Wie auch immer der Vatikan Lüge zu nennen beliebt – wir meinen, dass Keiner, dass Niemand, der sich auch nur ein ganz klein wenig mehr als überhaupt nicht mit diesem 1988 von Erzbischof Marcel Lefebvre geweihten „Bischof“ beschäftigt, nicht gewusst haben kann, dass es sich bei dem Engländer Richard Williamson um einen Holocaust-Leugner handelt. Dezidiert: Wenn Josef Ratzinger, wenn also Papst Benedikt XVI. die Exkommunikation des Bischofs von Lefebvres Gnaden, wenn der von Menschenhand zum Stellvertreter Gottes hinieden gewählte Benedikt die Exkommunikation von Williamson per päpstlichem Dekret aufhebt und wissen läßt, Williamson könne nun wieder Bischof der römisch katholischen, der alleinseligmachenden Kirche sein, dann mag dem Papst glauben, wer da mag; wir jedenfalls gehen davon aus, dass Benedikt gewußt haben (sic) muss, was es über den offen bekennenden Holocaust-Leugner Williamson zu wissen gibt: Und wenn, da dem so sein muss, dem so ist, muss Papst Benedikt XVI. Lügner genannt werden dürfen. Alsdann: Wir nennen Josef Ratzinger, wir nennen Papst Benedikt XVI. einen Lügner! Und stellen Strafanzeige gegen ihn wegen Beihilfe zur Volksverhetzung.

Lieber Gott, ich mach DIch fromm! Wenn ich in den Himmel komm. Und laß ein wenig Geist herunter, unter meinen Hut. Und wenn der stört, tät ich ihn unter Umständen auch abnehmen. Also, naja - vielleicht …
Unsere Begründung dafür geht davon aus, dass der Papst wusste, wen er mit Williamson in ein (zumal ohnehin nicht von Rom anerkanntes) Amt nach zumal seiner Exkommunikation wieder einführt. Und dass aber es einem „Bischof“ allemal leichter fällt, seine abstrusen Dafürhaltungen unter die Leute zu bringen.
Auf einem anderen Blatt, nämlich auf dem Standpunkt des christlichen Antisemitismus von 1928, stehen Verlautbarungen der Priesterbruderschaft St. Pius X (welcher Williamson angehört). In einem zuletzt 2008 nachgedruckten Aufsatz des deutschen Oberen Franz Schmidberger erscheint die Erklärung zu den Juden unter den „Zeitbomben des Konzils“. Ausdrücklich verwirft der Aufsatz die in Nostra Aetate ausgesprochene Verdammung des Gottesmordvorwurfs.
Die Versöhnung mit den Juden, die – unter anderem – René Girard dem deutschen Papst hoch anrechnet, war für die Kirche ein schmerzhafter Prozess. Und nach zwei Jahrtausenden schwieriger als die antitotalitäre Aufklärung der Linken. Man mag den Pius-Brüdern ihre Folklore lassen und auch die Messe auf Lateinisch nicht verbieten.
Aber an diesem extremen Rand der Kirche, im Sumpf der unbelehrbaren Ultratraditionalisten, blieb der Antisemitismus latent präsent. Ihre Geisteshaltung führt in direkter Linie zurück zur Action Française, zu Pétains Katholizismus und zur Dreyfus-Affäre.
Gott mag jeder verirrten Seele gnädig sein.
Der Papst aber, sein Stellvertreter auf Erden, der darf die Schleusen nicht öffnen: „Juden sind Gottesmörder, solange sie sich nicht bekehrten“. Benedikt XVI. hat von den wieder in die Kirchengemeinschaft aufgenommenen Bischöfen nicht den Widerruf dieser Aufrufe zum Ungehorsam gegenüber dem Konzil verlangt. Er hat sich seine Zeitbombe selbst gebastelt.
Jürgen Gottschling
05.Feb..2009, 11:29
Wenn ich recht unterrichtet bin ist der Papst auch Regierungschef des Vatikans und damit geschützt gegen solche Anzeigen.
