heiliggeistbaurechtsamt.jpgAll jene, die über das Baurechtsamt – allenfalls und nicht mehr -wissen, als daß es es in Heidelberg wie anderswo auch (eben drum) gibt, werden kaum nachvollziehen können, wie sehr wir uns erst einmal gefreut haben darüber, daß wir zur Kenntnis nehmen durften, wie doch eigentlich sehr wichtig die Tätigkeit jener städtischen Regularität auch und gerade für Heidelberg zu guter Letzt im Hinblick auf unser der Welt zu vererbendes Kulturdenkmal ist. Im folgenden zeigen wir Bilder und zitieren aus einem regulierenden Schreiben des Bau-Rechtsamtes. Und denken uns unseren Teil:

heiliggeist1.jpgVielleicht läßt sich dem Verhalten der Damen und Herren vom Baurechtsamt unter der Federführung von Amtsleiter Bender ja doch einiges Verständnis abgewinnen – müßte dessen Verhalten schließlich sonst unverschämter Amtsmißbrauch genannt werden dürfen. Wer nämlich mit solchen Bildern direkt an unserer ehrwürdigen Heiliggeistkirche konfrontiert wird, mag sich nicht mehr wundern über einen sonst als eher unverfroren-dummdreist zu bezeichnenden Schriftsatz:

Steigen wir also ein – erst einmal geht es um die „Erlaubnis“ von „zwei Postkarten- und einem Zeitungsständer“. Nochmals sei uns der Hinweis auf die nun wahllos angefertigten Fotos erlaubt, die mehr als deutlich belegen, daß das Baurechtsamt oft zu Unrecht beschimpft wird als „unverschämt“ sowohl, als auch sogar „korrupt“, daß einem wirklich jedes Verständnis abhanden gekommen sein möchte. Welches hier nun aber verlangt wird,

… „die Beseitigung sämtlicher Postkartenständer, die nicht von der Sondernutzungserlaubnis in Ziffer I umfasst sind, wird hiermit angeordnet, (§ 7 Abs. 1 DSchG; § 19 Abs. 1 DSchG in Verbindung mit § 4 Abs. 6 Gesamtanlagenschutzsatzung; § 6 und § 7 des Polizeigesetzes“

ist mehr als verständlich.

„Für eine Zuwiderhandlung“ (was Wunder und wie doch sehr naheliegend, kostet heutzutage doch schließlich alles mehr als nichts) „wird hiermit ein Zwangsgeld in Höhe von 750.00 € angeordnet.“
heiliggeist2.jpgWer – diese Bilder sehend – hier noch von (häufig auch von uns unterstelltem) mehr als willkürlichem Verhalten des Baurechtsamtes sprechen möchte, muß doch wohl von sogar von amtswegen als verblendet bezeichnet werden dürfen. Oder?

Versuchen wir also, das dem Baurechtsamt in Worten und mehr noch in Gedanken, wiewohl bislang nicht in Taten angetane, ganz offensichtliches Unrecht, auf diesem Wege eine Entschuldigung zukommen zu lasen, indem wir auch philosophisch-denkmal- und geschichtsbedeutsame Wirkungen der Arbeit des ja nicht nur Baurechts- sondern auch Dekmalschutzamtes in unsere Wahrnehmungen einfließen lassen:

heiliggeist3.jpgGeschichten (fangen wir mit diesem Aspekt einmal an) erzählen ja viele, und viele beobachtend, aufweisend ins tägliche Leben. Daß dies mit philosophischem Bedeuten geschieht, ist – umso bemerkenswerter – eine schier exzentrische Ausnahme; nicht nur in Heidelberg (Ernst Bloch: „Heidelberg ist ein Mekka des Geschwätzes“ – als ob er je eine Gemeinderatssitzung abgesessen hätte) sind Philosophieren und Erzählen durch die Wände eines Fachwesens getrennt, dem schon das Verbum philosophieren als ein Raub am Didaktisch-Manisfesten eines Systemdenkens gelten könnte, das sich als Wissenschaft in quasi naturwissenschaftlichen Sinn aufführt. Mit doch wieviel mehr Klarheit kommen da die Anweisungen und Begründungen des Baurechtsmamtes einher, es dürfe etwas nicht sein, weil dies schließlich etwas ist:

