Zurzeit kommt ja ständig was über China im Fernsehen. Oder der Spiegel hat eine tausendseitige China-Geschichte, die total gut recherchiert ist und voll kritisch mit der chinesischen Führung umgeht. Oder die ZEIT schreibt quälend langweilige Kommentare, in denen immer und immer wieder die üblichen China-Synonyme ‚Reich der Mitte’, oder irgendwas mit Drache stehen.

Die Chinesen sind nämlich die letzten zehn Jahre unsere uneingeschränkten Vorbilder gewesen. Egal auf welchem Gebiet. Wirtschaft, Kultur, Medizin, Chinesisch war schwer angesagt. Natürlich nicht so verfälschte Sachen wie die China Restaurants, die von Thailändern oder Vietnamesen geleitet werden und bei denen das Essen überhaupt gar nicht so schmeckt wie in China. Das gab dann Vorwürfe der China-O-Philen.

Ich dachte mir immer: Sei mal bitte gottfroh, dass es hier nicht so schmeckt wie in China. Sonst würdest du nämlich auf dem Rücken liegen und wie ein Wasserspeier deine Runden auf dem Teppich drehen. Ich weiß nämlich zufällig aus gesicherten Quellen, dass echtes China-Essen für unseren Gaumen eher unerfreulich ist. Meine Quelle ist lustigerweise ein Chinese, der meinte, chinesisches Essen sei generell nicht für Menschen geeignet und er würde lieber JA-Hundefutter der Geschmacksrichtung ‚Saftige Brocken’ kalt runterschlingen als etwas aus der gutbürgerlichen chinesischen Küche.

Apropos Delfinpenisse: Die Chinesische Medizin erfreut sich bei hiesigen Eso-Tumblingen zwar höchster Beliebtheit, der durchschnittliche Chinese wäre aber komischerweise glücklicher, wenn man seinen geschundenen Leib mit westlicher Medizin behandeln würde. Die Sache mit den Heilsteinen und Kräutern und Nadeln und Räucherstäbchen kommt nämlich vor allem daher, weil die verflucht noch mal nicht mal Aspirin zur Hand haben, wenn einem Wanderarbeiter von einem Baukran die Hüfte an acht Stellen zerschmettert wurde, er aber dringend weitermalochen muss, um die Genickschussanlage bis zum Beginn der Olympischen Spiele noch fertig zu kriegen.

Natürlich war uns das Leiden der Chinesen bis vor kurzem eher gleichgültig. Zwar sagte jede Wirtschaftshure, die nach China flog, um Geschäfte zu machen, dass die Frage der Menschenrechte auf jeden Fall angeschnitten werde, aber tief in ihrem Inneren, da bin ich mir sicher, würden die Vorstandsvorsitzenden doch zu gerne mal während so einer Presserunde ins Mikrofon brüllen: Menschenrechte? Ach hören Sie doch auf! Es gibt anderthalb Milliarden Chinesen! Die sind so schnell nicht vom Aussterben bedroht!

Letztendlich brauchte es dann aber doch nur die Andeutung der Möglichkeit einer Gefahr für kleine Kinder in den USA, als Mattel bleihaltige Spielsachen aus China importierte, um die ganz große China-Kritik auf den Tisch zu bringen. Herrje. Bleihaltige Spielsachen. In China wären die meisten Kinder wahrscheinlich froh, sie hätten einen Barren Blei, um ihn anzuziehen und in einem Puppenwagen rumzufahren.

Das eigentliche Problem ist aber nach wie vor das Geld. Plötzlich merken die großen Firmen im Westen nämlich, dass sie ohne die chinesischen Sklavenarbeiter nicht weit kommen. Bei uns würden ja nicht mal Brandenburger freiwillig den ganzen Tag in Dioxinschlamm herumstehen, um pures Arsen zu billigen Discounttextilien zu verspinnen.

Nachdem der Protest über die chinesischen Giftskandale, die schrecklichen Arbeitsbedingungen und die verprügelten (wenn sie Glück haben) und verschwundenen (wenn sie keins haben) Kritiker immer lauter geworden ist, hat China eine neue Strategie ausprobiert: beleidigt sein. Normalerweise wird dort ja immer alles mit einem Lächeln und Nicken ausgestanden. Ein ausländischer Politiker sagte mal, es sei verdammt anstrengend, den Chinesen so lange auf den Zahn zu fühlen, bis sie nicht mehr nur lächeln und nicken und sagen: „Ja klar, wird gemacht, kein Problem!“, nur um dann genauso weiterzumachen wie bisher (Kritiker hauen, Gift verklappen, Hunde essen).
Offenbar hat China jetzt Rat bei einem kompetenten Fünfjährigen gefunden, der ihnen geraten hat, einfach wütend aufzustampfen und so lange alle blöd zu finden, bis die machen was man will.
chinesen.jpg Unsere Bundeskanzlerin hatte neulich offenbar so große Langeweile, dass sie mal testen wollte, wie sehr sie die Chinesen reizen kann. Also hat sie den Dalai Lama (siehe polemische Glosse unten) eingeladen. Vermutlich, um an Richard Geres Privatnummer zu kommen. Herr Lama hat sich also nicht lange bitten lassen und ist mit seinem besten Kumpel Roland Koch (ja genau! Die fernöstliche Seele ist mir wirklich ein Rätsel!) im Kanzleramt aufgeschlagen. Natürlich waren die Chinesen total sauer und haben das, ganz weltmännisch, jeden wissen lassen. Das Lustige an dieser Diktatur ist, dass sie immer so unfreiwillig komische Sachen macht, wie ‚spontanen Protest’ der Untertanten zu befehlen und denken, dass es nicht auffällt wenn plötzlich die Internetzensur West-Beschimpfung anordnet und alle die gleichen Protest-Vorlagen ins Netz stellen.

Aber jetzt kommt ja bald Olympia. Dann wird alles gut. Wenn erst mal die Augen der Welt auf China gerichtet sind, können die sich solche Verhältnisse sicher nicht mehr leisten! Oh Nein. Mit Beginn der Spiele wird das Regime bröckeln und zerfallen und es wird sich ein chinesischer Ableger der Grünen bilden und die Regierung übernehmen und dann gibt es Erdbeereis und Schokolade für alle Chinesen! Ja, ganz bestimmt.
Das hat ja 1936 auch schon mal wenn auch nur ähnlich aber ganz super funktioniert.

Jul 2008 | Allgemein, Feuilleton | Kommentieren