In der andauernden Finanz- und Wirtschaftskrise entwickeln einzelne Länder zunehmend protektionistische Tendenzen. Zuletzt kündigte Frankreich an, die heimische Autoindustrie mit Milliardenhilfen stützen zu wollen. Mit Sorge blickt die europäische Presse auf den neuen Protektionismus. Zu aktuellen Anlässen lassen wir für unsere Leser die aktuelle Europäische Presse lesen:
Göteborgs-Posten – Schweden
Die Tageszeitung Göteborgs-Posten sieht in der Ankündigung Frankreichs, die Autoindustrie mit Krediten zu unterstützen, eine gefährliche Tendenz zum Protektionismus: „Wirtschaftlicher Protektionismus ist eine besonders gefährliche Form des politischen Populismus. Er kommt auf den Marktplätzen gut an und bei Politikern, die ihre Wähler als inkompetent und dumm ansehen. Aber er hat schlechte Nachwirkungen. Protektionismus bedeutet, die Industrie des eigenen Landes auf Kosten der anderen Länder zu begünstigen. Er funktioniert nur so lange wie die anderen Länder nicht mit gleicher Münze oder Importbeschränkungen zurückzahlen. Deshalb ist es sinnlos, die französische Autoindustrie zu retten und damit den Zugang zum großen deutschen Automarkt für französische Kleinwagen zu begrenzen. Im schlimmsten Fall löst der Protektionismus eines Landes eine Kettenreaktion aus, mit dem Ergebnis, dass wir alle ärmer werden.“ (11.02.2009)
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Financial Times – Großbritannien
Die Wirtschaftszeitung Financial Times kritisiert den protektionistischen Ansatz hinter den französischen Staatshilfen für die Automobilindustrie: „Und so breitet er sich aus. Der Protektionismus wächst – selbst innerhalb der Europäischen Union, die die Tugenden eines gemeinsamen Marktes proklamiert. Mit Frankreichs Entscheidung, Renault und Peugoet-Citroën mit einem Kredit von 6 Milliarden Euro zu stützen, beginnt eine neue Phase in einem schon überhitzten Rennen um Auto-Subventionen. Autobauer … verdienen jedoch keine speziellen Subventionen, um die Nachfrage nach ihren Produkten zu fördern. Keine Industrie verdient so etwas. Es ist nicht Sache der Regierungen, irgendeinen Sektor zu schützen. Ein Mangel an Nachfrage macht Probleme. Warum kurbelt man sie also nicht quer durch die Wirtschaft mit einem Bündel finanzieller und haushaltspolitischer Maßnahmen an und lässt die Verbraucher entscheiden, was sie kaufen wollen. Man darf die Steuerzahler nicht dazu auffordern, Autos zu kaufen, die sie nicht fahren wollen.“ (11.02.2009)
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Népszabadság – Ungarn
Die linksliberale Tageszeitung Népszabadság empört sich über die protektionistischen Tendenzen in Frankreich: „Der französische Präsident Nicolas Sarkozy rüttelt an den Grundfesten der Europäischen Union. … Sarkozy will die französischen Autohersteller aus Tschechien und der Slowakei ’nach Hause holen‘. Damit tritt er die Grundprinzipien der EU mit Füßen: den freien Verkehr der Güter, des Kapitals und der Dienstleistungen. Sarkozy ist entweder naiv oder unwissend: Das Geschäft mit Autoersatzteilen ist derart global, dass es absurd ist, die Zulieferkette einfach zu durchbrechen. … Als Reaktion hat der slowakische Regierungschef Robert Fico bereits erklärt, dass er im Fall eines Abzugs von PSA Peugëot-Citroen aus der Slowakei Gaz de France ebenfalls des Landes verweisen wolle. Angesichts solcher Kriegserklärungen müssen wir feststellen: Nicht nur der freie Handel wird in Frage gestellt, sondern auch die Grundidee der Europäischen Union.“ (11.02.2009)
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Gazeta Wyborcza – Polen
Die liberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza fordert die Regierungschefs in Polen und Tschechien auf, den neuen Protektionismus in Europa mit aller Macht zu bekämpfen: „Das Gespenst des Protektionismus versucht erneut, aus dem Grabe aufzuerstehen – aufgescheucht durch einige unverantwortliche Politiker. An erster Stelle ist Präsident Nicolas Sarkozy zu nennen. Er hat zu verstehen gegeben, dass die öffentlichen Hilfen für französische Autokonzerne mit der Schließung von Fabriken in anderen EU-Ländern und ihrer Rückverlagerung an die Seine einhergehen sollten. Die Tschechen an der Spitze der EU wollen Ende Februar einen Sondergipfel einberufen und den übrigen EU-Staaten einen formalen Verzicht auf wirtschaftlichen Protektionismus abringen. [Der polnische] Premier Donald Tusk sollte wie ein Fels hinter seinem tschechischen Kollegen Mirek Topolanek stehen. Wenn das Vorhaben der Tschechen nicht durchkommt, könnten wir alle erhebliche Schwierigkeiten bekommen.“ (11.02.2009)
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Diário de Notícias – Portugal
Protektionistische Maßnahmen schaden der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, schreibt die Tageszeitung Diário de Notícias: „Der beste Beweis dafür, dass die in Europa getroffenen Maßnahmen zur Überwindung der Krise sehr wenig europäisch sind, ist, dass hier und da Regelungen vorkommen, die den Bürgern oder den Produkten des jeweiligen Landes Vorrang geben. … Was die Handelsprinzipien angeht, ist die Idee nicht illegal. Doch wenn alle Länder protektionistische Maßnahmen träfen, würde das die Sperrung anderer Märkte für Produkte aus dem eigenen Land bedeuten. Das würde für Export-Unternehmen den Kollaps bedeuten. … Protektionismus führt im Endeffekt lediglich zu einem Rückgang der wirtschaftlichen Entwicklung. [Er ist] ein Spiel, in dem alle verlieren. Die intelligente Antwort ist, genau das Gegenteil zu machen: mehr Arbeiter anstellen, wenn auch nur vorübergehend, um die Kaufkraft zu verstärken und den Konsum der besten Güter und Dienstleistungen – egal wo sie herkommen – zu unterstützen.“ (11.02.2009)
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