Unsere Beschäftigung mit Arisierungsgewinnlern in Heidelberg, die da die Universität Heidelberg, die Stadt Heidelberg und natürlich Privatleute waren und (Julius Schoeps: „Arisierung nach 1945“) immer noch sind, zwingt uns in Niederungen, in denen wir uns nur sehr ungern tummeln. Will ja auch keiner mehr was von wissen oder gar hören. Niemand kann oder will Sie zwingen, sich mit den Sachverhalten zu beschäftigen, die erst (nichts hören, nichts sehen) möglich gemacht haben, dass Situationen entstanden sind, dass Dinge passiert sind, von denen wir heute lieber meinen wollten, sie k ö n n t e n doch so gar nicht passiert sein. Flankierend zu unseren Recherchen in Sachen Portheim-Stiftung hier der Einführungsvortrag zur Tagung „Medien im Nationalsozialismus“, Hessischer Rundfunk, Frankfurt am Main, am 24. und 25. September 2007.
Kurz vor dem 11. Mai 1945 – und damit zugleich wenige Zeit nach der Kapitulation vom 8. Mai – erhielt der Sprecher einer später berühmt werdenden Rundfunkrede Besuch von Tontechnikern in seinem Haus im kalifornischen Santa Monica: er sprach seine Worte erst in ein Mikrophon, dann wurde die Rede auf einer Schellackplatte gespeichert, die anschließend mit einem Flugzeug an die amerikanische Ostküste verbracht, in das Atlantikkabel nach London eingespeist und deren Inhalt dann von der BBC nach Deutschland ausgestrahlt wurde – zum Empfang über Radiogeräte, die Volksempfänger hießen und bislang Sendungen übermittelten, deren Inhalt eher dem „Wörterbuch des Unmenschen“ entstammten. „Deutsche Hörer“, so begann Thomas Mann, „wie bitter ist es, wenn der Jubel der Welt der Niederlage, der tiefsten Demütigung des eigenen Landes gilt“. Er fährt fort, wie sehr sich Deutschland, „das Land unserer Väter und Meister“, von der gesitteten Welt entfernt habe und schließt mit der Feststellung, dass „Deutschland von dem Fluch wenigstens befreit ist, das Land Hitlers zu heißen.“ Schon sieben Tage zuvor, am 4. Mai, 10.00 Uhr morgens, war in Norddeutschland über die gleichen Volksempfänger aus dem Hamburger Funkhaus die Ansage zu vernehmen: „This is Radio Hamburg, a station of the Allied Military Government.“ (Bausch III, S. 13f.), und von Frankfurt, nein: von einem improvisierten Studio in Bad Nauheim aus, weil die Wehrmacht in den letzten Kriegstagen das Funkhaus in Frankfurt gesprengt hatte, sorgte ab dem 4. Juni 1945 ein „Psychological Warfare Team“ dafür, dass einerseits Informationen an die deutsche Bevölkerung gegeben werden konnten und dass andererseits die sog. Re-education zu Demokratie und Freiheit rechtzeitig und so früh wie möglich beginnen konnte.

