Ja, den „Spiegel“ bekommen wir – die wir da gerade sind – auch auf Mallorca. Da lesen wir auf Seite 19 ein Gespräch zwischen einem für „Kirche“ zuständigen Spiegelredakteur und Bischof Bernard Fellay, Generaloberer der Piusbruderswchaft über die Entschuldigung des Holocaust-Leugners Richard Williamson.
Derweil Fellay meint, diese (mehr als magere, im Grunde unverschämte) Entschuldigung, die alles andere, als eine solche ist, sei doch aber immerhin „ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung und auf jeden Fall eine Bitte um Vergebung, meinen wir, die Piusbrüder wollen mit dieser Bitte an den „Heiligen Vater“ verschleiern, dass die Pius-Brüder allzumal nicht nur ein religiöser Bund, sondern hochpolitisch einherkommen:

Der Deutschland-Chef des Ordens wettert gegen Demokratie und Wirtschaft und will die Todesstrafe.
Darf sich ein weltanschaulich neutraler Staat, darf sich eine Bundeskanzlerin in die inneren Angelegenheiten der katholischen Kirche oder auch anderer Glaubensgemeinschaften einmischen? Ja, der Staat muss es sogar tun, wenn es extremistische Tendenzen gibt – im Falle der Anhänger der Pius-Bruderschaft sind es trotz wortreicher theologischer Argumentationen rechtsradikale Positionen.

Auch wenn die katholische Kirche selbst gefordert ist – und unbestreitbar distanzieren sich alle deutschen Bischöfe von den Pius-Brüdern -, so handelt es sich nicht nur um ein theologisches, sondern vor allem um ein weltlich-politisches Problem.
In der Auseinandersetzung mit dieser religiösen Gruppe stand bislang lediglich die Holocaust-Leugnung des Bischofs Williamson im Vordergrund.

Bischof Williams, Spitze des Eisbergs

Doch wer sich die politischen Thesen von Franz Schmidberger, Chef der deutschen Pius-Bruderschaft, anschaut, wird erkennen, dass die judenfeindlichen Aussagen von Bischof Williamson nur die Spitze eines Eisberges darstellen. Die von Schmidberger in einer „Zeitschrift für das christliche Gemeinwesen“ niedergelegten „Grundsätze einer christlichen Gesellschaftsordnung“ offenbaren ein eindeutig antiplurales und antifreiheitliches Verständnis dieser katholischen Sekte.

Die Schmidberger-Grundsätze zeugen von einer bedenklichen politischen Gesinnung: Besonders problematisch ist die abstruse These von Schmidberger, dass es „legitime Regierungen“ gibt, „die nicht aus Wahlen hervorgegangen sind“. Demnach könnte eine Alleinherrschaft eine legitime Regierung sein, da es nicht auf die Zustimmung der Bevölkerung, sondern auf eine Anerkennung durch Gott selber ankomme. In der Erbmonarchie sieht er eine solche Voraussetzung als erfüllt. Im dunklen Mittelalter hat man so gedacht wie auch im Altertum.

In der Neuzeit haben die Nazis versucht, die Herrschaft ihres „Führers“ religiös zu verbrämen und sie auf den Willen Gottes zurückzuführen. Übrigens nahmen die Nationalsozialisten ebenso wie Schmidberger Bezug auf den Römerbrief des Apostels Paulus. Diese Aussage Schmidbergers ist eindeutig verfassungsfeindlich.

Zugleich fordert Schmidberger ein Wahlrecht, das von dem Grundsatz, dass jeder Wahlberechtigte ein und dieselbe Stimme („one man, one vote“) hat, abweicht. Er fragt: „Würde nicht ein wesentlich auf die Familienoberhäupter abgestütztes Wahlrecht der Familie als Zelle der Gesellschaft eine ganz andere Stellung verleihen?“ Frauen kommen bei seinen Überlegungen beim Wahlrecht überhaupt nicht vor.

Auch bezweifelt Schmidberger, „ob die Parteien wirklich zum Wohle eines Volkes seien oder nicht vielmehr zu dessen Spaltung beitragen“. Sicher kann es legitim sein, sich über den Zustand politischer Parteien zu beklagen. Schmidberger stellt aber die Existenzberechtigung der Parteien als solche infrage. Nach seiner elitären Position sollten nämlich an deren Stelle „jene christlichen Männer“ treten, „die sich durch sittliche Reife und Lebenserfahrung, durch Gerechtigkeitssinn und Sorge um das Gemeinwohl auszeichneten“. Wer soll aber dann das Recht haben, über die „sittliche Reife“ als solche zu bestimmen, und wer hat das Recht, eine entsprechende Personalauswahl vorzunehmen? Solche Vorstellungen sind mit einer parlamentarisch-repräsentativen Demokratie nicht vereinbar. Parteien werden letztlich als überflüssig angesehen. Es wird verkannt, dass erst die Existenz von Parteien eine pluralistische Meinungsbildung in einer Demokratie ermöglicht. Außerdem sollten, so Schmidberger, da es „nur eine wahre, von Gott gestiftete Religion“ gebe, „falsche Religionen und Kulte“ verboten werden; allenfalls sollten diese „geduldet“ werden – und zwar „nach den Grundsätzen der Klugheit, ohne ihnen jemals ein Naturrecht auf Existenz zuzugestehen“. Toleranz gegenüber Andersdenkenden und -gläubigen steht somit nicht auf der Agenda.

