Der Stolz einer Nation auf ihre Sportler war in der Vergangenheit immer assoziiert mit der Bewunderung der Waffenträger. Keulenschwinger, Hammer- und Speerwerfer, Fechter und Schützen, aber auch Reiter, Ringer und Faustkämpfer repräsentierten als Athleten  die Wehrfähigkeit und den Behauptungswillen eines staatsbildenden Volkes, und wenn wir uns ein historisches Schlachtfeld vorstellen, wird klar, daß nicht nur die Verlierer um ihr Leben rennen mussten, sondern die Obsiegenden hinter ihnen her keuchten, weil ein entkommender Feind weiterhin der Gegner war.

Außer ritterlichem Sport und Spiel erhielt sich die Tradition, daß die Streitkräfte der im IOC vertretenen Nationen zumeist die größten Sportklubs dieser Länder sind und daß der Sport „alter Schule“ (d.h. die klassische Körperkultur, der Schaukampf und das Turnier) am wirkungsvollsten in der Schule der Nation vermittelt wird, zuvörderst im Heer, denn bei allem Respekt für Kampfschwimmer und Fallschirmjäger bietet die Infanterie doch das eigentliche, weil entscheidende Breitensportfeld jeder Landesverteidigung, auch und vor allem in der Offensive. Ich denke, man wird auch nach Ablauf dieses Jahres weiterhin an die 68er erinnert, wenn es – frei nach Ernst Jandl – um die Verwechselungsgefahren zwischen Rechts und Links geht, und dazu gehört die ernstzunehmende Lachnummer, mit welchen Verrenkungen die undogmatische Linke damals den Sport aufs Bolzen, Freizeitbaden und Fahrradklauen reduzierte und gleichsam im Abwehrreflex auf ihr eigenes diffamiertes Erscheinungsbild jeden blonden Zehnkämpfer zum Obersturmführer ernannte und die Deutschen Turnfeste zu Reichsparteitagen. Aber es waren Dany der Fahrradmelder, Joschka der Läufer und Jürgen der Dosenkicker, welche rechtzeitig erkannten, daß der Turnschuh ein bequemes Bekleidungsstück ist und der Lackschuh auch von lateinamerikanischen Turniertänzern getragen wird. Allein die Zuständigkeit des Innenministeriums für den Sport versagt es den GRÜNEN und der LINKEN, sich in der Volkskörperkulturpflege zu profilieren, denn welcher bürgerliche Koalitionspartner würde ihnen die innere Sicherheit, also Polizei, Grenzschutz und Geheimdienste überlassen? Sport nützt der Politik, aber nicht wirklich den Politikern, egal, ob sie im Schwimmtrikot unter Badegästen feuchte Hände schütteln oder im eleganten Einreiher von der Ehrentribüne herab einen Pokal überreichen – bevor sich nicht zwei rivalisierende Spitzenkandidaten in den realen Boxring stellen,  machen die Herren und Damen vom Staatsapparat und den politischen Firmen als Sportsfreunde kaum Punkte. Wann und wo auch immer hohe Beamte, Abgeordnete und Parteifunktionäre den Sport fördern, gehört das zu ihren Obliegenheiten und zur Beziehungspflege unter Männern und Wählern (Frauen, Alte, Jugendliche), und natürlich beruht die Popularität von Staatsoberhäuptern, welche Jazzinstrumente spielen oder in Öl malen, nicht auf ihren musischen Talentproben, sondern auf ihrem auch damit bewirkten human touch – wählen oder krönen würde man sie deshalb nie.

Hingegen hatten wir verschiedentlich prominente Sportler in Volkskammer und Bundestag sitzen, Berufungen in Ministerien und regierungsamtliche Beauftragungen mit Spezialaufgaben, wobei ich nicht an Axel Schulz oder Jan Ulrich denke, für die sich in Schäubles Behörde notfalls Hometrainerjobs fänden. Das ist normal insoweit, als Sportler ja auch erlernte unsportliche Berufe haben oder Universitätsabschlüsse, und es ist nicht unüblich, den Beliebtheitsbonus erfolgreicher Persönlichkeiten aus politikfernen Branchen (Ärzte, Erfinder, Gelehrte, Manager etc.) zu nutzen in Ehrenämtern und Sondermissionen, als Berater und Formulierungshelfer. Doch daß Günter Grass Gesetzesentwürfe lektoriert habe, Iris Berben einen Escortservice für islamische Staatsgäste leitet und Günter Jauch sich als erster parteiloser Bundespräsident zur Verfügung hält, das sind Gerüchte. Zwar versuchten sich immer wieder Künstler und Intellektuelle in der Politik, doch entweder warfen sie bald das Handtuch, starben eines gewaltsamen Todes oder schieden in Frieden als geachtete Meister ihres Faches, welches nicht die Politik war. Ansonsten „treibe jedermann an jedem Ort mehrmals in der Woche Sport“, worunter Walter Ulbricht, der sportlichste aller deutschen Staatschefs, vor allem Freiübungen, Geräteturnen und Ping-Pong verstand; das reimt sich zwar und enthält ein Element der Entspannung (Nixon/Mao), aber staatspolitisch relevant ist unser aller Kreislauf nicht. Weltbewegender Sport beginnt da, wo die Morgengymnastik mit der Fahnenhissung endet; auf der Ebene des Jogging und der Fitnessfolter frönt man/frau nur der Eitelkeit und dem Karrieretrip. Ist  es das, wofür wir nach olympischem Gold gieren?

