Es ist ein großer Schritt für die Annäherung zwischen Gläubigen und Naturalisten: Der Berliner Bischof erklärt, warum es in unserem Universum keinen Gott geben kann und Religion Privatsache ist.
Bisher kaum beachtet von der Welt hat der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland und Berliner Bischof Wolfgang Huber begonnen, eine Brücke zwischen Gläubigen und Menschen mit einem naturalistischen Weltverständnis zu schlagen. In feinem Kontrast zu seinem Engagement für einen konfessionsgebundenen Religionsunterricht in Schulen wirft Huber damit ein Schlaglicht auf die Notwendigkeit, zwischen mit Vernunft entscheidbaren Fragen und anderen differenzieren zu können.
Wie der ehemalige Professor (mit ruhender SPD-Mitgliedschat) für Theologie in seinem Buch „Der christliche Glaube“ ausführt, ist es ein grundlegender Fehler, Gott als etwas anzusehen, das an die Bedingungen von Raum und Zeit, also der objektivierbaren Realität, gebunden ist. Hier stellt er sich unmissverständlich an die Seite anderer religionskritischer Stimmen wie der von Richard Dawkins, der ebenfalls darauf hinweist (u.a. in seinem Buch „The God Delusion“, dt. „Der Gotteswahn“), dass jegliche Gottheit nicht gut mit unseren Erkenntnissen über Raum und Zeit, also das Universum, in Einklang zu bringen ist.
Den „Schöpfer“ dürfe man nicht, so Huber, als „eine in der Natur wirkende Kraft“ verstehen. Dadurch würde nämlich der Schöpfungsglaube zu einer wissenschaftlichen Hypothese, womit er ein ebenfalls durch Dawkins berühmt gewordenes Argument aufgreift. Dawkins zeigt in „The God Delusion“ nämlich, dass ein Etwas, das die Welt geschaffen hat und in ihr wirkt, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht existiert. Huber bestätigt diese Sichtweise nun erstmals auch aus theologischer Perspektive.
Einer auch nur mittelbaren Gefahr der Widerlegung, sagt Huber also, dürfe sich die Religion nicht aussetzen. Weder dürfe sie „eine Form der Welterklärung“ sein, die „mit wissenschaftlichen Theorien in Konkurrenz treten will“, noch dürfe sie unter „die Vorherrschaft des Erfahrungswissens“ fallen. Diese Kategorien einer „für jeden gültigen Bewertung“, wie sie z.B. im Berliner Rahmenlehrplan für das Fach Ethik bezeichnet werden, übten eine erdrückenden „Umklammerung“ auf Religion aus, aus der sie sich befreien müsse. Wenn auch Huber vor diesem letzten logischen Schritt – aus Rücksicht auf seine Gläubigengemeinde? – noch etwas zögert, ist seine Argumentation doch klar: Religion ist tnotwendigerweise Privatsache.
Naturalisten wie Dawkins werden hocherfreut sein, diese ersten Zeichen eines echten ökumenischen Geistes zu sehen. Wird doch gerade Dawkins nicht müde zu betonen, dass eine vernunftgeleitete Diskussion in den Vordergrund zu stellen sei, so es um nicht rein private Belange geht, und im Privaten ein jeder nach seiner Façon glücklich werden solle – ob mit Gottesbegriff oder ohne. Dies ist eine Ansicht, der sich alle Mitglieder einer freien Gesellschaft mit voller Überzeugung anschließen können sollten.
Wolfgang Huber: Der christliche Glaube. Eine evangelische Orientierung
Gütersloher Verlagshaus 2008,
288 Seiten, 19,95 Euro
Wenn Atheisten zu Propheten werden
Von Wolfgang Huber
Darwin konkurriert nicht mit Gott: Wer die Welt allein aus dem Blickwinkel der Evolutionstheorie sieht, verkennt die Bedeutung des christlichen Schöpfungsglaubens
Hat der Triumph der modernen Wissenschaften den Glauben heutzutage überflüssig gemacht? Was man in der jüdisch-christlichen Tradition unmittelbar auf das Schöpferwirken Gottes zurückgeführt hatte, wird immer detaillierter aus Kräften und Gesetzen der Natur erklärt. Die Schöpfung der Welt wird zur Weltentstehung; und die Erschaffung der Lebewesen mit dem Menschen als »Krone der Schöpfung« zur Evolution.