Hingegen schreibt der Chef der deutschen Pius-Brüder, die „Polarisierung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, mit Gewerkschaften und Streiks, würde sinnvoll überwunden durch die Bildung von Kooperativen, das heißt Zusammenschlüssen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in einer Branche zur Verteidigung der gemeinsamen Interessen“. Damit wird bestritten, dass es widerstreitende Interessen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gibt. Die Ablehnung des Streikrechts ist bei solchen Überzeugungen zwangsläufig.

Die grundsätzliche Animosität von Schmidberger gegen die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland liest sich unter anderem in den Worten:

„Schluss mit der Tyrannei des Großkapitals und der Großbanken!“ Wer dem – derzeit zumal – noch folgen könnte, wird dann aber sehr schnell vom rechten Weg abzudriften gezwungen, wenn nämlich er (sie, es) den Verstand einschaltet, fordert der Bischof doch im weiteren Verlauf seiner Darlegung, dass sich ein christlicher Unternehmer „am Morgen zu Arbeitsbeginn mit seinen Angestellten vor dem Bildnis des gekreuzigten Herrn oder des heiligsten Herzens Jesu“ versammelt, „um Arbeit und Mühe des Tages Gott aufzuopfern und Seinen Segen auf das Werk herabzurufen“.

Darüber hinaus fordert Schmidberger die Todesstrafe. Es müsse klar werden, dass die Strafe zunächst „einen vindikativen (rächenden) Charakter“ habe, um die „zerstörte Ordnung“ wiederherzustellen. „Die Todesstrafe für Schwerverbrecher (Mord, Drogenhandel) trägt diesen rächenden Charakter in sich und führt viele Schuldige nach dem Zeugnis von Gefängnisseelsorgern zur Bekehrung.“

Gesellschaftspolitisch führen Schmidbergers Grundsätze zurück ins Mittelalter: Er sagt „dem Konkubinat wie auch den vorehelichen und außerehelichen Beziehungen den Kampf an“. Er will, dass – womit er weiter geht, als Josef Ratzinger – in einer christlichen Gesellschaftsordnung der Vertrieb von empfängnisverhütenden Mitteln verboten wird. Ferner heißt es: „Ebenso verbannt sie Gotteslästerung, Homosexualität und Pornographie aus dem öffentlichen Leben; sie bestraft die Abtreibung und verwirft die Euthanasie wie die Drogen. Auch schließt sie Freimaurerlogen und verbietet Geheimgesellschaften.“ Ausgehend von der Überzeugung eines übergeordneten universellen Naturrechts, verleugnen die Pius-Brüder in letzter Konsequenz die Autorität des staatlichen Rechts und folgen damit dem Bild einer Theokratie (Gottesherrschaft). Sie lehnen nicht nur die Gestaltungskraft des modernen Rechtsstaates ab. Die Umsetzung seiner Ziele führte auch zu einer alle verpflichtenden Einheitsmoral, die blind ist für moralische Differenzierungen der Moderne. Womit  seine religiösen Dogmen dem staatlichen Recht übergeordnet wären. Zwar ist die Sekte der Pius-Brüder nicht durch gewaltsame Aktionen aufgefallen, dennoch kann man die Aussagen von Schmidberger auf eine Stufe mit dem islamistischen Fundamentalismus stellen, denn auch die Scharia ist eine Rechtsordnung, die staatliches Recht verdrängt. Es geht nicht darum, etwa eine besondere individuelle Form von Frömmigkeit zu kritisieren, die jeder mit sich selbst ausmachen kann, zumal sie durch das grundgesetzlich garantierte Recht auf Religionsfreiheit geschützt ist.

Mit der Kritik an den Schmidberger-Thesen geht es also nicht um das Religiöse mit dem Blick auf das Jenseits, sondern um knallharte politische Positionen im Diesseits, die einer rechtsradikalen Partei gut zu Gesicht stehen könnten. Sein – und nicht nur sein – dumpfer Hass gegen die Moderne und seine Ablehnung des Pluralismus eines Staates der Gegenwart zeigen jedenfalls eine starke Parallelität zum Rechtsextremismus.