“ Was kümmerts den Mond, wenn ihn der Hund anbellt“
Schrecklich ist, Josef Ratzinger ist Deutscher und Josef Ratzinger ist alt genug um zu wissen was unsere Väter dem jüdischen Volk angetan haben. Er selbst hat die Greulstätten besucht und jeder aufrechte Katholik in Deutschland und in der Welt weiss um den Holocaust nur Josef Ratzinger in seiner Eigenschaft als Stellvertreter Gottes legt denjenigen, die den Holocaust und damit das schreckliche Morden an den Juden leugnen, die kirchlichen Sakramente zu Füssen. Schrecklich, dieser zornige und trotzige alte Mann. Die Anzeige wegen Volksverhetzung muß weiter verfolgt werden.
Dietrich Tuengerthal
05.Feb..2009, 17:55
Na, ja, aber einem, der sagt er hat all das nicht gewusst, kann man Schlampigkeit und Führungsschwäche vorwerfen, aber nicht anzeigen. Dass er nichts wusste ist ziemlich plausibel. In seinen Beweggründen Barmherzigkeit und Grosszügigkeit zu üben, hat er wahrscheinlich falsche, bzw. unzureichende Anweisungen an diesen Bischof gegeben nur nach katholischen Gründen zu suchen, die Exkommunikation aufzuheben. Diese alten Herren werden wohl nicht gelernt haben, mit Google umzugehen, sonst hätten sie ja sofort die Information gehabt.
Da der Papst sofort nach Bekanntwerden sich gegen die Äusserungen des „Bischofs“ Williamson gestellt hat, mit eigenen Zitaten aus der Vergangenheit, die bezeugen, dass er nie, auch nur ansatzweise, den Holocaust geleugnet hat, wird man nichts machen koennen. Im Gegenteil, falsche Anschuldigungen bezüglich Ratzinger schwächen den Wiederstand nur ab, der sich gerade gegen ihn aufbaut, weil sich dann wieder eine Verteidigungskoalition für ihn bildet.
Brigitte Altenberg
05.Feb..2009, 19:22
Liebe Brigitte Greulich,
Sie haben recht, dem Papst Schlampigkeit und Führungsschwäche vorzuwerfen, das wurde von Jürgen Gottschling (wenn einer schon so heißt) versäumt. Das hätte aber in der Tat auch nur dann in Frage kommen dürfen, wenn man davon hätte ausgehen müssen, der Papst habe wirklich nicht gewusst, dass Williamson den Holocaust leugnet. „Katholische Gründe“ – wären das nicht deutlich auch solche, wie den Holocaust geleugnet zu haben? Damit kein Missverständnis bleibt. Ich weiß sehr wohl, dass Benedikt XVI. zu dieser brauen Brut nicht gehört. Jedoch hat er nicht „in seiner Barmherzigkeit und Großzügigkeit“ verhindert, dass Williamson wieder zum Bischof kommuniziert wurde. Zu meinen, ein solcher Schritt sei nicht von dem dem Papst zur Verfügung stehenden riesengroßen Apparat im Vatican vorbereitet und durchdacht gewesen, das ist, sehr geehrte Frau Greulich schlicht. Und naiv!
Die Holocaust-Leugner bilden ihre eigene Weltkirche, eine diabolische Travestie der universalen Kirche des Geistes. Sie sehen sich als Hüter der von der Welt geleugneten Wahrheit und kommunizieren, da sie überall, wo sie sich hervorwagen, strafrechtlich verfolgt oder wenigstens sozial geächtet werden, im Internet. Auf den einschlägigen Seiten der antisemitischen Fanatiker wird Williamson seit Jahren als Kronzeuge zitiert. So soll er schon 1989 in einer Predigt in einer der Muttergottes von Lourdes geweihten Kirche in Kanada den Holocaust als „Lügen, Lügen, Lügen“ bezeichnet haben. Wäre dieses Sakrileg nicht Grund genug gewesen, Williamson von der Aufhebung der Exkommunikation auszuschließen?
Aber, davon will man heute im Vatican nichts gewusst haben, obgleich eine solch wichtige Frage auf der Agenda stand, Exkommunizierte „Bischöfe“ wieder „reinzulassen“? Das dem – nichts gewußt zu haben – so wäre, das wird derzeit zwar überall von fleißigen Kirchenleuten unter die anderen Leute gebracht. Zu hoffen aber, dass Gläubige auch dies glauben – das lässt nun hinwiderum Vatican und Kirche in reichlich naivem Schatten erscheinen.
