Am kommenden Dienstag (24. Juni 2008) veranstaltet das Katholische Hochschulforum Heidelberg eine (hochkarätig besetzte) Podiumsdskussion zu diesem Thema. Grund für uns, mit dem Theater um die Schreiter`schen Fensterentwürfe für die Heidelberger Heiliggeistkirche in diese neuerlich sich abzeichnende Debatte einzugreifen. Am Ende finden Sie dann Ort und Programm der Podiumsdiskussion.

Auch Christen sind heute hineingezogen in propagandistisch verzerrte, öffentliche Debatten um Kunst in der Kirche. Viele – seit Schreiter auch in Heidelberg – erleiden die Krisen scheinbar demokratisch geführter Diskussionen mit, die oft genug diffamierenden Charakter hatten. Und haben. Viele von denen, die da mitreden, merken nicht, wie sie mißbraucht werden von den Manipulateuren der öffentlichen Meinung. Wer die Schreiter’schen Fensterentwürfe für die Heiliggeistkirche lediglich aus den schwarz-weiß (sic) wiedergegebenen Zerrbildern in unserer Tageszeitung kennt, wer seine Argumente lediglich aus dieser Lektüre geholt hat, der freilich kann für diese Fenster des weltweit bekannten und geschätzten Glaskünstler Johannes Schreiter gar nicht gewesen sein. Soll man sie nun dafür tadeln? Wir wollen das nicht tun. Denn wer durchschaut schon immer gleich die Kampagnen, mit denen andere diffamiert werden. Und etikettiert. Und stigmatisiert. Jedoch wünschten wir, es würden einige Christen mehr begreifen, Unruhe sei Christenpflicht. Das vorgaukeln einer heilen Welt – in der wir ja nun wahrlich nicht leben – sei nicht Sache der Kirche. Und auch nicht Sache von Kirchenfenstern. Lassen Sie uns der Einsicht des Schriftstellers Robert Musil eine Chance geben: „Konservativ ist nur statthaft, wenn man schöpferisch ist“. Wir Christen müssen uns herausfordern: Kirche muß sich wieder zu einer schöpferischen Rolle bekennen. Es darf, es muß wieder Aufbruch in ihr geben; etwas mehr, das mitreißt. Aber auch etwas, das den das Leben draußen vor der Tür in die Kirche fliehenden Flüchtlingen das Leben draußen erst wieder lebenswert macht, es erleichtert. Statt festburgig daran zu glauben, es sei schon damit getan, jene zufrieden zu stellen, die sagen: „Wir wollen uns wieder geborgen fühlen in unserer Kirche. Und sonst gar nichts …“
Soweit, so schlecht. Die wohl infamste, gezielt von Gegnern der Schreiter’schen Fensterentwürfe für Heiliggeist unter die Leute gebrachte Falschmeldung war wohl die (marginal: Rot sei die Farbe des Kommunismus, dass dies auch die Farbe des Heiligen Geistes ist, wollte kaum wer wissen oder begreifen), es seien diese Entwürfe ja ursprünglich für ein Unilever-Verwaltungsgebäude in Hamburg geschaffen worden.

