Es war einer der schwärzesten Momente in der Geschichte des deutschen Parlaments: Am 23. März 1933 stimmte der Reichstag über das von Reichskanzler Hitler vorgelegte Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich ab. Mit dem Gesetz erlangte die NS-Regierung die Ermächtigung, ohne Zustimmung von Reichstag, Reichsrat und Reichspräsident Gesetze zu erlassen. Die Ausschaltung des Parlaments und die Außerkraftsetzung der Verfassung waren scheinbar legal durchgesetzt, das Ermächtigungsgesetz etablierte damit faktisch die nationalsozialistische Diktatur.
Der Reichstag war von der SA umringt, die kommunistischen Abgeordneten waren bereits verhaftet oder wurden an der Teilnahme gehindert. Nur die 94 Abgeordneten der SPD ließen sich nicht von der Drohkulisse einschüchtern und stimmten gegen ihre Selbstentmachtung. Der SPD-Vorsitzende Otto Wels begründete für seine Fraktion die Ablehnung der Gesetzesvorlage, seine Rede wurde ein eindrucksvolles Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie: „Freiheit und Leben kann man uns nehmen. Die Ehre nicht.“ – Wels’ Worte waren die letzten freien Worte im Deutschen Reichstag.
Aus Anlass des 75. Jahrestages erinnert der Band an dieses Schlüsselgesetz der NS-Terrorherrschaft und seine verheerenden Folgen. Neben einem Überblick über den Beginn des NS-Regimes und den wortgetreuen Reden von Otto Wels und Adolf Hitler erläutert ein umfangreicher Anhang unter anderem das weitere Schicksal vieler SPD-Abgeordneter.
Über die Herausgeber:
Dr. Daniela Münkel ist Privatdozentin für Neuere und Neueste Geschichte am Historischen Seminar der Leibniz Universität Hannover. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die Politik-, Medien- und Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung der NS-Geschichte.
Dr. Peter Struck ist seit 2005 Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, ein Amt, das er bereits von 1998 bis 2002 inne hatte.
Daniela Münkel/Peter Struck (Hg.)
Das Ermächtigungsgesetz 1933
Eine Dokumentation zum 75. Jahrestag
Format: 14 x 22,4 cm, ca. 175 Seiten, Broschur
ISBN 978-3-86602-547-9
vorwärts buch € 14,95
Ermächtigungsgesetz im Original
1. Reichsgesetze können außer in dem in der Reichsverfassung vorgesehenen Verfahren auch durch die Reichsregierung beschlossen werden. Dies gilt auch für die in den Artikeln 85 II und 87 der Reichsverfassung bezeichneten Gesetze.
2. Die von der Reichsregierung beschlossenen Reichsgesetze können von der Reichsverfassung abweichen, soweit sie nicht die Einrichtung des Reichstags und des Reichsrats als solche zum Gegenstand haben. Die Rechte des Reichspräsidenten bleiben unberührt.
3. Die von der Reichsregierung beschlossenen Reichsgesetze werden vom Reichskanzler ausgefertigt und im Reichsgesetzblatt verkündet. Sie treten, soweit sie nichts anderes bestimmen, mit dem auf die Verkündung folgenden Tage in Kraft. Die Artikel 68 bis 77 der Reichsverfassung finden auf die von der Reichsregierung beschlossenen Gesetze keine Anwendung.
4. Verträge des Reiches mit fremden Staaten, die sich auf Gegenstände der Reichsgesetzgebung beziehen, bedürfen für die Dauer der Geltung dieser Gesetze nicht der Zustimmung der an der Gesetzgebung beteiligten Körperschaften. Die Reichsregierung erläßt die zur Durchführung dieser Verträge erforderlichen Vorschriften.
5. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Verkündung in Kraft. Es tritt mit dem 1. April 1937 außer Kraft, es tritt ferner außer Kraft, wenn die gegenwärtige Reichsregierung durch eine andere abgelöst wird.
Reichsgesetzblatt T. I. (1933), Nr. 25, S. 141