Obwohl die nationalsozialistische Schreckensherrschaft „nur“ 12 Jahre währte, so hatte doch ein sich geschlossenes System medialer Vermittlung dafür den Boden bereitet, dass sowohl aus einem freiheitlich-demokratischen Rundfunk der Weimarer Republik als auch aus der freien Produktion von Filmen und einem offenen Literaturbetrieb ein Medienapparat entstehen konnte, der stringenter Lenkung unterworfen war und der auf raffinierte Weise direkt und frontal, aber auch mit indirekten und subtilen Formen und Stilmitteln die ideologische Durchdringung eines ganzen Landes und Volkes beförderte. Bemerkenswert dabei ist, dass sich im Osten des im Jahre 1990 wieder vereinigten Landes eine ähnliche Entwicklung abspielte, und es gehört schon zu den großen Errungenschaften der deutschen Demokratie nach dem Zweiten Weltkrieg, dass diese sich der Aufarbeitung von Geschichte, wenn auch anfangs zögerlich, so doch mit aller Konsequenz annahm, um über Erinnerungspolitik mit Blick auf gleich zwei deutsche Diktaturen unterschiedlicher Prägung und Gewichtung zur Festigung der politischen Bildung und damit zur Entwicklung freiheitlich-demokratischer Grundgedanken beizutragen. Interessant wäre in diesem Zusammenhang, einmal die Mechanismen der medialen Instrumentalisierung im Sinne der Massenbeeinflussung komparatistisch zwischen den beiden deutschen Diktaturen und auch im Vergleich zu den andern totalitären System Europas im 20. Jahrhundert zu untersuchen, um dem Phänomen der Massenbeeinflussung in unterschiedlichen Ländern bei der Diversität von Kulturen und Mentalitäten näher zu kommen, ja die psychologische Deutung von Entwicklungen anhand der Choreographie, der Gestik, Mimik, Intonation und Visualisierung vorzunehmen. Dies kann jedoch hier nur als Frage und Anregung verstanden werden, sich bestimmten Phänomen der Deutschen und Europäischen Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts als einer Medien- und Kommunikationsgeschichte der Moderne mehr zuzuwenden, als dies in der zeitgeschichtlichen Forschung bislang der Fall war und ist.

Zu erinnern daran, auf welche Weise wir in Deutschland diese Freiheit wiedergewonnen haben, heißt auch an die Grundlagen unserer Verfassung und die davor getroffenen Regelungen der Alliierten zu denken. Als General Lucius D. Clay als US Army Military Governor einen Erlass vom 21. November 1947 unterzeichnete, der in Satz 1 „die grundlegende Politik der US-Militärregierung“ regelte, „dass die Kontrolle über die Mittel der öffentlichen Meinung wie Presse und Rundfunk, verteilt und von der Beherrschung durch die Regierung freigehalten werden müssen“ (Bausch, S. 34), dann war damit das Prinzip der Rundfunkfreiheit und Staatsferne sowie der Dezentralisierung dieser Medien vorbestimmt, wie es später im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland im Art. 5 formuliert und in den Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes präzisiert sowie , viele Jahre später, im Einigungsvertrag in Art. 36 definiert wurde – als das die Demokratie in einem föderalen Staat stabilisierende Element, das auf dem Prinzip sowohl der Teilung als auch der Verteilung von Gewalten im Staat ausgerichtet war und ist. Damit eben nicht mehr so intensiv Staatsgewalt auch gleich Staatsgestalt annehmen könne, wie dies nun einmal in den beiden deutschen Diktaturen und, was die Raffinesse der gleichgeschalteten Durchdringung angeht, in besonderer Weise von der Zeit des Nationalsozialismus gesagt werden kann.

Jedes Mal ging dieser Wechsel von totalitärer Indoktrination zu Öffnung der Kommunikationsformen und – inhalte rasch vonstatten: dies war 1989/90 so, und ähnlich vollzog sich dies im Jahre 1945, denn noch am 30. April 1945 hatte der Sender Flensburg, der als einziger noch zur Ausstrahlung fähig war, nicht etwa die Katastrophe in ihrer Eindeutigkeit beschrieben, sondern beschönigend gemeldet, „dass die Wehrmacht den aussichtslos gewordenen Kampf eingestellt habe: … die deutsche Wehrmacht sei am Ende einer gewaltigen Übermacht ehrenvoll unterlegen“. Auch hier, in eindeutig auswegloser Lage, wurden also Desinformation und gelenkte Information vermittelt, wurde Kommentar statt Nachricht geboten, als ob die Menschen in den zerbombten Stätten nicht schon längst erfahren hätten, wie sich die Wirklichkeit selbst darstellte. Ja, mancher mochte sich noch einer Rede erinnern, die gerade mal sechs Wochen zurücklag und deren Funktion symptomatisch für die Lenkung der Medien im NS-Staat stehen mag: als nämlich Joseph Goebbels am 11. März 1945, also gerade einmal sieben Wochen vor dem endgültigen Zusammenbruch und der Kapitulation von Karlshorst, nach Görlitz kam, war ihm nicht nur der Zweck seiner Reise bewusst: Nein, er wusste wohl, was er, vor allem wen er vor sich hatte. Der Propagandaminister, nicht etwa der Führer des NS-Staates, war in die Stadt an der Neiße gefahren, um vor Soldaten der Ostfront zu sprechen und damit zu Soldaten, die in den vergangenen Zeiten zunächst Vorrücken nach Osten und dann das Rückdrängen der Ostfront nach Westen erfahren hatten. Was aber sollte der sagen, der die Massen stets demagogisch aufgeheizt hatte, gleich, ob dies im Berliner Sportpalast geschah, gleich, ob dessen Tiraden in den Wohnzimmern zwischen Flensburg und Konstanz über den Volksempfänger zu hören waren, gleich, ob das System in Filmen wie „Kolberg“ zum Durchhalten anheizte oder in der „Feuerzangenbowle“ Normalität und Idylle angesichts der Bombardierungen deutscher Städte inszenieren ließ und gleich, ob Autoren, Theaterleute, Künstler erst der Zensur unterlagen, dann verfolgt und schließlich vernichtet und ermordet wurden?

