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Der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte einst erklärt, zum Regieren brauche er nur Bild, BamS und die Glotze. Als aber die Bild-Zeitung zum Regieren auch noch die Glotze wollte, brauchte sie – beziehungsweise der Springer-Verlag als Eigentümer – die Zustimmung des Bundeskartellamts. Die Behörde prüfte daraufhin zum Jahreswechsel 2005/2006 einige Wochen lang die Übernahme der Fernseh-Gruppe ProSiebenSat.1 durch den Verlag. Und sagte : Nein !

„Mut“ ist zum Markenzeichen eines Amtes geworden, das in diesen Tagen seinen 50. Geburtstag feiert:

Ob Energieriesen, das verkrustete Gesundheitswesen oder die Global Player der deutschen Industrie – die Behörde nimmt es auch mit solchen Unternehmen auf, vor denen andere einknicken. „Manchmal komme ich mir vor, wie die Bewohnerin eines kleinen gallischen Dorfes, das als letztes Widerstand gegen die römischen Besatzer leistet“, beschreibt sich eine Mitarbeiterin in Anspielung auf Asterix´ Heldentaten. Doch wer die Behördenflure an der Bonner Adenauerallee betritt, ahnt schnell, dass hier keine Helden mit Zaubertrank kämpfen, sondern gewissenhafte Beamte ihre Pflicht nach Recht und Gesetz tun. Rund 300 Mitarbeiter, darunter etwa 150 Juristen und Ökonomen, wenden das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) an, das seit 1. Januar 1958 in Kraft ist. Sie ermitteln – nach Branchen aufgestellt – die Marktverhältnisse in der deutschen Wirtschaft, spüren Kartelle auf, prüfen Fusionsvorhaben und schreiten ein, wenn Marktbeherrscher – etwa die Deutsche Post oder die Lufthansa – ihre erhebliche Macht zum Nachteil von Verbrauchern oder Wettbewerbern missbrauchen.

Es waren die Amerikaner, die, neben Kaugummi und Rock´n´Roll, die Idee eines Wettbewerbsgesetzes nach Deutschland exportiert. In den ordoliberalen Vordenkern der Freiburger Schule wie Walter Eucken fanden sie Mitstreiter, die Antitrust-Ideen ins Deutsche übersetzten. Ludwig Erhard, damals Bundeswirtschaftsminister, paukte das Gesetz gegen – damit umzugehen hatte er als Schüler Franz Oppenheimers gelernt – energischen Widerstand der Industrie durch. Der Ansatz war dezidiert politisch: „Das Kartellgesetz“, so Erhard, „soll sich nicht gegen den Mittelstand richten, sondern eher gegen die starke und geballte Macht von Konzernen und die starken macht- und marktpolitischen Positionen, die auf dieser Ebene errungen worden sind.“ Trotz solcher, heute eher globalisierungskritisch anmutender Worte wurde das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen zum „Grundgesetz der sozialen Marktwirtschaft“, das so unterschiedliche Freunde wie Oskar Lafontaine und Otto Graf Lambsdorff vereint. Wettbewerb erwies sich als Ordnungsprinzip, das einerseits eine Entfaltung der Wirtschaftsakteure ermöglichte und andererseits dem Anspruch nach Gerechtigkeit folgte.

In Zeiten, in denen Versuche einer politisch motivierten Ordnung der Marktwirtschaft belächelt werden und Vorstöße gegen große Unternehmen als Standort-Sakrileg gelten, drängt sich die Frage nach dem Erfolgsgeheimnis des Kartellamtes auf: Wieso trauen die sich, Springer in die Schranken zu weisen? Wie schaffen sie es, gegen die großen Zement-Hersteller Geldbußen in dreistelliger Millionenhöhe zu verhängen? WIe kommt es, dass die gegen Praktiken der Versicherungswirtschaft ermitteln? Der Schlüssel liegt in der Unabhängigkeit der jeweils dreiköpfigen Beschlusskammern des Amtes: Nicht einmal der Präsident – derzeit Bernhard Heitzer – kann seinen Mitarbeitern vorschreiben, wie sie ihre Fälle entscheiden. Will der Bundeswirtschaftsminister ein Fusionsverbot der ihm formal nachgeordneten Behörde überstimmen, muss er dazu wahre Klimmzüge machen – die Ministererlaubnis ist trotz unrühmlicher Beispiele wie Daimler-Benz/MBB und Eon/Ruhrgas eine Ausnahme geblieben.

Über das, was das Kartellamt tut, richten nur die Kartellrechtsspezialisten im Oberlandesgericht Düsseldorf und im Bundesgerichtshof. Auch sie genießen Unabhängigkeit in ihren Entscheidungen. Unbeeinflusst von politischer Taktik, mit strengem Blick aufs Gesetz und mit einer wohltuenden Diskretion und Seriosität erkämpfen die Kartellbeamten so die Freiheitsräume in der Wirtschaft. Heldenhaft sollte das eigentlich nicht sein, doch die Ergebnisse machen deutlich, wozu Beamte im besten Fall fähig sind – und was sie von Politikern unterscheidet.