Der grundlegende Fehler, der in dieser Entgegensetzung zum Ausdruck kommt, liegt darin, dass der Schöpfungsgedanke mit den weltbildhaften Vorstellungen gleichgesetzt wird, in denen die biblischen Texte ihn präsentieren. Die Schöpfung wird nicht als Thema des Glaubens, sondern des Wissens angesehen. Unter Wissen ist in solchen Fällen das Erfahrungswissen zu verstehen, das wir mit den Mitteln von Beobachtung und Experiment erwerben. Dieses Erfahrungswissen ist an die Bedingungen von Raum und Zeit gebunden; der Glaube dagegen richtet sich auf die Wirklichkeit Gottes, die Raum und Zeit umgreift und übersteigt.
Das hat beispielsweise unmittelbare Konsequenzen für die häufig diskutierte Frage, ob im Biologieunterricht auf den biblischen Schöpfungsglauben und ob im Religionsunterricht auf die Evolutionstheorie Bezug zu nehmen sei. Am günstigsten wäre es ohne Zweifel, wenn das Verhältnis zwischen beiden Betrachtungsweisen in interdisziplinären Unterrichtsprojekten geklärt würde. Dann könnten biologische und theologische Perspektiven jeweils in ihrer Eigenbedeutung anerkannt werden. Man könnte lernen, dass man die Beziehung zwischen diesen beiden Betrachtungsweisen nur dann zureichend bestimmen kann, wenn man bereit ist, sie voneinander zu unterscheiden.
Insbesondere muss man es vermeiden, die biblischen Schöpfungserzählungen zu konkurrierenden Welterklärungsmodellen zu machen und das eine gegen das andere auszuspielen. Sowohl das Ergebnis: »Darwin beweist, dass es Gott nicht gibt« als auch das Ergebnis: »Gott beweist, dass Darwin Unrecht hat« wären eine unterrichtliche Fehlleistung. Ebenso klar ist, dass der Biologieunterricht die Grenze zur weltanschaulich-religiösen Bildung nicht überschreiten darf; er darf nicht unter der Hand zum Religionsunterricht – auch nicht in einem antireligiösen Sinn – werden.
Nun gibt es keineswegs nur die Forderung, den Unterricht über die Evolutionstheorie und denjenigen über den biblischen Schöpfungsglauben miteinander zu verbinden. Weiter geht die Forderung, das eine durch das andere zu ersetzen. Soweit in deutschen Bundesländern, in denen der Ethikunterricht den Religionsunterricht weithin verdrängt (wie derzeit in Berlin und in etwas schwächerer Form auch in Brandenburg), dieser Ethikunterricht den Darwinismus als die richtige und den christlichen Glauben als die falsche Weltanschauung darstellt, geschieht genau dies. Soweit allerdings umgekehrt gefordert wird, dass in den Schulen nicht die Evolutionstheorie, sondern eine biblische Weltanschauung, »Kreationismus« genannt, unterrichtet wird, geschieht das Gleiche mit umgekehrten Vorzeichen. Der Glaube an den Schöpfer wird dann zu einer pseudowissenschaftlichen Weltanschauung; dieser Glaube selbst soll nämlich das zutreffende Wissen über die Entstehung und Entwicklung der Welt vermitteln.
Damit wird der Schöpfungsglaube aber als eine Form der Welterklärung betrachtet. Der Glaube an den Schöpfer wird nicht als Grundlage einer Daseinsgewissheit angesehen, die unserem Leben verlässlichen Halt gibt. Sondern der Schöpfer wird als eine in der Natur wirkende Kraft verstanden; der Schöpfungsglaube wird dadurch als eine wissenschaftliche Hypothese behandelt, die mit neueren wissenschaftlichen Einsichten in Konkurrenz tritt. Ein solches Konkurrenzverhältnis liegt zugrunde, wenn in manchen Bundesstaaten der USA, vereinzelt aber auch in Deutschland, gefordert wird, dass nicht die Evolutionstheorie Darwins, sondern der biblische Schöpfungsglaube gelehrt werden solle.
Mit dieser Verkehrung des Glaubens an den Schöpfer in eine Form der Welterklärung, die mit wissenschaftlichen Theorien in Konkurrenz treten will, hat die Christenheit immer wieder Schiffbruch erlitten. Die Auseinandersetzung über das kopernikanische Weltbild oder der »Fall Galilei« sind Beispiele dafür. Indem ein zur Weltanschauung missdeuteter Glaube an die Stelle der wissenschaftlichen Vernunft treten wollte, wurde das Bündnis von Glaube und Vernunft in Wahrheit aufgekündigt.
