Vortrag von Prof. Joseph Imorde in der Karlsruher Hochschule für Gestaltung
Michelangelo und deutsche Einbürgerung – das scheint auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun zu haben. Jedoch hätte der im Jahr 1475 geborene und aus der toskanischen Provinz stammende Renaissance-Künstler lange Zeit kaum Schwierigkeiten gehabt, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten. Posthum hat er alle Tests bestanden und wurde laut den Forschungsergebnissen von Joseph Imorde, Professor für Kunstgeschichte an der Universität Siegen, insbesondere in der Zeit zwischen 1860 und 1945  „eingedeutscht“.

„Michelangelo Deutsch! Kunstgeschichte als Kulturimperialismus“, so lautet der öffentliche Vortrag Imordes, der am 10. Februar in der HfG Karlsruhe im Rahmen eines Seminars der Kunstwissenschaft stattfinden wird. Er befasst sich mit den vielfältigen Strategien zur Aneignung Michelangelos innerhalb der deutschen Kunstgeschichtsschreibung – und expliziert damit, wie sich das deutsche Interesse an dem Universalkünstler  in der Moderne zu einer regelrechten „Michelangelomanie“ entwickelte.

Die Analyse der in dieser Zeit entstandenen Strategien, Michelangelos Ursprung in der „deutschen Seele“ zu verankern, legt offen, wie verwegen Kunstgeschichtsschreibung sein kann und auf wie viel Ebenen sie sich abspielt: Da wird der italienische Maler, Bildhauer und Architekt zur Verkörperung der „faustischen Natur“; zum „Geist vom deutschen Geist und Fleisch von deutschem Fleisch“; zum hochgewachsenen Langobarden und somit eher dem Norden zugehörig als dem Süden; und schließlich zum Antiklassizist, der seinem Wesen nach der deutschen Kultur näher steht als der italienischen.

Joseph Imorde ist seit 2008 Professor für Kunstgeschichte an der Universität Siegen. Zuvor leitete er das Forschungs- und Publikationsprojekt „Die Tagebücher Ernst Steinmanns“ an der Bibliotheca Hertziana, Rom. Zu seinen Veröffentlichungen zählen u.a. „Barocke Inszenierung“ (Gebrüder Mann, 1999) und „Affektübertragung“ (Gebrüder Mann, 2004).

Dienstag, 10. Februar, 19 Uhr
Ort: HfG Karlsruhe, Lorenzstraße 15, Raum 112
Eintritt: frei

Feb. 2009 | Allgemein, InfoTicker aktuell | Kommentieren