Oft genug hatte der Propagandaminister Inszenierung von Sprache und Rhetorik praktiziert und wie in ein Gefäß die ideologischen Inhalte des Terrorstaates gegossen. Im März 1945 verband Goebbels in teuflischer Weise Inhalt und Form miteinander durch Inszenierung, Gestaltung und Vorstellung von Herrschaft, Ideologie und Terror. An diesem Tage weckte er, wo den Zuhörern von der Ostfront eigentlich die Aussichtslosigkeit bewusst war, sakrale Stimmung, lenkte er, nicht zum ersten, aber bald zum letzten Male, ab von Ratio und Realität und setzte rhetorisch-demagogisch einzig auf den emotional-sakralen Appell: „die Divisionen“, so schreit er in die Mikrophone, „werden in diesen Kampf hineingehen wie in einen Gottesdienst“. Und weiter: „ja, der Feind sei zu schlagen, der Übermacht seines Materials sei die Übermacht unserer Moral entgegenzusetzen“ und gegen Schluss der Rede: „der Führer werde auch diese Krise bewältigen“.1

Gottesdienst, Glaube, Moral, Führer – der Propagandaminister adressierte in seiner Rede einzelne Phänomene von Kult, Charisma und Herrschaft, inszenierte Sakralität von Ideologie und Terror. Und da die Rede und ihre Gedanken für Wochenschau und Rundfunkübertragungen gedacht und vorbereitet waren, bot er gleichsam audio-visuell in eben der Weise die Choreographie von Herrschaft auf, wie sie allen Diktaturen der Neuzeit im Sinne von Sakralität und Herrschaft in audio-visueller Vermittlung von Ideologie eigen war und ist.

Goebbels ist gewiss keine Ausnahme, wenngleich seine demagogische Rhetorik die Zeitgenossen schon deshalb in besonderer Weise angesprochen hat, weil er früh die Wirkung von kultischer Inszenierung von Inhalten bei Parteitagen, Aufmärschen, Fackelzügen, die Prozessionen liturgisch ähneln und opernhafter Dramaturgie folgen sollten, ebenso erkannt hatte, wie er die Kommunikation von Inhalten über die Film, Funk und Fernsehen sowie, nicht zu vergessen, Zeitungen, Zeitschriften, Plakate, Bücher und Architektur, initiierte – und, wo vorhanden, kanalisierte und verstärkte. Dabei kam es weniger darauf an, was Goebbels, Hitler u. a. sprachen oder von sich gaben, sondern wie sie wirkten: in der Intonation der Stimme am Radiogerät, in der Mimik und Gestik vor Ort – in der Wochenschau, in Pressephotos, in Zeitungsberichten und vielem mehr. Und stets hatten die Menschen später – als Hörer an den Rundfunkgeräten – eher noch die Stimme im Ohr, wo sie den Inhalt längst vergessen hatten. Eine Erfahrung, die Jahrzehnte später auch in der Erinnerung an die SED-Diktatur zu machen war und ist, als sich die Menschen kaum der Inhalte der zum Teil stundenlangen Parteitagsreden Walter Ulbrichts erinnerten, wohl aber der hohen Fistelstimme, mit der die Worte über den Äther kamen. Niemand hat dies für die Zeit des Nationalsozialismus besser analysiert als Charles Chaplin in seiner Persiflage des „Großen Diktators“,
dessen großen Gesten stets unverständliches Wortgestammel unterlegt wird. Sie waren darin nicht unähnlich Mussolini und seinen theatralischen Auftritten, Stalin, Chrustschow, Breshnew und ihren jeweiligen Inszenierungen am 1. Mai oder 17. Oktober am Roten Platz in Moskau, nicht unähnlich Ceaucescu in Bukarest, und auch der eher spröden SED-Diktatur, als diese Staatsgewalt durch Staatsgestalt ausübte, indem sie Öffentlichkeit mit Paraden und anderen Effekten organisierte.

