Kennen Sie den? Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und Herbert Marcuse sitzen beim Apfelwein zusammen. Es geht um übliche Fragen: Ob Frankfurt, ideologiekritisch gesehen, am Mainstream liege; wozu und zu welchem Ende man Soziologie studieren müsse; ob es richtigen Äppelwoi im falschen Bembel geben könne. Als ihnen langweilig wird, schlägt Adorno ein Spiel vor, in dem er sich seit jeher unschlagbar weiß: Gewinner ist der, dem es gelingt, in einem Satz das Reflexivpronomen „sich“ am weitesten hintanzustellen. Adorno und Horkheimer brillieren mit syntaktischen Endlosverrenkungen. Es verliert Marcuse, der studentisch stärker bewegt ist als die Mitspieler. Sein engagierter Spontanbeitrag lautet: „Sich regen bringt Segen.“
Glücklich, wer da Mäuschen sein durfte! Bei derart froh gestimmten Denkern, deren humoristisches Potential im Jubiläumsjahr leider nur zu oft hinter der drögen Aufarbeitung von Debatten und Diskursen verschwindet. Angesichts dieses Defizits darf man dankbar dafür sein, dass der Kunstmann-Verlag (München) die rhetorische Aufbruchsstimmung unter den akademischen Wortführern in Gestalt von deren Stimmen zugänglich macht: „Was war, was bleibt. Die 68er und ihre Theoretiker“ heißt das aus acht CDs bestehende Audiopaket. Es versammelt kanonische Texte der Studentenbewegung – in Form von Essays, die für das Radio gesprochen wurden.
Was die Aufnahmen über die Denker und deren Sprechweisen nahe legen, ist dies: Dass Adorno ein penetrant dozierender Altherrenduktus eignete, der mit dem Wort spätbürgerlich nur unzureichend beschrieben ist; dass der Vortragsstil von Max Horkheimer dessen schwäbische Abstammung so ohrenfällig macht, dass Mathias Richling sich seiner parodistisch annehmen sollte; dass Herbert Marcuse arge Probleme mit angemessener Betonung hatte. Wer den Tondokumenten lauscht, weiß, warum die Mitglieder des philosophischen Terzetts so viel Spaß miteinander hatten. tno