Den ebenfalls gern von den Judenhassern gern zitierten Satz des Bischofs, Gott habe den Menschen, wenn sie die Wahrheit wissen wollten, die „Protokolle der Weisen von Zion“ in die Hände gelegt, findet man bis heute in der Serie der Pastoralbriefe Bischof Williamsons auf der Seite der kanadischen Sektion der Bruderschaft. Auf diese Exzesse angesprochen, die innerhalb der weltweit verstreuten, aber zahlenmäßig überschaubaren Pius-Gemeinde nicht unbekannt bleiben konnten, pflegten Williamsons Verteidiger bislang immer zu entgegnen, es handele sich um eine Privatmeinung in einer historischen Frage, die die Lehre der Brüderschaft nicht berühre. Es ist eine der erschreckenden Einzelheiten der Angelegenheit, dass die allererste Äußerung des Papstsprechers Lombardi, die Exkommunikation habe mit den Ansichten Williamsons nichts zu tun, als vatikanische Approbation dieser Apologetik verstanden werden konnte. Der Schoß ist fruchbar noch – mag er noch so unbefleckt sein. Benedikt XVI. hat Brandstifter in den Schoß aufgenommen, Bei der Auschwitz-Lüge höre jede Toleranz auf – und wäre sie noch sehr in „Barmherzigkeit und Grosszügigkeit“ gegründet.
Matthias Grauberg
05.Feb..2009, 19:50
Lustig (wäre das, wenns nicht so traurig wäre), dass der Papst nun endlich (verärgert über unter anderem die Kritik Merkels) seinem Ärger Luft macht und die, über die er sich ja aber selbst in die Breduille gebracht hat, an die Kandarre nimmt: William soll sich als Holocaust Leugner verleugnen (was er dem Vernehmen nach nicht tun wird), und alle vier inkriminierten Bischöfte sollten erklären, dass sie sich wieder auf den Boden des zweiten. Vaticanischen Konzils begeben würden. Ei was denn, tut das Benedikt XVI. zu beinahe guter Letzt nun doch? Auf diesem Boden stehen? Er tut es nicht, und jeder weiß das. Woraus sich – wenn Konsequenz denn mit Kirchenrecht vereinbar wäre – ergäbe, dass, begibt sich der Papst nicht schleunigst wieder auf den Boden dieses zweiten vaticanischen Konzils, er sich doch selbst mitsamt den rechten Piussen exkommunizieren müsste.
Karin Schwerdtfeger
05.Feb..2009, 20:06
Kann es sein, dass Friedmann bei Ihnen gespickt und nun den Papst einen Heuchler und Lügner nennt? Jedenfalls habe ich das bei Ihnen gelesen, als er es noch nicht gesagt hatte.
Der TV-Moderator und frühere Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, griff Papst Benedikt XVI. jedenfalls auch scharf an. „Der Papst ist unglaubwürdig, ein Lügner und ein Heuchler, wenn er den Menschen einerseits verkaufen möchte, er stünde auf der Grundlage der Kooperation, des Zusammenlebens zwischen Juden und Christen, er kämpfe gegen jeden Antisemiten in der Welt und er kämpfe gegen jeden Holocaust-Leugner, aber mitten im Vatikan genau diese Leute mit offenen Armen aufnimmt“, sagte Friedman nach Mitteilung des Hessischen Rundfunks. Weiter so, Friedmann und Gottschling
Manu
05.Feb..2009, 21:43
Die Anklage ist überfällig.
Wohl gesammelt mit anderen, die anstehen und längst –
aber von wem? – ein donnerndes Urteil fordern.
Doch wir verfallen der Oberfläche.
Ratzinger, Merkel, diese Schmierenpresse – alles Oberfläche. Alle lassen sich durch irgend jemanden entschuldigen, für ihre Geistesschwäche, ihre moralische Inkompetenz.
Dass Ratzinger eine Marionette ist, so wie all die anderen Schauspieler auf der Medienbühne, ist uns lange klar.
Und so „wissen sie nicht, was sie tun“.