Neuerdings wird der Evolutionstheorie auch eine Auslegung der Schöpfungslehre entgegengesetzt, der man den Namen »Intelligent Design« gibt. Weil man die innere Folgerichtigkeit der Evolution nicht anders begründen könne, müsse man aus wissenschaftlichen Gründen, so wird gesagt, einen Welturheber annehmen, der die Welt von Anfang an so intelligent konzipiert hat, dass es zur Entstehung des Lebens und zur Entwicklung des Menschen als der Krone der Schöpfung kam.
Damit wird freilich Gott den Ursachen in Raum und Zeit gleichgesetzt, wie sie sich sonst mit Hilfe empirischer Forschung ermitteln lassen. Gott wird zum Gegenstand des Erfahrungswissens, das seinerseits zwingend an die Kategorien von Raum und Zeit gebunden ist. Solchen Vorstellungen liegt eine Denkweise zugrunde, die der Philosoph Immanuel Kant gerade überwinden wollte, als er in der Vorrede zu seiner Kritik der reinen Vernunft erklärte, er habe »das Wissen aufheben« müssen, »um zum Glauben Platz zu bekommen«. Er wollte den Gottesbegriff aus der Umklammerung durch das an die Kategorien von Raum und Zeit gebundene Erfahrungswissen befreien, damit der Begriff Gottes als der alles umfassenden Wirklichkeit überhaupt wieder zur Geltung kommen konnte. Hinter diese Befreiung Gottes aus der Vorherrschaft des Erfahrungswissens fällt man wieder zurück, wenn man die Notwendigkeit des Gottesbegriffs auf der Ebene des Erfahrungswissens festzuhalten oder zu beweisen versucht.
Es kann nicht verwundern, dass dem ideologischen Missbrauch des christlichen Schöpfungsglaubens, wie er im Kreationismus und in der Lehre vom »Intelligent Design« vorliegt, spiegelbildlich ein Missbrauch entspricht, der meint, aus den Einsichten der modernen Naturwissenschaften zwingend eine Leugnung Gottes und die Verpflichtung auf einen kämpferischen Atheismus ableiten zu können. Beispielhaft ist dafür der Evolutionsbiologe Richard Dawkins, der sich mit seinem Buch Der Gotteswahn an die Spitze dieser Bewegung gesetzt hat. Im Vorwort erklärt der Autor seine Absicht, mit diesem Buch zum Atheismus bekehren zu wollen; das wissenschaftliche Material, das er entfaltet, steht also von vornherein in einem weltanschaulichen Zusammenhang, der die Grenzen der Wissenschaft überschreitet. Die kämpferischen Atheisten werden dadurch zu dem, was sie verachten: zu Vertretern eines Glaubens, ja zu dessen Priestern und Propheten.
Was tritt zu den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen unserer oder einer anderen Zeit hinzu, wenn wir die Welt als Schöpfung verstehen? Wir gewinnen einen Zugang zu ihrem inneren Sinn. Gerade weil sich das Ziel, um dessentwillen die Welt entstand und das Leben sich auf der Erde bildete, nicht aus den naturwissenschaftlichen Einsichten selbst erschließt, brauchen wir einen Zugang zu dem Sinn des Ganzen, der den Raum des unserem Wissen Zugänglichen überschreitet. Der Glaube an Gott als den Schöpfer vermittelt die Gewissheit, dass diese Welt die Möglichkeit zum Guten in sich enthält; er erschließt einen Zugang zur Welt, der sich auf diese Güte verlässt und zu ihr beizutragen bereit ist. Dass Gott es mit der Welt im Ganzen ebenso wie mit meinem persönlichen Leben gut meint, ist der Grundsinn des Schöpfungsglaubens.
Auszug aus dem Buch von Bischof Wolfgang Huber »Der christliche Glaube«, © Gütersloher Verlagshaus
29.Mai.2016, 17:52
Das ist leider lediglich theologisch verbrämter Unsin, was der Ex_ Bischof hier vn sich gibt“
03.Aug..2016, 07:48
Wer Augen hat, der sehe und wer Ohren hat, der höre!
Unser Verstand ist nicht geeignet, die Wege Gottes zu verstehen, sondern auf dieser Erde zu überleben.