Nämlich:heiliggeist4.jpg
Es handle sich bei der inkriminierten Umgebung der Postkarten- und Zeitungsständer schließlich
„um ein Kulturdenkmal im Sinne des § 2 DSchG aus wissenschaftlichen, künstlerischen und heimatgeschichtlichen Gründen, an dessen Erhaltung wegen seines dokumentarischen, und exemplarischen Wertes ein öffentliches Interesse besteht. Dem haben wir gewiß nichts hinzuzufügen.

Hätte das Baurechtsamt dies nicht gerügt und strafbewehrt, hätten sicher wieder einige von Schmierung und ähnlichem gesprochen. Wir auch! Wird doch durch diesen geschmacklosen Kitsch „die Heiliggeistkirche“ (in memoriam Dieter Haas) „verschandelt“, wie dies nicht einmal die weiland Schreiterschen Fenster auch nur versucht haben, zu tun …

heiliggeist7.jpg

Alsdann, wieder zurück zu diesen Bildern, die mehr als verdeutlichen, daß hier von amtswegen mit scharfer Elle gemessen geworden zu sein ja nachgerade hat getan werden müssen. Die Lust an der Vielheit des zu Bewahrenden jedenfalls scheint hier so groß, daß … „für“ nur „zwei Postkartenständer eine Sondernutzungserlaubnis mit denkmalschutzrechtlicher Genehmigung erteilt“ wird, so läßt das Amt uns wissen, daß hier offenkundig allgegenwärtige Philosphie in ihrem Elementarverhältnis erscheint, als Haltung der Weltbedenklichkeit, nicht als Frucht des Weltbedenkens. Daß die Welt, gerade die nächste, vor unserer eigenen Haustür liegende Welt der Lebens- und anderer Erfahrungen, uns mehr zu fragen aufgibt, als irgendeiner – selbst wir nicht – beantworten kann, muß wohl als die Lehre solcher amtlichen Schreiben (… gegen das Aufstellen eines weiteren Kartenständers sprechen denkmalschutzrechtliche Gründe) begriffen werden dürfen.

heiliggeist8.jpgDie Damen und Herren Werteerhalter lassen uns hier ein Szenario erleben, so direkt in unserem Lebensraum, als eine Welt, die auf panischer Flucht vor ihren eigenen Rätseln in ein Reich technokratischer Frag- und antwortlosigkeit flüchtet, die ohne solche Ämter in durchkonstruierter Scheinrationalität verharren würde, entfaltet sich nachgerade vor unseren Augen als eine Schule des Sehens; erinnernn wir uns also nochmals – diese sehend – der Bilder links und rechts, oben und unten, um welche

“die Architektur im Ladengeschoßbereich“, solch ein oder zwei mehr aufgestellter Ständer wegen „dadurch nicht mehr ablesbar“ macht. „Infolgedessen wird der Gesamteindruck der historischen Gebäudefassade empfindlich gestört und das Erscheinungsbild des Kulturdenkmals erheblich beeinträchtigt.“

heiliggeist9.jpg„Jede Zerstörung, Teilzerstörung oder Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes eines Kulturdenkmals bedarf der denkmalschutzrechtlichen Genehmigung gemäß § 8 abs. 1 Nr. 1 und 2 DSchG.
Wie wohlig ist uns da, die wir diese Sorge als hier ja nun schließlich auch Lebende Bewohner des – wenngleich von Scharlatanen uns abgesprochene Recht, dies alles als Kulturerbe betrachten zu dürfen – da es sich doch immerhin

„bei den Wohnhäusern 1 um ein Kulturdenkmal im Sinne des § 2 DSchG aus wissenschaftlichen, künstlerischen und heimatgeschichtlichen Gründen, an dessen Erhaltung wegen seines dokumentarischen und exemplarischen Wertes ein öffentliches Interesse besteht. Jede Zerstörung, Teilzerstörung oder Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes eines Kulturdenkmals bedarf der denkmalschutzrechtlichen Genehmigung gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 und 2 DSchg.