Sozialgeschichte und politische Geschichte, nicht nur der Diktaturen des 20. Jahrhunderts, sind, so gesehen, vehement eine Geschichte der Mediatisierung und Medialisierung von Gesellschaften, initiiert durch immer direkter, assoziativ in das Unterbewusstsein dringende und damit subtil wirkende Kommunikationsformen und Kulturtechniken, die mit dem Eintritt in das digitale Zeitalter neuerlich eine qualitative Veränderung und einen Sprung erlebt, doch in welche Richtung? Wenn das 20. Jahrhundert als eine Zeit der Ausbildung von Massengesellschaften im universell-globalen Verständnis zu bezeichnen ist, dann haben daran sicher die Medien einen gehörigen Anteil: indem sie das Verhältnis von Sender und Empfänger, Produzent und Rezipient deutlich verändert haben.

Und doch hat sich die zeithistorische Forschung der Annahme, dass Zeitgeschichte eben auch und intensiv als Kommunikations- und Kulturgeschichte des audiovisuellen Medienverhaltens zu betrachten ist, weitgehend verweigert: sieht man von wenigen Ausnahmen ab, gilt letztendlich nach wie vor Hans Rothfels‘ Diktum und Präferenz des Prinzips der Schriftlichkeit von Quellenüberlieferung, „veritas in actis“ aber: darf eine solch‘ überkommene Sichtweise weiter wie bisher gelten, die sich im Fehlen von audiovisuellen Quellenkunde(n) und methodologischen Grundüberlegungen von Hilfswissenschaften der Moderne ebenso dokumentiert wie in der eher stiefmütterlichen Behandlung von Film- und Rundfunkgeschichte, Medien- und Buchgeschichte an den Universitäten – und nicht zuletzt im Fehlen einer Deutschen Mediathek, die wichtige audiovisuelle Zeugnisse des Hörfunks und des Fernsehens für Bildung, Erziehung und Unterricht so aufbereitet wie beispielsweise die Inatheque de France in Paris? Kann man zeitgeschichtlichen Phänomenen methodisch näherkommen, indem man sich – „veritas in actis“ – fast ausschließlich durch Kilometer von Aktenbeständen und Bibliotheken arbeitet und gleichsam so tut, als handele es sich um eine Zeit, die durch zeitliche und örtliche Distanz so entfernt wie etwa die Reformationszeit ist – und doch vehement in Tönen und Bildern in unserem subjektiven und kollektiven Gedächtnis archiviert ist?

Ob in der Kulturgeschichte, der Geschichte des Sports, der Frage der historischen Sozialisation, der Erfahrung von Mentalität und Alltagsgeschichte, die auch die Geschichte der Mode und des Geschmacks einbezieht – viel, sehr viel wurde über bewegte Bilder und Töne, über Zeitschriften und Photos vermittelt, audiovisuell, also medial, und nicht selten, vielleicht überraschend für das säkulare und profane Umfeld, sakral: Die Massengesellschaften des 20. und 21. Jahrhunderts sind im Wandel zu kommunikationstechnologisch sich entwickelnden Mediengesellschaften, ihre Erforschung bedeutet die methodische Orientierung auf eine bei weitem breitere Basis von Quellen: dies heißt nicht zuletzt Nutzung und Bewertung audiovisueller Quellen, bedeutet daher insbesondere Zeitgeschichte im Spiegel der Radio- und Fernsehgeschichte, Film- und Buchgeschichte und der Geschichte der Presse.2

