Wem die Macht abhanden gekommen ist, dem bleibt in der Regel nur übrig, sich wieder einzureihen in die Schlangen der bürgerlichen Öffentlichkeit. Bekam man sie zuvor außerhalb des Fernsehens zu Gesicht, waren sie meist durch Sicherheitspersonal abgeschirmt. Kaum vorstellbar, Kanzlerin Merkel in der Lebensmittelabteilung zu treffen. In der politischen Normalzeit besorgt man nicht selbst. Das Leben danach sieht allerdings anders aus.
So fiel Tony Blair kürzlich in einem Flughafenzug dadurch auf, dass er keinen Fahrschein bei sich trug. Man möchte nicht so weit gehen, ihn einen Schwarzfahrer zu nennen. Er hatte einfach noch keine Zeit, sich auf die neuen Tagesabläufe einzustellen. Kulturstaatsminister Michael Naumann widerfuhr einmal das Missgeschick, in einem exquisiten Fleischfachgeschäft kein Geld dabei zu haben. Kreditkarten nahm man in diesem kleinen Laden in der Berliner Ludwigkirchstraße nicht. Ein anderer Kunde, der wohl wusste, wen er vor sich hatte, half aus, zog seinen Geldbeutel und – ob er das verauslegte Geld wohl wiederbekommen hat?
Die frühere Bundesumweltministerin Andrea Fischer ging nach ihrem Amtsverlust in der Buchabteilung des KaDeWe sehr viel ungestümer zu Werke. Mit einem energischen, wohl nicht beabsichtigten Mantelschwung fegte sie einen großen Band mit Montaignes Essais vom Tisch.
Als Zwischenergebnis dieser kleinen Kasuistik ist festzuhalten, dass die alltagspraktischen Bewegungen nach Dienstschluss wieder ganz neu einstudiert werden müssen. Manche kommen aber ganz gut dabei zurecht. Während Joschka Fischer in der ersten Phase seines Lauftrainings Kapuzenpulli trug, um nicht erkannt zu werden, sieht man ihn heute schon mal mit dicken Plastiktüten voller Esswaren, ebenfalls im KaDeWe, Rolltreppe fahren.
Als befände er sich in der Rehabilitationsphase, war kürzlich Michael Naumann im Buchgeschäft Hugendubel zu beobachten. Nach seinem in Hamburg absolvierten politischen Nahkampf verlangte er nach einem zeitgenössischen Roman. „Von Kurbjuweit“, sagte er zur Buchhändlerin und präzisierte dann: „Über die Regierung Schröder.“
Der vollständige Titel lautet: „Nicht die ganze Wahrheit.“ Zu dumm, dass Romane nicht über ein Register verfügen. tno