Ein Wermutstropfen zum Jubiläum ist, dass auch das Bundeskartellamt nicht so unabhängig ist, wie das geboten wäre. In den vergangenen Jahren gab es nicht einen solchen Rückenwind der Politik, wie ihn das Amt gerade in Zeiten der Globalisierung gebraucht hätte, um auf Augenhöhe mit den Unternehmen zu bleiben. Die EU-Kommission hat sich zur wichtigeren Wettbewerbsbehörde gemausert, und die politisch etwas weniger unabhängige Bundesnetzagentur hat Kompetenzen erhalten, die gut beim Kartellamt aufgehoben gewesen wären. „Der Wettbewerb“, so seufzte der legendäre Kartellamtspräsident Wolfgang Kartte einst, „hat eben keine Lobby.“

In Deutschland, hat er wenigstens das Bundeskartellamt. Zum Glück.

Die Rundschau recherchiert gerade eine die Versicherungswirtschaft betreffende Geschichte, für die wir gerade das Bundeskartellamt interessierten konnten. Hier für unsere Leser ein kurzer Einblick: Einmal ein uns zur Verfügung stehendes Dokument, ein Schreiben der Hauptgeschäftsführung des Berufsbildungswerkes der Deutschen Versicherungswirtschaft (BWV) „An die Damen und Herren Leiter/Innen der Außendienstausbildung – gemäß besonderem“ (!) „Verteiler“ als PDF-Dokument:

Schreiben des BWV

… und ein Schreiben von uns an die Leitung der IHK Erfurt, auf das wir nicht nur (wessen schlechten Gewissens wegen auch immer) keine Antwort erhielten, sondern auch keine erwartet haben:

23. 08. 07 an: Dieter Bauhaus – Bernd Becker und Heinz Großheger IHK Erfurt

Sehr geehrte Herren,

derzeit recherchiere ich in verschiedene Richtungen in der Sache „Vereinbarkeit der vorgesehenen Privilegierung der BWV-Sachkundeprüfung für Versicherungsvermittler mit geltendem Verfassungsrecht“.

Anlaß war ein mir zur Kenntnis gebrachtes, ausführliches Gutachten, das diese Vereinbarkeit mit geltendem Verfassungsrecht dezidiert in Frage stellt:

Nach intensiver Prüfung der Rechtslage kommt der Rechtsanwalt und Hochschullehrer Prof. Dr. Rolf W. , dessen Schwerpunkte der juristischen Arbeit u. a. im Recht der Finanzdienstleistungen, Gesellschaftsrecht einschl. Aktienrecht, Beraterhaftung und Versicherungsrecht liegen, zu folgender Beurteilung:

“Ich habe Verstöße gegen den Gleichheitsgrundsatz, die Berufsfreiheit sowie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Willkürverbot festgestellt“

Im Weiteren wird das von ihm dezidiert begründet.
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Zusätzlich liegt uns ein Schreiben vor von der Hauptgeschäftsführung des BWV e. V. „an die Damen und Herren Leiter/ innen der Außendienst-Ausbildung – gemäß besonderem Verteiler“ über die geplante Kooperation BWV / IHK zur künftigen Sachkundeprüfung für Versicherungsvermittler wurde beklagt, dass „diese Bundeseinheitlichkeit auf dem Spiel“ stehe, weil deutlich werde, dass „einzelne Kammern ihr hoheitlich autonomes Selbstverständnis nutzen wollen, um sich dem bundespolitischen Willensbildungsprozess zu entziehen“. (…) „Die Bundeseinheitlichkeit unserer Sachkundeprüfung Versicherungsvermittlung steht auf dem Spiel, weil einzelne IHK-Vertreter aus politischer oder aus pekuniären Gründen nicht mit dem BWV zusammenarbeiten wollen“. Dies von der Hauptgeschäftsführerin des BWV Dr. Katharina Horn unterzeichnete Schreiben lasse ich Ihnen auf Wunsch vor einem Gespräch gerne in Kopie zukommen

Ich jedenfalls habe in vielen Berufsjahren keinen deutlicheren (und unverfroreneren) Aufruf zur Monopolbildung gelesen – wahrscheinlich war man sicher, dies Schreiben „gemäß besonderem Verteiler“ könne nicht in richtige Hände gelangen.

Ich wende mich heute mit der Bitte um einen (möglichst baldigen, noch vor Ihrer Präsidiumssitzung) Interview-Termin an Sie, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass Sie sich als Vertreter der IHK an solchen meiner Meinung nach strafbewehrten Aktionen beteiligen.

Und, zu guter Letzt, meine ich, wenn denn das Ziel von Monopolen und Kartellen ist, durch Beschränkung des Wettbewerbs eine Marktbeherrschung zu erreichen, so wird ebendies mit solchen und anderen „Kooperationen“ vom BWV versucht. Auch dies werde ich prüfen lassen.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Gottschling

Jan 2008 | Allgemein, Politik, Sapere aude, Wirtschaft, Zeitgeschehen | Kommentieren