Das „Kursbuch“ wird eingestellt. Das ist eine gute Nachricht. Es ist Jahrzehnte her, dass die Zeitschrift eine wichtige Rolle gespielt hatte. Gleich zweimal: beim Aufbau, bei der Etablierung einer kritischen Intelligenz in der Bundesrepublik und bei deren Selbstdemolierung. Man wird dem Kursbuch für beide Aktionen dankbar sein. Aber Dankbarkeit und ein gutes Gedächtnis sind keine Kaufgründe.

Sie sind auch keine Kräfte, die eine Redaktion zu immer neuen Anstrengungen anspornt. „Kursbuch“ hatte sich die Zeitschrift genannt, weil sie, statt den Zug zu nennen, auf den man aufzuspringen habe, die Leser mit der Vielfältigkeit aller möglichen Verbindungen vertraut machen wollte.

Dieses aufklärerische Projekt scheiterte fast von Anfang an. Ihre ersten großen Erfolge hatte die Zeitschrift, weil sie – dann doch – eine Richtung vorgab. So autoritär war die antiautoritäre Revolte , dass sie Hans Magnus Enzensberger und Karl Markus Michel über Jahre – mit den der Reverenz geschuldeten Verspätungen – durchs Labyrinth des Protestes und des Abschieds von ihm folgte.

In den Augen vieler waren schon die letzten fünfundzwanzig Jahre fünfundzwanzig Jahre zu viel. Selbst die hartnäckigsten Liebhaber der Zeitschrift konnten nicht verstehen, warum sie nach dem Tod von Karl Markus Michel im Jahre 2000 weitergeführt werden musste.

Wäre das „Kursbuch“ tatsächlich ein Organ der Kritik und Selbstkritik gewesen, es hätte schon lange selbst Schluss mit sich gemacht und nicht gewartet bis die Geldleute des Verlages ihm den Garaus machten. Wir wundern uns also nicht darüber, dass Holtzbrinck das einstige Zentralorgan der bundesrepublikanischen Intelligenz jetzt dicht macht.

Wir wunderten uns darüber, dass es dem damaligen Zeit-Herausgeber Michael Naumann 2005 gelang, dem „Kursbuch“ bei Holtzbrinck einen komfortablen Unterschlupf zu bereiten. Er ist ein Mann, der offenbar Wunder wirken kann. Vielleicht wäre ihm sogar die Wiederbelebung des „Kursbuches“ geglückt. Aber es ist auch so gut. tno

Aug. 2008 | Allgemein, Feuilleton, Zeitgeschehen | Kommentieren