Es lohnt sich, einen kurzen Blick auf die Entwicklung von Rundfunk und Film als den sog. Neuen Medien der Weimarer Republik zu werfen, um auch den Kontrast zwischen den Anfängen in den Zwanziger Jahren und der Pervertierung und Manipulation ab dem Jahre 1933 klarer bewerten zu können. Hörfunk und Fernsehen und ihre technischen Vorläufer Schallplatte und Film haben die Gesellschaften bis heute geprägt und geformt. Und früh setzten auch die Bemühungen ein, durch Archivierung nicht nur den Inhalt einer Rede, eines Berichtes oder eines Liedes, die ja auch in schriftlicher Form überliefert werden konnten, sondern auch die authentische Form selbst zu überliefern. Dabei konnte es sogar zu gewissermaßen skurrilen Nachsprechungen kommen, wie sie etwa Wilhelm II. vier Jahre später mit seiner Rede zum Kriegsausbruch 1914 und Philipp Scheidemann mit seiner Ansprache zur Ausrufung der Republik Jahre später, d.h. also nach dem eigentlichen Ereignis, vornahmen.

Es hat sich wahrlich viel geändert, als Nachrichten und Inhalte, Informationen und Impressionen seit den Zwanziger Jahren nun nicht mehr „nur“ in den gewohnten Medien Buch, Zeitschrift und Zeitung, Flugblatt und Plakat und natürlich auch über sogenannte „Mund zu Mund-Propaganda“ und Gespräch ausgetauscht, sondern gleichsam immateriell zu den Menschen gelangten und damit eine weitaus direktere, weil zeitgleiche Kommunikation erreicht wurde? So kamen ab dem 29. Oktober 1923 Inhalte per Rundfunk über den Äther, ohne dass die Worte in den Wind gesprochen waren. Auch trat mit den Sendungen eine neue Qualität gesellschaftlichen Verhaltens ein, indem man ja – wir würden heute sagen „live“: jemanden sprechen und singen hörte, ohne dass der Gegenüber zu sehen war. In gewisser Weise war dieser Radioempfang ein weiterer Ausdruck der Emanzipation von Raum und Zeit einer sich herausbildenden Massengesellschaft, und folgerichtig bedienten die in der Weimarer Republik agierenden, im übrigen privaten Sendegesellschaften in Information, Kultur und Unterhaltung breite Interessen, meist im übrigen in dem bis in die fünfziger Jahre üblichen Gemeinschaftsempfang vor dem Radio und später vor dem Fernsehapparat. Albert Einstein hat diese Freiheit und das kreativ-spielerische Element dieses Rundfunks in seiner berühmten Rede zur Eröffnung der Funkausstellung am 22. August 1930 treffend beschrieben:

Wer freilich annimmt, der Rundfunk der Weimarer Republik sei frei von Einflussnahme durch Herrschaftsstrukturen gewesen, geht fehl, und insofern hatte Joseph Goebbels sogar recht, als er 1933 feststellte, dass der Rundfunk ein vorzügliches Instrument der Lenkung der Masse sei, eine Idee, die die Parteien der Weimarer Republik den Nationalsozialisten vorgemacht hätten. Goebbels hat freilich dann diese Massenmedien in einer bis dahin nicht gekannten Weise so instrumentalisiert, wie er alle Formen kultureller Vermittlung in Reichskammern gleichschaltete und mit kommunikativen, ja gewissermaßen kultischen Formen sakral eine Volksgemeinschaft von Volksgenossen vorbereitete: der Volksempfänger als Radiogerät für die Propaganda, der Volkswagen für die Mobilität. Goebbels hat an dieser Aufgabe des Rundfunks, nämlich die Menschen „zu hämmern und zu meißeln“, bis sie ihm verfallen sind, keinen Zweifel gelassen und bereits am 24. April 1933 in einer öffentlichen Rede deutlich gemacht, als er den ersten Parteigenossen in das Amt eines Intendanten (in Köln) einführte.