Wir denken fröhlich (oder auch nicht) und selbstgerecht
über die falschen Zusammenhänge nach.
Was sind die wirklichen?
Die Größe der Lügen ist es, die bemerkenswert zunimmt.
Und die Quelle scheint mir dort zu liegen, wo staatliche Monopole den Wert unserer Resourcen und des Kapitals manipulieren.
Die katholische Kirche sollte, sachlich und gerecht betrachtet, längst bankrott sein. Moralisch ist sie es seit Jahrhunderten.
Sie wird bei Ihrem Ableben auch kein Vakuum hinterlassen,
in das Fundamentalisten eindringen könnten.
Dieses Vakuum wurde längst von den Massenmedien in unseren Köpfen produziert.
Deshalb ist es auch gut, die Rundschau zu lesen!
Sapere aude!
Gregor
06.Feb..2009, 13:43
Man kann den Papst in vielen Punkten kritisieren. Ihn aber in die kriminelle Nazi-Ecke zu stellen ist dumm und gefährlich. Durch die von der Rundschau angeheizte Diskussion wird von jeglicher sinnvoller Auseinandersetzung mit dem Ex-„Panzer“ Kardinal abgelenkt.
Otto Greulich
06.Feb..2009, 13:55
Lustig1952 hat Folgendes geschrieben:
Das die christlichen Kirchen an millionenfachem Mord eine Mitschuld tragen wird wohl keiner abstreiten.
Es gab eine Zeit in der sich die Kirche dann wieder der christlichen Lehre näherte.
Nun aber sieht es so aus, als ob sich die katholische Kirche wieder entfernt und das mit großen Schritten.
Da der Papst ja auch nur das Sprachrohr der Berater ist, sollte man auf diese sein Augenmerk richten.
07.Feb..2009, 01:27
ich halte die aufgeregtheiten über den sehr spezifisch-innerkirchlichen akt der exkommunikationsaufhebung für übertrieben.
bei genauerem studium der verlautbarten erklärungen aus rom und des auch dem laien zugänglichen kirchenrechtlichen sanktionskanons wir man nicht umhinkommen, in der rücknahme der exkommunikation der 4 piusbrüderlichen bischöfe einen akt des brückenbaus zu sehen, also eines versuchs, das nachhaltige schisma zwischen vatikan und pius-brüderschaft zu vermeiden – über die motive der brückenbauer zu streiten, ist sicher auch interessant, hier jedoch nicht das thema. die exkommunikation vor mehr als 20 jahren war im übrigen kein vatikanischer akt von (angreifbarer) urteilsbildung und anschließendem sanktionsbeschluß („spruchstrafe“) sondern eine sogenannte tatstrafe, welche sich quasi automatisch einstellte und nur registriert werden mußte. grund war die bischofsweihe der 4 delinquenten durch erzbischof lefèbrve im jahr 1988 entgegen vatikanischer weisung. bis dahin ist der sachverhalt weitgehend unstrittig – auch in der öffentlichen meinung. abwegig provokative äußerungen zur schoa spielten seinerzeit jedenfalls keine rolle und wären wohl auch bis heute kein grund zur exkommunikation – selbst mörder werden nicht automatisch aus der kirche ausgeschlossen.
nun ist die exkommunikation per definitionem eine interimistische angelegenheit – die ihre aufhebung quasi von anbeginn in sich trägt. entscheidend ist die reuige einsicht und der wille, in den schoß der katholischen kirche zurückzukehren. wird solcherart einsicht und begehren angemessen und glaubhaft artikuliert, so besteht gleichsam rechtsanspruch auf rücknahme der exkommunikation. so geschehen – und zwar auf langwierigem verhandlungswege zwischen dem lefèbrve-nachfolger fellay und dem seit jahren amtierenden leiter der eigens zu diesem zwecke 1988 von pabst johannes paul II. eingesetzten kommission „ecclesia dei“, kardinal hoyos. der prozess erfuhr offenbar zum jahresende 2008 eine gewisse beschleunigung – die bevorstehende pensionierung von kardinal hoyos soll eine rolle gespielt haben. kurzum: auf einmal lag das (durchaus erwünschte) reueschreiben von bischof fellay – auch im namen seiner 3 ebenfalls ausgeschlossenen mitbischöfe – vor nebst ausdrücklichem ansinnen, wieder von der kirche aufgenommen zu werden. der aufhebung der exkommunikation konnte – so mein laienhafter eindruck – seitens des pabstes kaum etwas entgegengesetzt werden und die öffentlichkeit hätte von dem ganzen vorgang unter anderen umständen kaum notiz genommen. die unsäglichen äußerungen des herrn williamson zur schoa kamen nun der ganzen angelegenheit gewaltig in die quere – aber so abstrus es klingt: sie bieten offenbar keinen grund zur exkommunikation, damit aber auch keinen solchen, die rücknahme derselben zu verweigern. dies mag man ärgerlich finden – daraus eine billigung der grotesken williamson’schen verlautbaren durch pabst und vatikan abzuleiten, greift jedoch erheblich zu kurz.
