In Deutschland leben mehr als eine Million blinde und sehbehinderte Menschen. Ihre Behinderung erschwert die Orientierung im Alltag. Von zahlreichen kulturellen Angeboten, die zum größten Teil aus visuellen Eindrücken bestehen, sind sie besonders ausgeschlossen.

In Heidelberg hat das städtische Theater gemeinsam mit dem Verein „Hörfilm“ eine Autodeskription für die aktuell auf dem Spielplan stehende Operette „Frau Luna“ entwickelt. Dabei erläutert ein Sprecher die Vorgänge auf der Bühne. Mit Kopfhörern und überall im Theater angebrachten Sendern können blinde und sehbehinderte Menschen einen barrierefreien Theaterabend erleben. Nachmittags besteht die Möglichkeit, sich das Bühnenbild und die Kostüme durch „begreifen“ anzueignen.

Das Stück des Komponisten Paul Lincke hatte 1899 Premiere und handelt von einer phantastischen Mondreise. Gemeinsam mit dem Philharmonischen Orchester hat das Heidelberger Ensemble unter der Regie von Bernhard Mottl eine sprachlich modernisierte Fassung von „Frau Luna“ auf die Beine gestellt, die die Premierenbesucher zum Jubeln gebracht hat.

Am Wochenende vom 25. – 27. April 2008 gibt es außerdem ein umfangreiches Programm, bei dem Blinde und Sehbehinderte an auf ihre Anforderungen hin angepasste Veranstaltungen teilnehmen können. So finden unter anderem Führungen zu Heidelberger Sehenswürdigkeiten statt – etwa in der Heiliggeistkirche, im Schloss oder im Kurpfälzischen Museum. Christiane Sommer von der Heidelberg Marketing GmbH: „Viele Stadtführer haben angeboten, mitzumachen. Auch gibt es in den teilnehmenden Museen ausnahmsweise die Möglichkeit, Exponate auch zu ertasten.“ Dies sei sonst aus konservatorischen Gründen nicht möglich.

Bei Führungen für Blinde muss Zuhören, Riechen und Tasten das Sehen ersetzen. Deshalb dürfen die Teilnehmer Wappen, Figuren oder Modelle anfassen, um sich so ein Bild zu machen. Bei Schlossführungen werden Gedichte aus der Romantik vorgetragen, die mit ihren Beschreibungen ein inneres Bild von Heidelberg entstehen lassen. Innerhalb von Gebäuden lässt sich auch mit Klängen arbeiten, so zum Beispiel in Kirchen: Mit Hilfe der Orgel erschließt sich Blinden und Sehbehinderten der Raum des Kirchenschiffs. Der Schall wird von den hohen, weiten Räumen einer Kirche anders reflektiert als in einem Kellerraum. Dort klingen Geräusche wesentlich dumpfer.

„Obwohl wir das Programm erst Ende März veröffentlich haben, gab es schon kurz darauf zahlreiche Anmeldungen“, zeigt sich Christiane Sommer begeistert.

In anderen Touristenzielen – Köln etwa – gibt es schon länger spezielle Führungen für geschichtsinteressierte Blinde und Sehbehinderte; Heidelberg bietet sie seit 2007 an. Angebote in Gebärdensprache sind in Vorbereitung.  sm

Weitere Informationen finden Sie hier:

Heidelberg Marketing: Aktionswochenende für Blinde und Sehbehinderte: Programm

Frau Luna – Inszenierung des Heidelberger Theaters

Apr. 2008 | Heidelberg, Allgemein, InfoTicker aktuell | Kommentieren