Was Wunder, daß diese Fenster jenen, denen sie sowieso nicht geheuer waren, natürlich – dann – erst recht nicht ins gotische Maßwerk paßten, passen konnten. Wer wollte, konnte auch damals schon längst wissen, daß dem so nicht ist. Mußte wissen, daß die Fenster in ständigem Dialog zwischen dem Künstler, dem Landesbischof, den Oberkirchenräten und der Ältestenkreise von Heiliggeist sehr wohl für diese und genau diese Kirche konzipiert worden waren.
Damals wurde von den drei beteiligten Gremien Evangelischer Oberkirchenrat, Ältestenkreise der Heiliggeistgemeinden und (Gesamt-) Kirchengemeinderat eine „Gemeinsame kirchliche Stellungnahme zu den Schreiter – Fenstern in der Heiliggeistkirche“ abgegeben, deren zustandekommen oft genug Situationen beherbergte, die an Lächerlichkeit und Emotionalität kaum etwas zu wünschen übrig gelassen haben. Das von einem Ältesten der Heiliggeistkirche dem Dekan Johannes Kühlewein (der den eigentlich anderen zugedachten Zorn zu spüren bekam, sich aber wacker – und im Gegensatz zu seinem Vorgänger ehrlich, das ist in solchen Kreisen so selbstverständlich nun wieder auch nicht – geschlagen hat) in der Sakristei der Heiliggeistkirche während einer Diskussion um diese Stellungnahme vor die Füße geschmissene Gesangbuch war nicht einmal Gipfel jenes die Auseinandersetzung um Schreiters Fensterentwürfe umspülenden Konfliktes. Der freilich heftig geschürt worden war. Die Heiliggeist-Kirchengemeinderäte (deren Einer der Unterzeichnende war) wollten in dieser Erklärung zum Konzept Schreiters: „Kann derzeit nicht verwirklicht werden“ stehen haben, dies von uns gewünschte „derzeit“ aber rief diejenigen im Gesamtkirchengemeinderat auf den Plan, die Schreiters Entwürfe für alle Zeiten weggesegnet sehen wollten …). Die Angelegenheit fand als Provinzposse ihr Ende, die über Jahrhunderte zusammengeschusterten Fensterfragmente sollten für über eine Million Mark restauriert werden. Sollten. Die finale Lächerlichkeit dieses Lustpieldramas wurde kurz vor zwölf mit (nichtssagenden und nichtsfordernden) Fenstern einer gleichwohl (eigentlich) herausragende Künstlerin denn kurz vor zwölf doch noch verhindern.
Class ist jetzt weg vom Fenster. Was sagt uns das? Gebhard Class war – als Pfarrer der Christuskirche in der Weststadt aber: eben gerade von der Gemeinde geschaßt – Vorsitzender des Gesamtkirchengemeinderates und einer der Betonköpfe gegen diese Fenster. Weshalb auch immer. Er ist jetzt in Bruchsal und mag dort verhindern, was immer er warum immer nicht mag. Auch CDU Stadtrat und (scheinbar) vehementer Gegner der Schreiter-Fenster Heinz Reutlinger, lenkte ein (wir berichteten), es sei ja gar nicht um die Fenster, sondern um Pfarrer Alpermann gegangen (der längst von Heiliggeist nach Mannheim versetzt wurde). Er, Reutlinger, könne gut mit den Schreiter’schen Fenstern leben (als einer der wenigen, die sich in diesem Streit nicht nur eingemischt, sondern auch hin und wieder einen Gottesdienst in der Kirche besuchen und so die Fenster wirklich von „innen“ erleben. Und selbst Raban von der Malsburg, Kunsthistoriker und CDU-Fraktionschef im Gemeinderat sagte auf einer Veranstaltung bereits vorzeiten: „Ich könnte mir durchaus vorstellen, daß in einer spätgotischen Kirche wie der Heiliggeistkirche auch moderne, zeitgenössische Kirchenfenster eingefügt werden“. Und weiter: „Ich möchte dafür appellieren, daß wir alle dazu beitragen, diejenigen Kunstaspekte, die uns ansprechen, in unseren Gefühlen zu fördern und stärker zum Ausdruck zu bringen und das laut und deutlich zu sagen“. Und ebendies haben Theologen getan (Prof. Dr. Gerd Theissen: „Theologische Meditationen zu den Heidelberger Fensterentwürfen von Johannes Schreiter“ und Prof. Dr. Theo Sundermeier: „Die Langhausfenster von J. Schreiter: – Kreuzstationen der Gegenwart – Typoskripte zu einer Vortragsreihe zum Thema Kunst + Kirche“. Zum Selbstkostenpreis zu erwerben täglich von 10 – 17 Uhr am Stand in der Heiliggeistkirche). Die beiden Theologen haben ohne Emotionen Stellung bezogen in diesem Grabenkrieg, befürworten zwar die Fensterentwürfe auf ihre Weise, werben aber auch um Verständnis für jene, die diese Fenster-Entwürfe ablehnen.