nach meinem eindruck verfügt die kirche durchaus über andere mächtige sanktionsmechanismen, um solche peinlichen äußerungen von amtsinhabern angemessen zu sanktionieren und damit einer wiederholung vorzubeugen. benedikt ist hier erheblich in der pflicht – man darf gespannt sein auf das, was kommt.
als fazit bleibt zu konstatieren: hätte benedikt und sein apparat den ex-exkommunikationsakt von anfang an mit qualifizierten verlautbarungen begleitet, welche der verwechselung von exkommunikationsrücknahme mit einer billigung der verwerflichen ansichten eines der beteiligten vorgebeugt hätten, so wäre der schaden sicher erheblich kleiner ausgefallen.
felix brandi
10.Feb..2009, 06:15
Ich möchte mich zu der vatikanisch bräunlichen Chose aus der Ferne melden, wo das Papst- und Christentum immer noch sehr viel (mehr) gilt (neben – leider – den evangelikalen Sekten jeglicher Spielart, besonders in dem Land, in dem ich gerade bin), und die Menschen überwiegend schlicht sind, angenehm schlicht, nicht naiv, aber auch nicht so intellektuell manieriert selbstredend, was im Alltagsdiskurs bisweilen so arg angestrengt wirkt in Europa, in Deutschland, in Heidelberg. Man hat hier noch Bezug! Triangulation!
Lateinamerika! Kontinent in Hoffnung. Im Aufbruch mit vielen bunten Facetten eines neuen Wertemosaiks, von dem wir in Europa nur träumen können, wenn wir noch wollen.
Den Vatikan bloß ablegen und keine anderen Werte, frugale Werte kreieren, mitarrangieren, würde man in Lateinamerika nicht akzeptieren. Man empfände das als bloßes Gleiten ins schwarze Loch, das bekanntlich eine ziemliche Hölle ist. Es ist wohl so, hier regt man sich nicht sonderlich auf über den deutschen Papst. Wir Deutschen sind da prinzipiell qua Geschichte, die noch wirkt und wirken sollte, in einer anderen Conditio. Wohl wahr!
Hier in Lateinamerika gibt es längst einen selbstbewusst-rebellischen Aufbruch, bei dem positive Elemente des Christentums, Werte der indígenas (teilweise christlich assimiliert) durchaus einhergehen mit antineoliberalen Gesellschafts- und Überzeugungsversuchen – und das beginnend lange vor der „Schockstrategie“ (N. Klein), die seit September 08 Wirtschafts- und Finanzkrise genannt wird. Große Vielfalt mit Besinnung auf Werte. Ja, aber hallo, auf Werte, warme Werte, nicht unterkühlte, kollektive auch, nicht bloß individualistische. Der große Blochsche „Wärmestrom“ ist da zum Greifen nah zu entdecken. Utopie? Ja, gewiss doch, konkrete Utopie.
Vor gut 20 Jahren bin ich aus der katholischen Kirche ausgetreten – wegen des Benedikts Vorgängers Draufhauen auf die Befreiungstheologen damals hier: der Brasilianer Boff, der Peruaner Guiterrez, Frei Betto und andere. Auch wegen Drewermann zu Hause, ein prima Kerl. Und wegen der Nähe des Vatikans damals (und heute noch, ich weiß es nicht, nehme es aber an) zum falangistischen Opus Dei. Und weil ich mehr auf einen human gewendeten Kommunismus setzte. Irgendwie Kommunismus und irgendwie Kommunion. Denn man darf den Menschen nicht die Freiheit nehmen zu glauben, dachte ich. Denke ich. Religion ist eben nicht nur ganz und gar Opium fürs Volk.
