Die mediaclinique hat sich lange aus dem Streit zwischen sogenannten Journalisten und sogenannten Bloggern rausgehalten, aber langsam nerven sie wirklich und vielleicht muß man das dann doch mal thematisieren:

1 – Situation Jornalisten

Journalisten meinen, sie seien eine aussterbende Spezies und sie hätten das nicht verdient. Seien Sie beruhigt: die, die das meinen, haben es auch verdient. Das sind 45% der Journalisten.

Journalisten meinen, sie seien die letzte Rettung einer unter der Herrschaft der Blogger zusammenbrechenden Welt. Auch diese Journalisten werden aussterben. Das sind auch 45% der Journalisten.

Die restlichen 10% der Journalisten nehmen das Phänomen des Bloggens ernst. Das sind selbst-bewußte, in sich ruhende, um ihr Talent wissende Journalisten, die ihren Job so ernst nehmen, daß sie ihn mit Überzeugung noch lange werden machen können.

Wohlgemerkt: sie nehmen das Phänomen des Bloggens ernst! Beileibe nicht jeden einzelnen Blogger, und recht haben sie.

2 – Situation Blogger

Blogger meinen, es gäbe tatsächlich einen Grund, einen Sinn, einen Zweck ihres Tuns – sie wollen die Welt retten, oder sich aus der Isolation, Langeweile, Arbeitslosigkeit. Sie haben Unrecht. Sie werden aussterben. Das sind 49,999% der Blogger.

Blogger meinen, es ‚mache einfach Spaß‘, etwas ins Internet zu posten, zu kleben, zu collagieren. Es macht Spaß – aber es interessiert nun wirklich niemanden, weil es auch niemanden (außer natürlich diese am Rande der Krankheit balancierenden Menschen, die behaupten, alles sei interessant, lehrreich, die eigene Entwicklung fördernd, etc.) weiterbringt. Zeitvertreibe(r) haben wir übrigens genug an jeder Ecke der Politik, Wirtschaft, Medien und Bildung, da brauche ich nicht auch noch die digitale Form des Poesie-Albums.
Ob diese Blogger aussterben oder nicht, ist mir egal. Das sind 49,999% der Blogger.

3 – Gemeinsame Qualität

Beim Blogger (99,998%) merkt man irreparable Qualitätsdefekte sofort, da er seinen Solo-Müll auf einer URL-Halde seines Namens gut sichtbar entsorgt.

Der durchschnittliche Journalist (90%) dagegen hat das Glück, daß sein kleiner, unter die Gesamtqualität der gedruckten Medienmarke subsumierter Haufen Buchstabenmüll nicht weiter auffällt, sondern netterweise – auch durch das totale Fehlen jeglichen Feedbacks – geduldet wird unter dem ‚verleiht-dem-Heft-Farbe‘ Aspekt (daß dies schon viel zu lange geduldet wird, erhöht die Lautsärke der aktuellen Diskussion noch).

4 – Das Ende vom Lied

Es wird also nicht reichen, am Flughafen zu stehen und seinen Lesern zu beschreiben, daß sich die Frau mit dem roten Mantel an ihrem Koffer verhebt und der beleibte Herr daneben nicht hilft.

Es wird auch nicht reichen, immer mehr zu schreiben und sich gegenseitig immer mehr zu beschimpfen und sich untereinander immer mehr zu beweihräuchern.

Fakt ist: Blogger und Journalisten, deren Inhalte keinerlei Relevanz für irgendeine Zielgruppe von bedeutender Größe haben, werden untergehen. Das kann man nicht schönreden, muß man auch nicht. Das nennt sich Evolution. Schicksal. Eigene Dummheit.

Vor allem: Man braucht das Bloggen und den durchschnittlichen Journalismus nicht zu Tode zu diskutieren, das passiert schon von selbst.
Je länger man aber diskutiert, desto mehr Menschen werden auf die Irrelevanz beider Positionen aufmerksam, gelangweilt, genervt …

Zumal nur deshalb noch diskutiert wird, weil man keine relevanten Themen findet und es schon immer leichter fiel, über den anderen herzuziehen, statt die eigene Leistung zu challengen und zu optimieren – davor schrecken ja nicht nur alle zurück, sondern sehen nichtmal die tatsächliche Notwendigkeit, sind doch alle über Gebühr von sich selbst überzeugt.
Die Arroganz des Einzelnen war schon oft der schleichende Tod der Gattung.

