »nicht widersprechen«. Gott »formte aus dem Ackerboden alle Tiere des Feldes«? Das ist eine wunderbare Metapher, wie auch die Bibel wunderbare Literatur ist. Wir mögen das glauben, aber im Biologieunterricht hat dieses »Erklärungsmuster« nichts zu suchen. In diesem Ansinnen vereinen sich prämoderne, romantische Attacken gegen die »kalte Vernunft« und postmoderne Beliebigkeit – anything goes.
Sollen wir also nicht über Fragen nachdenken, die keine richtigen Antworten kennen? Doch, das tun wir seit 2500 Jahren in einer Disziplin namens Philosophie. Und der Glaube? Den soll niemand uns (euch) rauben. Aber wenn Gott gewollt hätte, dass wir Glauben und Wissen miteinander vermischen, hätte er uns nicht vom Baum der Erkenntnis naschen lassen. So steht’s jedenfalls in der Bibel. got