Seine Idealisierung einer ursprünglichen, harmonischen Gemeinschaft, sein Bild einer Urgemeinschaft, die sich nur göttlichem Gebot unterwirft, hat Ähnlichkeiten mit dem Bild einer „Volksgemeinschaft“ im Nationalsozialismus. Sein chauvinistischer Kampf gegen den „Internationalismus mit seiner Zerstörung der eigenständigen Völker und Kulturen“ zeigt ebenfalls starke Parallelen zu den Extremisten. Es wird deshalb dringend Zeit, dass sich der Verfassungsschutz diese Vereinigung ansieht. Der hat sich ja schon die Praktiken der sogenannten Scientology Church vorgenommen. Das ist bei den Pius-Brüdern ebenso berechtigt. Das Tun der Pius-Brüder scheint vielen zwar religiös, ist aber letztlich gemeingefährlich – zumal sie durch eine Reihe von staatlich geförderten Schulen (etwa in Nordrhein-Westfalen oder im Saarland) Einfluss auf junge Menschen haben.

Zurück zum Spiegel: Auf die Frage, warum die Piusse erst so spät auf die kruden Williamsonschen Thesen reagiert haben, räumt Bischof Fellay ein: „Ich muss gestehen, dass ich die Situation nicht ernst genug genommen habe“.

Darauf nämlich, dass man sich von dem Holocaust-Leugner, der, auf starken deutlich mehr öffentlichem, denn aus der Kirche kommendem Druck vorläufig zumindest erst mal würde distanzieren müssen, hat mittlerweile den Focus auf die Kruderie der gesamten Bruderschaft gelenkt. Und das konnte nun wirklich keiner von ihnen gewollt haben.

Und,  dass noch lange nicht zu guter Letzt auf der Deutsche Bischofskonferenz – so eine Meldung der Tagesschau am 5. März – die vom „Stellvertreter Gottes“ „geexxten“ bischöflichen Exkommunikanten der vier Piusse kein Thema war – was Wunder! Jürgen Gottschling

Weil wir diesen Brief gefunden haben, und weil wir meinen, dass daraus leicht zu erkennen ist, dass sich kaum unverhohlener sagen lässt, dass die Piusbrüder keinen Schritt zurück in die Gegenwart zu tun bereit sind, geben wir dies Schreiben als Schmankerl an unsere Leser weiter:

PRIESTERBRUDERSCHAFT
SANKT PIUS X.

An Seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI.

Heiliger Vater,

Von ganzem Herzen möchten wir Ihrer Heiligkeit unsere tiefe Dankbarkeit ausdrücken für den Akt Ihrer väterlichen Güte und Ihres apostolischen Mutes, durch welchen Er die Maßnahme unwirksam machte, die uns als Folge unserer Bischofsweihen vor 20 Jahren getroffen hat. Sein Dekret vom 21. Januar 2009 rehabilitiert in gewisser Weise den verehrten Gründer unserer Priesterbruderschaft, S. Exzellenz Bischof Marcel Lefebvre. Es verschafft ebenso der Kirche ein großes Gut, so scheint es uns, indem die Priester und Gläubigen, die weltweit der Tradition anhängen, nun nicht mehr ungerechterweise gebrandmarkt sein werden, weil sie den Glauben ihrer Väter beibehalten haben.

Aufgrund dieses Kampfes für den Glauben versichern wir Seine Heiligkeit, wie sie es wünscht, „keine Mühe zu scheuen, um die noch offenen Fragen in den notwendigen Gesprächen mit den Autoritäten des Heiligen Stuhles zu erörtern“. Wir wünschen in der Tat, so bald wie möglich den Austausch mit den Vertretern Ihrer Heiligkeit über die Lehren, welche im Gegensatz zur beständigen Lehre der Kirche stehen zu beginnen.

Durch diesen notwendigen Weg, den Ihre Heiligkeit erwähnt, hoffen wir, dem Heiligen Stuhl helfen zu können, das dem Glaubenszerfall im Innern der Kirche angemessene Heilmittel zu bringen.

Die Unbefleckte Jungfrau Maria hat sichtlich die Schritte Ihrer Heiligkeit zu unserem Entgegenkommen gelenkt. Sie wird Ihnen auch weiterhin ihre liebevolle Fürsprache gewähren. Mit dieser Versicherung bitten wir den Obersten Hirten kindlich, vier seiner Söhne, die dem Nachfolger Petri und seiner Aufgabe, die Lämmer und die Schafe des Herrn zu weiden, zutiefst verbunden sind, zu segnen.

Menzingen, den 29. Januar 2009
Am Fest des hl. Franz von Sales

+Bernard Fellay                                 +Bernard Tissier de Mallerais

+Richard Williamson                                    +Alfonso de Galarreta

Möcht man da nicht auch nochmal Kind und reinen Herzens sein? Kommt man doch so in den Genuss, Adressat für dies wunderschöne Erbauungsheftchen der Piusbruderschaft in Betracht zu kommen:

Jetzt ist aber Schluss!

Jetzt ist aber Schluss!

März 2009 | Allgemein, Feuilleton, Kirche & Bodenpersonal, Sapere aude, Zeitgeschehen | Kommentieren