5 – Wandlung

Was eigentlich würde der Journalist heute thematisieren, wenn es keine Blogger gäbe? An die Bild-Zeitung traut er sich ja nicht.

Wieviel Zeit verliert der Blogger durch die tägliche, rituelle Bestätigung (‚Finde ich auch‘ klabauter1418, ‚Haste Recht‘ marc1234, ‚Sacht ja Don Alphonso auch schon‘ turi2816, oder wie sie so ähnlich alle heißen und bekannt sein wollen) des eigenen Status und dem des Blogger-Freundes in ihren ansonsten einsamen, digitalen Ghettos? Selbstreferenz auf höchster Ebene.

Wieviel Zeit haben Frank Schirrmacher et al. schon mit ihren Tiraden auf Blogger und Perlentaucher verloren? Zeit, die sie hätten nutzen können, ein Buch zu lesen oder die Laudatio auf Tom Cruise intelligenter zu formen oder zu erkennen, wohin die Reise geht, die im Ende eine gemeinsame sein wird.

Beide könnten die Zeit besser nutzen für einen Blick über den eigenen Horizont hinaus in die große weite Welt des Bloggens, in der Blogs und Journalisten es zu gesellschaftlicher Größe gebracht haben, von der hier nur sabbernd und neidvoll geträumt wird, kann man selbst Kompetenz nicht mal buchstabieren.

(So könnte sich zB der Journalist, der sich heute über Twitter auf der re:publica lusig macht, mal recherchieren, welche Wandlung Twitter in den Staaten durchgemacht hat, dort inzwischen unzählige Clones und Spin Offs existieren, die eine eigene Experience kreieren, die dafür sorgt, Twitter schon als die relevante News-Quelle in Tech-Kreisen zu bezeichnen – nicht Blogs oder gar Journalisten!)
(Genauso könnte man sich natürlich fragen, was eine Blogger-Konferenz unter dem Label ‚re:publica‘ verloren hat, hat sie doch nichts weniger als Öffentlichkeit.)

6 – Inhalte und Nutzer – Statt Egoismen

Was heute geboten wird, ist eine Ohrfeige für die Möglichkeiten des Journalismus und eine Ohrfeige für die Möglichkeiten des Bloggens.

Beide sollten Ziele haben, Zielgruppen, Inhalte und Themen von mehr als rudimentärem Interesse, Größe und Qualität. Bei beiden ist dringend eine Zäsur notwendig.
Die relevanten Themen in unserer kaputten Republik liegen für beide auf der Strasse. Korruption, Lobbyismus, Lethargie der Wirtschaft, Inkompetenz der Politik, Anspruchsdenken der Gesellschaft, Tibet und China, Irak und USA und die Welt, Big Pharma, Big Tobacco, Citizen Journalism, und und und.

Der Nutzer muß im Mittelpunkt stehen, seine Themen, seine Interessen, seine Bedürfnisse, nicht das eigene Ego, nicht der Kampf, nicht das Wundenlecken.

Man wird den Entscheidungen der Zielpersonen vertrauen müssen, die im Moment, so oder so, nur den Kopf schütteln.
Das ist die Welt 2.0, in die wir hineingeschlittert sind. Jetzt müssen wir handeln, statt zu meckern. Lernen, statt zu lärmen. Innovation und Qualität bieten, statt Tränen und Stagnation.

7 – Zukunft

Relevanz bekommen die Inhalte für den Nutzer nur, wenn er die Kompetenz des Einzelnen spüren kann. Kompetenz, Rückgrat, Engagement und Konsequenz.

Gereiche also das Verhalten des Einzelnen in Zukunft wieder der gesamten Gattung zur Ehre. Sei er Spiegel der Menschen, vor allem aber Maxime ihres Handelns und ihr Vorbild!

Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von: ralf schwartz, mediaclinique.com

Apr. 2008 | Allgemein | Kommentieren