Beinahe alle empören sich über die Steuerflucht nach Liechtenstein. Wir werfen einen erfrischenden Beitrag in die Debatte: das hellsichtige Gedicht „Liechtenstein“, geschrieben am 5. März 1933.
Klaus Mann (1906-1949)
In unserm Erdteil steht es kläglich.
Man ist mit uns nicht mehr galant.
Die Steuern nehmen überhand.
Es ist schon bald nicht mehr erträglich.
Das Land, in dem man Milch und Honig schlürfte,
Wir suchen’s alle, doch wir finden’s kaum –
Drum gaukeln wir uns vor im Traum,
Als ob es so was wirklich geben dürfte.
Ach, wenn ich es im Wachen wiederfände –
Da ist es hübsch und angenehm zu sein!
Der Flüchtling findet hilfsbereite Hände.
Er kauft sich ein.
Kann so was sein?
Jawohl: in Liechten – meinem Liechtenstein.
Da liegt das Land in hochrentablem Frieden,
Wo mich nichts stört und peinigt und verdrießt.
Und wer den Eintritt aufbringt, der genießt,
Und nichts wie Fröhlichkeit ist ihm beschieden.
Woanders: Zähneklappern und Geschlotter –
Doch auf der Alm da gibt’ s kein Sünd,
Weil hier doch ALLE Hinterzieher sind. –
Und dort, der Blühendste, das ist mein Rotter.
Man soll nichts Böses über’s Ländle sagen!
Wenn es auch nicht sehr groß ist, sondern klein.
Es hat doch einen großen, guten Magen.
Da geht was rein.
Wo mag das sein?
In meinem Liechten – meinem Liechtenstein.
In Unschuld sprießen, wachsen, blühen
Dort Unternehmen ohne Zahl.
Und der Profit ist kolossal.
Das geht ganz ohne Schweiß und Mühen.
Und täglich kommen neue liebe Freunde –
Grüß Gott, grüß Gott – da sind Sie ja –
Ja: Ubi bene ibi patria –
Wir sind die krisenloseste Gemeinde.
Und wenn der Lehrer heut’ zum Beispiel fragte:
„Nun, kleiner Moritz, wo liegt’s Capitol?“
Der Moritz wär zu schlau, als daß er’s sagte.
Er wüßt’ es wohl.
Wo mag es sein?
Wo es so sicher ruht: in Liechtenstein.
Liechtenstein lockt schon länger mit seinen Reizen: In einem Couplet, das Klaus Mann für das politische Kabarett „Die Pfeffermühle“ seiner Schwester Erika schrieb, besang er bereits 1933 den eigentümlichen Magnetismus des Bergfürstentums. Klaus Manns Lied für Liechtenstein entstand am 5. März 1933, als Hitler die letzten Reichstagswahlen abhalten ließ. Es wurde nie aufgeführt. Acht Tage später verließ Mann Deutschland, und auch die „Pfeffermühle“ ging aus München ins Exil. Allerdings mussten die Geschwister Mann ihr Leben retten, nicht ihr Geld. Das Gedicht ist entnommen dem Band „Erika Mann und ihr politisches Kabarett ‚Die Pfeffermühle‘ 1933-1937“ von Helga Keiser-Hayne, erschienen 1995 im Rowohlt-Verlag.
09.Nov.2008, 20:37
So sehr es mich gefreut hat, dass aus ziemlich aktuellen Anlass in einigen deutschen Zeitungen dieser Text von Klaus Mann erschien, entnommen meinem Buch über Erika Manns Kabarett „Die Pfeffermühle“, so schade fand ich es doch irgendwie, dass mein Name nicht so ganz richtig geschrieben worden war. Nun finde ich auf den entsprechenden Google-Seiten immer wieder diesen kleinen Fehler, der sich wohl nich mehr korrigieren lässt.
Trotzdem: dankbar für diese kleine Werbung für mein Buch
grüßt Sie
Helga Keiser-Hayne
09.Nov.2008, 20:39
So sehr es mich gefreut hat, dass aus ziemlich aktuellen Anlass in einigen deutschen Zeitungen dieser Text von Klaus Mann erschien, entnommen meinem Buch über Erika Manns Kabarett „Die Pfeffermühle“, so schade fand ich es doch irgendwie, dass mein Name nicht so ganz richtig geschrieben worden war. Nun finde ich auf den entsprechenden Google-Seiten immer wieder diesen kleinen Fehler, der sich wohl nich mehr korrigieren lässt.
Trotzdem: dankbar für diese kleine Werbung für mein Buch
grüßt
Helga Keiser-Hayne