Rasch war die Freiheit, mit der Rundfunk bis dahin agiert hatte, verflogen: Sendungen wie Bertolt Brechts Hörspiel „Die Heilige Johanna der Schlachthöfe, Walter Benjamins Kinderhörspiel Radau um Kasperl, beide noch im Jahre 1932 gesendet, waren ab 1933 nicht mehr zu hören wie Paul Hindemiths Oper „Mathis der Maler“, die zwar 1993 noch gesendet wurde, im Jahre 1934 jedoch mit einem Sendeverbot belegt wurde. Bald waren diese Stimmen nicht mehr zu hören, wie in den Bibliotheken ihre Werke entfernt, ins Feuer oder in die Papiermühlen geworfen wurden. Dass sich dies nicht nur auf den Rundfunk bezog, sondern auch die Bereiche Film und Buch umfasste, wurde rasch deutlich: die Filmkunst der Zwanziger Jahre mit Klassikern wie „Metropolis“ oder dem „Blauen Engel“, mit Regisseuren wie Fritz Lang und Josef von Sternberg, mit Produzenten wie Erich Pommer, der als Produktionschef im Jahre 1923 die ufa übernommen hatte und nicht zuletzt mit Schauspielerinnen und Schauspielern wie Marlene Dietrich und Emil Jannings, fand bald nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten ein rasches Ende: die nationalsozialistische Bewegung werde „in die Wirtschaft und in die allgemeinen kulturellen Fragen, also auch in den Film, eingreifen“, erklärte Goebbels den Vertretern des Films bereits am 24. März in Berlin, und fügte hinzu, dass „der Film nunmehr völkische Konturen erhalten solle“ und „Kunst nur noch möglich sein dürfe, wenn sie mit ihren Wurzeln in das nationalsozialistische Erdreich eingedrungen sei“. Eine Metapher, die durchaus ihre Parallele zur Vorstellung des „Hämmerns, Meißelns und Feilens“ hat, das dem Rundfunk als Aufgabe zufallen sollte. Und die weitere Parallelen hatte in den Bücherverbrennungen in deutschen Städten vom Mai 1933, in der Einrichtung der „Liste(n) des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ vom Jahre 1935, in der Verformung der Hochschulen, in denen bald Parteigenossen der NSDAP gemäß dem allerorten umzusetzenden Führerprinzip das Regiment übernahmen. Reichsschrifttumskammer, Reichskulturkammer, Reichsfilmkammer wurden errichtet, Filmformen und Verlage wurden zusammengeführt und unter die Kontrolle der Partei gebracht, um konzentriert einem Ziel zu dienen, nämlich der nun folgenden Inszenierung einer sakralen Schicksalsgemeinschaft „Deutsches Reich“ mit den Vorzeichen nationalsozialistischer Ideologie. Daran haben Filme wie „Jud Süß“, „Hitlerjunge Quex“, vor allem mit sublimer Ideologie wirkende Unterhaltungsfilme wie „Altes Herz wird wieder jung“ und Revuen ebenso Anteil gehabt wie die Dokumentationen Leni Riefenstahls über die Olympischen Spiele 1936. Allem lag ein Gesamtentwurf einer Ideologie zugrunde, die sich im Führerkult personifizierte, zentrierte und sakralisierte – und obendrein, wie es z. B. im Geleitwort zum Handbuch der Reichskulturkammer von 1937 hieß „den Schöpfer und Präsidenten der Reichskulturkammer, Reichsminister Dr. Joseph Goebbels, zum Treuhänder des Führers und Reichskanzlers für das Kunst- und Kulturleben im neuen Deutschland“ machte (Harth, S. 90).

Und doch war dieser Sakraleffekt am Anfang schwieriger zu gestalten, als es den Protagonisten in Goebbels’ Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda lieb bzw. angenehm sein mochte: Maßgeblich und merkwürdigerweise lag die Schwierigkeit beim Bemühen, den Führer nicht etwa „nur“ – wie in den Herrschaftsszenarien früherer Zeiten – an einer Stelle, bei einer Veranstaltung zu präsentieren, sondern ihn über das Radio überall sprechen zu lassen, in der Person des eigentlich Handelnden selbst begründet: Ja, Hitler hatte anfangs große Bedenken und Mühe, sich vor ein Mikrophon in einem abgeschlossenen Studio gleichsam virtuell in Szene zu setzen, da er, wie sonst bei Massenveranstaltungen, die Zuhörer ja nicht vor sich sah, also nicht direkt mit den Zuhörern kommunizierte. Es bedurfte, wie man heute weiß, nicht wenigen Zuredens und einiger Übungen, bis die Brüllstimme des Diktators in eben der „Qualität“ über den Äther ging, wie sie die Teilnehmer an Massenveranstaltungen gewohnt waren.