Ich möchte sachte anmerken: die Angelegenheit muss im gegebenen Fall, über den wir uns zu recht aufregen, nicht mit so viel intellektuellem Brimborium scheingelöst werden, wie ich es mitunter bei einigen meiner Kommentare-Vorschreiber zu entdecken vermeine. Das wirkt mir für diesmal zu angestrengt.
Die Angelegenheit, um die es geht, ist hierfür schlicht zu klar, und es gibt im Grunde vor allem 2 passende Lösungen: entweder man hat den „Verein“ schon längst verlassen, dann kann man relativ gelassen (ja, doch, relativ gelassen) von außen zusehen, was der „Verein“ tut, wie er abschmilzt und froh sein, dass man draußen ist. Und die Reaktion der christlichen Kanzlerin überlassen, das wirkt ja sichtlich schon, allmählich. Neben der wohl einkehrenden verstärkten Implosion.
Oder man ist noch drin, dann sollte man jetzt schleunigst raus, denn dieser Papst ist noch jung und kein Glos. Und raus gehen ja jetzt anscheinend viele…
Freilich gibt es für christliche Theisten auch noch eine dritte Lösung: drinbleiben und kämpfen. Aber auch solch eine Haltung ist aus den Kommentaren meiner meisten Vorschreiber nicht erkennbar. Es fehlt das eigene Werte-Bekenntnis in der so überaus aufgeweckt-aufgeregten Debatte, die vom Himmel des Vatikan fiel wie eine tote Taube vom Dach. Morbide!
Gegenposition ohne Positionierung aber, das ist wie Salsa ohne Körper. Schwamm ohne Weihwasser. Nicht Fisch, nicht Fleisch.
Ich frage: Wofür stehen die, die auf die Fehler und Ungeheuerlichkeiten des Vatikan eigentlich immer bloß zu warten scheinen, um letzten Endes nur geistreiche Satisfaktion an sich selbst zu vollziehen? Welche positiven Werte setzen sie, setzen wir dagegen?
Ich ahne dunkel die europäische Antwort der Befragten: „Komm mir bloß nicht mit Werten und einer Wertedebatte, das hat immer nur Unglück gebracht…“ D´accord, durchaus diskutabel, aber nicht jetzt. Der Fall, um den es geht, ist trotz der Ungeheuerlichkeit zu klein. Er hat auch die Dimension, dass der Papst selbst zu intellektuell-naiv ist, wenn auch nicht schlicht in seiner vatikanischen Maximalität. Der Papst ist – subjektiv – nicht schlimmer als der überaus schlichte Öttinger und der ist auch immer noch im Amt. Ich nehme dem Papst ab, dass er kein Depp sei. Und sein Radio-Vatikan-Sprecher Gemminger ist auch nicht bloß auf Taktik reduzierbar, das erkennt auch der vormals so sündige Friedmann an. Auch das Christentum hat für viele noch gute Ausstrahlung, die viele Deppen jetzt vor allem dem Islam zugestehen wollen, ohne zu sehen…Modisch konträr.
Mein Gott: Metz, Rahner Garaudy, Bloch und der Sozialismus, Camus, Sartre, Rolland, der Existenzialismus, der Eurokommunismus, der Dritte Weg zwischen Kommunismus und Kapitalismus (statt später die Schröder- und Blair- Blasen ihrer diesnezüglichen Pseudomanifeste), was waren das noch für gute Zeiten des Diskurses….die jetzt vielleicht wieder kommen – im neuen Gewand, mit guten Priestern, auch christlichen. Unvatikanisch unaufgeregt engagiert positioniert. Mit neuer Haltung, denn anders geht´s eben leider nicht. Per aspera ad astra. Diogenes ist nur als Outcast eine Lösung.
Herzlichst aus Guatemala
Fritz Feder