Aber, unser Auge nimmt ja nicht nur unsere gegenwärtige Welt, es nimmt eben auch alte Geschichten wahr und hebt sie deutend-nacherzählend ans Licht. So fangen wir nun also an, zu merken, daß wir – was die Zitate oben anbelangt – offenbar im falschen Film gewesen zu sein scheinen. Heißt es doch am Ende dieses vielseitigen Schreibens des Baurechtsamtes an einen Geschäftsmann gar nicht – wie wir kaum meinten anders lesen zu müssen, denn als ein an Heiliggeistkirchenverunstalter gesandtes – daß da nun ein Geschäftshaus (nämlich dies, das Sie dann kennen, wenn Sie am Uniplatz in einen Bus einsteigen (es ist die Haltestelle, wie unschwer auf diesem Foto zu erkennen ist) und jetzt zitieren wir AfBaRe wieder wörtlich:
heiliggeistuni1.jpg„Außerdem handelt es sich bei dem Wohn- und Geschäftshaus Grabengasse 2 um ein Kulturdenkmal im Sinne des § 2 DSchG aus wissenschaftlichen, künstlerischen und (was alles unschwer auch auf dem Foto rechts erkennbar ist) heimatgeschichtlichen Gründen, an dessen Erhaltung wegen seines dokumentarischen und exemplarischen Wertes ein öffentliches Interesse besteht. Jede Zerstörung, Teilzerstörung oder Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes eines Kulturdenkmals bedarf der denkmalschutzrechtlichen Genehmigung gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 und 2 DSchg.“

Aber, unser Auge nimmt halt nun mal nicht nur unsere gegenwärtige Welt, es nimmt eben auch alte Geschichten wahr und hebt sie deutend-nacherzählend ans Licht.

Und, nun sind wir ja allzumal nicht nur Sünder, sondern, so wir nur wollen, auch Lernende. Läßt sich dies nicht wunderbar tun mit solchen Geschichten? Lernen? Indem wir uns an ihnen abarbeiten, sei es mit Glück, sei es mit einem Griff, der gerade eben darum den Leser ja selbst aufruft, daß er ihm allzu zwingend erscheint, gibt er ihnen, geben Sie ihm einen Glanz, eine Würde, die von selbst nicht anders als von diesem Rahmen herrührt – unabhängig davon, ob dieser paßt.

Nun also, da wir zur Kenntnis nehmen gar nicht anders als es können, daß hier nicht gegen „Heiliggeistverunstalter“, sondern gegen den Inhaber des Zeitschriften und Zeitungsladen am Uniplatz geschossen wird, müssen wir offenbar also doch alle von uns (ach, wie doch eigentlich gerne hatten wir sie zurückgenommen) zurückgenommenen Beschimpfungen wieder zurücknehmen, was hoffentlich nicht von diesem BaRechtsamt strafbewehrt wird. Denkbar?

Gerade erfahren wir, daß sich in Heidelberg eine „Initiative Baurechtsamtgeschädigter“ gegründet hat. Bis sich insgesamt nicht mindestens 10 Betroffene gemeldet haben, will man nicht (man versteht dies gern) mit Namen, Anliegen und Fallbeispielen an die Öffentlichkeit gehen. Dann aber schon. Schicken Sie „Erlebnisse“ an die Adresse: Baurechtsamtgeschädigte Heidelberg, c/o Neue Rundschau, Hauptstraße 33, 69117 Heidelberg. An die Öffentlichkeit wird das erst weiter gegeben, wenn die „magische“ Zahl überschritten ist. Darauf darf man sich verlassen.

Jürgen Gottschling

Juni 2008 | Heidelberg, Allgemein, Feuilleton, Zeitgeschehen | Kommentieren