Ganz anders, professionell und gewissermaßen in der „Liturgie“ der Massenveranstaltung, präsentierte sich Hitler dagegen vor dem jeweiligen Publikum und, da derlei Veranstaltungen meist im Rundfunk übertragen und für die Wochenschau aufbereitet wurden, damit auch vor einem ungleich vergrößerten Kreis von Hörern und Sehern. Hatte Goebbels selbst in der unmittelbar der Machtergreifung folgenden Zeit mehrfach selbst als Reporter am Mikrophon gestanden, so übernahm er am 10. Februar 1933 bei einer3 Veranstaltung im Berliner Sportpalast eine Rolle, die eine Mischung aus Reporter und Herold, der ankündigt, und Einpeitscher, der emotionalisiert, darstellt und die nichts anderem diente als der Vorbereitung des dann auch folgenden Auftritts Hitlers. Eines Auftritts freilich, dessen Passagen, in denen lange 36 Sekunden nichts gesagt wird und in denen die zuvor emotionalisierten Besucher des Sportpalasts zu vollständiger Ruhe kommen, ja gebracht werden, den heutigen Betrachter weniger beeindrucken als bedrücken mögen:

Anweisung an die Technik: Aus CD (Rot!): 07-0145 , ab: 14.00: Goebbels am Rednerpult, kündigt Hitler an, 15.00 Hitler am Rednerpult – 38 Sekunden Stille, auch am Rundfunk, bis: 15.38 Beginn von Hitlers Rede

Wie schwer sich die Propaganda dann wenige Jahre später, also um 1935/1936 mit der Nutzung eines neuen Mediums, nämlich des von Paul Nipkow rechtzeitig zu den Olympischen Spielen 1936 entwickelten Fernsehens4 tat, ist auf den ersten Blick überraschend – und war es doch nicht: Ein wesentlicher Grund dafür war, dass sich die sakralen Präsentationsformen von Herrschaft eben nicht so einstellten, wie sie erhofft worden waren: Wie die Nationalsozialisten das Radio einsetzten zur Dokumentation von Ubiquität und Omnipotenz des Führers und den Führerkult also gleichsam an das Ohr des Hörers beförderten, so hätte es nahegelegen, nunmehr über das Fernsehen den Führer visuell so zu präsentieren, wie dies die Diktaturen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zwecks Erzeugung eigener Sakralitäten taten, ob sie nun Mao Zedong oder Leonid Breshnew hießen oder sich wie Fidel Castro oder afrikanische Diktatoren permanent über den Bildschirm präsentierten. Im Jahre 1936 nun übertrug man zwar Fernsehbilder in Fernsehstuben, doch war auf den Schwarzweißbildern, zudem mit Flimmern und elektronischem Schneegeriesel, der Führer als eine vergleichsweise „kleine Figur“ – und dann auch noch undeutlich – zu sehen. Grund genug also, die Fernsehentwicklung nicht zu forcieren und Abstand zu nehmen von der Absicht, den Führer nicht nur auditiv über’s Radio zu einer als „Volksgenossen“ bezeichneten Bevölkerung zu bringen, sondern auch visuell gleichsam mit televisionärer Ubiquität. Die Technik war – damals – für diese Zwecke einfach noch nicht reif. Stattdessen setzte man in der Folgezeit auf die erprobten Verfahren und präsentierte Hitler dann weiterhin vehement in öffentlichen Auftritten, im Radio und über die Wochenschauen im Kino.