„Sport verbindet!“ angeblich die Völker, welche wir einst in der Turnstunde mit gezielten Medizinballwürfen eliminieren lernten. Obwohl seinerzeit in der DDR die Völkerfreundschaft rhetorisch so hoch gehängt wurde, daß selbst ein Gebäck namens Amerikaner in Calotte umbenannt wurde, kam niemand darauf, dem Völkerball seinen chauvinistischen Namen zu nehmen. Tatsächlich verbindet der Sport bestenfalls ein paar Individuen, die sich dienstlich oder gesellschaftlich begegnen wie Brieftaubenzüchter oder Industriemagnaten: bei guten Getränken, aber meilenweit entfernt davon, sich gegen ihre Interessen zu verschwören. Sport ist die unblutige Ersatzhandlung für Kriegs- und Götzendienst, und selbstverständlich ist Sport auch ein Wirtschaftsfaktor und ein Instrument der Massenlenkung. Körperliche Ertüchtigung bei allen Wettern bieten auch die Arbeitseinsätze im Agrar-, Forst- und Fischereiwesen, im Hoch- und Tiefbau oder als Rikschastrampler; Schulsport, Vereinsleben und persönliche Formfindung stellen uns gottlob (?)  nicht vor globale Gewissensfragen. Aber Völkerrechte oder Völkerspiele, Dabeisein oder Vornedransein, bewundert, beneidet oder beargwöhnt zu werden???

Seit unser NOK auch vor dieser Sommer-Olympiade mit dem Einkaufswaggon unterwegs ist und man auf den Paßämtern Nachtschalterdienst schiebt, um jederzeit ausländische Athleten in Deutsche umetikettieren zu können, rückt das fremdvölkische Frischfleisch arg in den Ruch gewisser Lebensmittelskandale und des Mädchenhandels via Scheinheirat. Es war für die Welt immer ein schlechtes Geschmäckle dabei, wenn die ehemaligen Kolonialmächte farbige Athleten an den Start schickten wie früher eingeborene Hilfstruppen an die Front, und die USA „ihre Nigger“ zwar zu internationalen Wettkämpfen entsandten, ihnen daheim aber keine faktische Gleichberechtigung gewährten. Heute akzeptieren wir die bunten Aufgebote, weil es chancengleiche Staatsbürger sind, doch eine Musterschau des antirassistischen Fairplay ist es mitnichten, da mit der Colorierung weißer Wirtsvölker die armen europäischen Länder ebenso düpiert werden wie die armen farbigen Staaten zum einen. Zum anderen wird die Mär gefördert, allein Geld ermögliche Goldmedaillen (was Nationen wie Kuba, Rumänien u.a. widerlegen), denn eigentlich könnte Afrika das ganze Edelmetall abräumen, wenn es die Trainer, Turnhallen und Trikotsponsoren hätte wie die helleren Kontinente (was nicht am Geld liegt, wie die reichen islamischen Länder und das sportlich auf Samba und Hahnenkampf reduzierbare Südamerika zeigen). Und daß 70 Millionen Türken seit Kemal Paschas Riesenreformsprung bestenfalls ein paar Heber und Stemmer hervorgebracht haben, ist schlicht nicht kommentabel. Doch dem dösenden Dampfbademeister kann geholfen werden; da nunmehr feststeht, daß die meisten muslimischen Jugendlichen in Deutschland mangels Eignung & Neigung keine soziale Perspektive haben und der Markt mehr als 3 Brutalo- Rapper nicht ernähren kann, glauben Sportfunktionäre und Integrationsbeauftragte unisono, im Fußball die ideale Kombination von Jugendclub und Lehrwerkstatt als Karriereportal gefunden zu haben, womöglich den Aufstieg Deutschlands vom konventionellen Exportweltmeister zum globalen Anbieter lebender Ausfuhrgüter, also nach Zuchtvieh und Zuchtfalken demnächst deutsche Zuchtkicker und andere Sportler, nur echt ohne Vorhaut. So schloss sich der Kreis, als die Fanfaren riefen – die Bewerbungen aus Mittelasien sind offenkundig berücksichtigt: lauter Turkvölker, tolle Reiter, Ringer und Bogenschützen! Wer spricht da von Gas geben- die Zuschauer der Olympik-Eröffnung in Peking taten das heute (das dauerte ihnen zu lange) beim Einmarsch (sic) der Nationen, sie forderten das verbindend in gemischten Sprachen und über alle völkischen Grenzen hinweg.

Die Spiele also; für Opel siegt im Speerwerfen zu guter Letzt ein negrider Brite und wir, wir sind Spitze …

Jürgen Gottschling

Aug. 2008 | Allgemein, Feuilleton, Zeitgeschehen | Kommentieren