Ich zitiere mich nun aus einem Artikel in der Rundschau, als wir noch mittendrin waren: Nach endlosen Streitgesprächen (es gab be-geisterte Zustimmung neben ent-geisterter Ablehnung der Schreiter’schen Entwürfe) wollen die entnervten Verantwortlichen, „die über Jahrhunderte hinweg zusammengeschusterten, stillosen Fenster“ für – das ist einem Brief der Pflege Schönau an die Ältestenkreise der Heiliggeistgemeinden zu entnehmen – 1.085.500,00 (in Worten Einemillionfünfundachtzigtausendfünfhundert) Mark restaurieren und mit einer Doppelverglasung versehen.
Da ist Gefahr im Verzuge. Wir beklagten laut und öffentlich, daß Ornamentales von minderwertigster Qualität für viel Geld restauriert werde „um nicht transparent machen zu müssen, was in ritualisiertem Wiederholungszwang eingebettete Sonntagspredigten gern wortreich vernebeln: den revolutionären Aufruf des Evangeliums an uns verdrossene Kleinbürger in einer Welt der organisierten Ratlosigkeit, regiert von Verantwortungsträgern, die immer nur sich selbst die Nächsten sind“. Alles ästhetisierende Geschwafel über Johannes Schreiters Entwürfe finden wir in diesem Licht betrachtet als schiere Ausflucht.
So wollen wir – der Rundschau Stammtisch – denn also in auch des CDU-Fraktionsvorsitzenden (das war er damals – bevor er Heidelbergs Erster Bürgermeister Heidelberg wurde -, demnächst flieht er diese Stadt, wohl mit den Worten Ernst Blochs im Hinterkopf, Heidelberger sei ein Mekka des Geschwätzes, nach Berlin) Raban von der Malsburgschem Sinne versönlich daran arbeiten, daß der Idee dieser Fenster Gerechtigkeit widerfährt:
Vielleicht läßt sich der Gremienformalismus, der die Ablehnung der Schreiter’schen Entwürfe erst möglich machte und mit welchem in scheinbar formaler Demokratisierung von Kunstentscheidungsprozessen Kunst verhindert wurde, noch einmal überwinden. Sowohl die von den Heiliggeistgemeinden gewählten Räte – mithin die Mehrheit der Gemeinde – jedenfalls wollten und wollen die Fenster. Auf ihrer letzten Sitzung hatten die Ältestenkreise Heiliggeist I + II die Fensterfrage auf der Tagesordnung. Die Räte denken nun an eine von Oberkirchenrat, Gesamtkirchengemeinderat und Ältestenkreis Heiliggeist paritätisch besetzte Kommission und wollen so der neuen Situation begegnen.
Bleibt zuguterletzt zu hoffen, daß (der kürzlich verstorbene) Alt OB Reinhold Zundel zu früh resigniert hat, als er einen Tag nach der unwürdigen Abstimmungs-Schau einiger Gemeinderatsmitglieder (zur Sache Karavan-Uniplatzgestaltung) gesagt hat: „Wenn’s mit der Kunst nicht geht, dann eben mit dem Kitschgefühl, das jeder von uns im Herzen trägt“.
Unter dieser Prämisse mag ein noch zu gründender Verein zu einem Ideenwettbewerb für neue Fenster der Heiliggeistkirche aufrufen. Als Vorbild könnte – meint, dem in der Zeit der Auseinandersetzung um Schreiters Entwürfe geschrieben wurde, er möge den Herrn doch nicht nur im Namen, sondern auch im Herzen tragen: Jürgen Gottschling – das Altarbild einer Kirche in Soest dienen. Das beweist Heimatgefühl, indem statt des Osterlammes ein westfälischer Schinken in der Schüssel liegt.

„Kunst ist, was man nicht begreift“ – Podiumsdiskussion zu Verbindungen und Gegensätzen von Kunst und Religion

Zeit: Dienstag, 24. Juni 2008, 19.30 Uhr
Ort: Neue Universität, Hörsaal 9 (1. OG)

Über Jahrhunderte war die Kunst ein Medium der religiöser Verkündigung. Einst war die Kirche auch ein wichtiger Auftraggeber für Künstler. In einer Zeit, da viele Menschen weder lesen noch scheiben konnten, dienten Kunstwerke der Vermittlung des Glaubens. In der Neuzeit zerbrach diese enge Verbindung zwischen Kunst und Kirche weitestgehend. Nur wenige zeitgenössische Künstler schaffen Werke mit dezidiert christlichem Bildprogramm. Viele beklagen den Bruch zwischen moderner Kunst und Religion. Es gibt aber auch eine andere Sichtweise. Diese nimmt die moderne Kunst in ihrer Eigenständigkeit und Eigenwertigkeit wahr und setzt sich mit ihr kritisch auseinander. Auf dieser Linie liegt auch die Veranstaltung „Kunst ist, was man nicht begreift.“ Das Anliegen der Podiumsdiskussion ist es, verbindende und gegensätzliche Aspekte von Kunst und Religion zu erläutern, zu erörtern und von verschiedenen Standpunkten her zu beleuchten. Unterschiedliche Fragen werden in diesem Kontext aufgeworfen: Wie wird die Kunst durch den Glauben beeinflusst?, Kann ein Nichtgläubiger ein Kunstwerk für einen religiösen Kontext schaffen? Welche Rolle spielt die Dimension des „Unbegreiflichen“ in Kunst und Religion? Durch die hochkarätige Besetzung des Podiums ist eine spannende und sicherlich auch kontroverse Diskussion garantiert.

Referenten:

Dr. Eduard Beaucamp (Frankfurt a. M.), Kunsthistoriker, langjähriger Kunstkritiker der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Prof. Hans-Peter Reuter (Nürnberg), lebt und arbeitet als Künstler in Lauf bei Nürnberg, bis 2007 Professor an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg
Wolfgang Urban M.A. (Rottenburg), Diözesankonservator der Diözese Rottenburg-Stuttgart, seit 1993 Kustos des Diözesanmuseums Rottenburg.
Weihbischof Prof. Dr. Paul Wehrle (Freiburg), Vorsitzender der Kommission für Kunst und Kultur in der Erzdiözese Freiburg; Stellvertretender Vorsitzender der Bischöflichen Kommission für Wissenschaft und Kultur

Alle Referenten weisen zahlreiche Veröffentlichungen zur Kirchen-, Kultur- und Kunstgeschichte auf.

Moderation: Sophie Roggendorf, studentisches Mitglied der Edith-Stein-Studienförderung

Veranstalter: Edith-Stein-Studienförderung (ESF)
des Katholischen Hochschulforums Heidelberg

Juni 2008 | Allgemein, Feuilleton, InfoTicker aktuell | 1 Kommentar