Die Empörung war groß bei den Nutzern des Onlineportals StudiVZ. Von Datenklau war die Rede und vom SchnüffelVZ, aus dem man schnellstmöglich austreten müsse, als der Betreiber der Website, ein Tochterunternehmen der Holtzbrinck-Gruppe, den Usern vor ein paar Monaten neue Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) vorlegte. Sie sollten dem Unternehmen ermöglichen, seinen Nutzern maßgeschneiderte Werbebotschaften zukommen zu lassen. Dabei wollte es sich die privaten Angaben, die die Nutzer in ihren StudiVZ-Profilen etwa über Vorlieben und Hobbies machen, für die Reklame zu Nutze machen. Stichtag für die Zustimmung zu den neuen AGB war der 9. Januar. Sonst drohte den Nutzern der Ausschluss.
Nicht nur unter ihnen, sondern auch außerhalb der Online-Community regte sich daraufhin Protest. Datenschützer, Politiker, Rechtsanwälte, Verbraucherzentralen – alle warnten vor dem Datenausverkauf, bis der Betreiber schließlich zurückruderte. Die AGB wurden abgemildert, Nutzer sollten nun personalisierte Werbung ablehnen dürfen, auch wurde eine neue Frist bis Ende März gesetzt.
Pünktlich zum Stichtag hat StudiVZ die Frist nun sogar noch einmal verlängert. Neuer Termin für die Einführung der neuen AGB ist Juli. Unternehmenssprecher Dirk Hensen erklärt das so: Es gebe Nutzer, die sich nur selten einloggen, und die sollen auch die Möglichkeit haben, den AGB zuzustimmen. Fünf Prozent der User hätten dies bislang noch nicht getan. Also wird verlängert, bis auch der letzte Nutzer sein Häkchen gemacht hat.
Dass überhaupt die meisten den AGB zustimmen, ist das eigentlich Erstaunliche daran. StudiVZ arbeite da mit einem simplen, aber wirkungsvollen Trick, meint Sascha Kremer, Rechtsanwalt und Dozent an der Universität Düsseldorf: Wer der Datennutzung zu Werbezwecken nicht zustimmt, kommt einfach nicht mehr an seine Daten, hat also nicht einmal mehr die Möglichkeit, das Profil zu löschen oder zu bearbeiten. Erst muss pauschal alles erlaubt werden, dann kann in einem zweiten Schritt das Einverständnis widerrufen werden. StudiVZ spekuliere hier ganz klar darauf, dass die Nutzer zustimmen und dann einfach nicht mehr weiterklicken. Die Menüführung sei zu undurchsichtig, zu mühsam, sagt Kremer.
Dazu kommt, dass die meisten Nutzer kaum in der Lage sind, den juristischen Winkelzügen in den AGB noch zu folgen. Viele interessiert aber auch nicht, was mit ihren Daten passiert. Sucht man auf StudiVZ nach Diskussionsforen, sogenannten Gruppen, zum Thema AGB, erhält man 300 Treffer – aber längst nicht nur von Gegnern. Gruppen wie „Neue AGB – wen interessiert’s?“ oder „Ich lese sowieso nie die AGBs“ sind mindestens genau so zahlreich, wie die Protestgruppen. Und auch diese haben einen Schönheitsfehler: Wer dort angemeldet ist, ist nicht ausgetreten. Allen AGB-Änderungen und Fristen zum Trotz, es wird also fröhlich weiter gegruschelt – gruscheln ist die VZ-Umschreibung für eine freundliche Kontaktaufnahme.
Sascha Kremer kennt diese weit verbreitete Sorglosigkeit, was persönliche Daten angeht, gut. In einer Gesellschaft, in der viele Payback-Punkte sammeln oder bei Amazon einkaufen und dort ihre Wunschlisten öffentlich machen, denke kaum jemand daran, dass die fast uneingeschränkte Öffentlichkeit der Daten leicht zu einem Problem werden kann. Studenten, die ihre eigenen Profilseiten vorgehalten bekommen, sind oft unangenehm überrascht. Was hier über die letzte ausschweifende Party steht, in welchen Gruppen sie Mitglied sind, womit sie politisch sympathisieren – das alles ist auch für jeden zukünftigen Personalchef einsehbar. Und kaum wieder zu löschen. Selbst wer auf StudiVZ sein eigenes Profil entfernt, ist immer noch auf den Pinwänden seiner Freunde zu finden.
Die entschärften AGB klingen zudem weit harmloser als die ursprünglich geplanten – und sind es wohl auch. Und Nutzerdaten, so betont der Betreiber, werden definitiv nicht an Dritte weiterverkauft. Da StudiVZ allerdings zur weltweit agierenden Holtzbrinck-Gruppe gehört, kann man nur spekulieren, was diese wiederum mit den Daten anstellen könnte und will. Dazu ist nichts bekannt. Allerdings agiert der Betreiber inzwischen geschickter als noch vor einigen Monaten. Er gesteht Fehler ein, befindet sich im ständigen Dialog mit dem Berliner Datenschutzbeauftragten, versucht, die Wogen zu glätten und gibt auch Gelegenheitsbesuchern des Portals eine Chance.
Derweil wächst die VZ-Community weiter. Neben StudiVZ und SchülerVZ, den meistgenutzten deutschen Community-Portalen, gibt es seit Kurzem auch noch MeinVZ für alle Nichtstudenten. Ein Massenschwund der Nutzer ist weder zu verzeichnen noch zu erwarten. Und auch der Protest ebbt ab. Zwar gibt es bei StudiVZ geschwärzte Profile, Austritte und verärgerte Nutzer, doch im Großen und Ganzen scheint die Internet-Gemeinde zufrieden zu sein: Werbung? Na und! Auf StudiVZ wird jedenfalls weiter genetzwerkt.
Soziale Netzwerke
Im Online-Netzwerk StudiVZ sind mehr als 4,5 Millionen Nutzer miteinander verbunden. Das Portal gehört ebenso wie SchülerVZ und MeinVZ zum Holtzbrinck-Verlag.
Daneben existieren in Deutschland weitere Online-Communities. So ist etwa Xing ein Karriere-Netzwerk. Hinter www.lokalisten.de verbirgt sich ein „Freundesnetzwerk“, ebenso hinter facebook.com. Das amerikanische Portal, Vorbild für viele Online-Gemeinschaften, ist seit Kurzem auch in Deutschland vertreten. tno