Das Programm im Rundfunk, nicht zuletzt die Musik, aber auch die Wortsendungen, waren vielleicht zu Anfang eher von dumpfer Propaganda geprägt, nicht unähnlich den propagandistisch strukturierten Filmproduktionen und der Literatur der Dreißiger Jahre. Zunehmend, vor allem nach dem Kriegsbeginn im Jahre 1939, wurde die Unterhaltung als Propagandamittel eingesetzt, und zwar in allen Sparten: Unterhaltung in Literatur, Film und Rundfunk sollte besänftigen und vor allem, als die ersten Kriegsverluste und Schäden sich einstellten, ablenken von einer Wirklichkeit, die schließlich in der Katastrophe endete. All’ dem lag ein intensives Bemühen um gezielte Desinformation und emotionalisierte Lenkung von Affekten zugrunde: Täuschung und Vernebelung der immer wahrer werdenden Tatsachen.

Dies bezeugt eine Sendung im Großdeutschen Rundfunk, zu dem die vormals eigenständigen Sendeanstalten früh zusammengeschlossen worden waren, im Jahre 1942, bei der die Inszenierung von Wirklichkeit und die Erzeugung einer emotionalen Stimmung zusammenkamen: gemeint ist die Weihnachtsringsendung am Heiligabend, also an einem ohnehin nicht emotionsarmen Tag, dessen Affektorientierung noch dadurch gesteigert wird, als sich diese Sendung mit einer Ringschaltung zu den Kriegsschauplätzen von Lappland, Kreta, vom Golf von Biskaya bis Stalingrad (wo sich Ehemänner, Väter, Brüder und Enkel als Soldaten befanden!) an die daheimgebliebenen Ehefrauen und Kinder, Brüder, Schwestern und Großeltern wandte:

Einblendung: Lied

(und nicht von ungefähr stimmten dann schließlich rauhe Männerkehlen nach den Abrufen der jeweiligen Kriegsschauplätze dann nacheinander in das bei den Deutschen ohnehin emotional hochstehende „Stille Nacht, heilige Nacht“ ein, und es ist anzunehmen, dass die Daheimgebliebenen in der Wohnstube vor dem Volksempfänger nicht ohne Emotionen den globalen Chor ergänzten.5)

Was sie freilich nicht wussten: die Sendung war eine geschickte Zusammenstellung von Drehbuch und Regie, unterlegt mit Hall- und Krächzgeräuschen vermeintlicher Authentizität, in Szene gesetzt in den Studios der Reichsrundfunkgesellschaft in der Masurenallee am Berliner Funkturm und mitnichten „live“ von den angekündigten Plätzen: die Betrüger inszenierten durch sakrale Formen „Ferne“ – und saßen in der Nähe. Das war am Weihnachtsabend 1942, gedacht als Täuschung, als Mittel zum Durchhaltevermögen für die Bevölkerung.

Aber auch im Ausland sollte Unterhaltungsmusik ablenken, sollte Leichtigkeit über die Schwere der Situation hinwegtäuschen: nicht mehr sollten, so hatte Hitler selbst im Jahre 1941 angeordnet, durch den Deutschen Auslandsrundfunk wie bisher schwere Marschmusik über den Äther gehen, sondern englische und damit für die vermeintlichen Hörer auf der Insel gewohnte, jedoch mit neuen Texten unterlegte Titel. Mitten in Berlin spielte ungeachtet des allgemeinen Jazzverbots () Charlie’s Orchestra jazzige Titel wie z.B. diese, auf Winston Churchill abzielende Persiflage:
O-Ton
Natürlich nahm die Unterhaltung auch einen breiten Rahmen in der Filmproduktion Anfang der 40er Jahre ein: „der Film“, so meinte Goebbels, „müsse gerade im Kriege seine erzieherische Wirkung entfalten“, was sich dann nicht nur in Dokumentarfilmen, Wochenschauen, Kultur- und Kurzfilmen äußerte, sondern auch in fiktionalen Produktionen mit zum Teil historischem Hintergrund. Dass sich dabei auch Querverbindungen anhand des gleichen propagandistischen Zieles, Anfang der 40er Jahre konkret der Vorbereitungen des England-Feldzuges, zeigten, macht die Parallelität des Films „Ohm Krüger“ und des Hörspiels „Rebellion in der Goldstadt“ von Günther Eich aus der gleichen Zeit deutlich. Beide spielen in Südafrika, beide beschreiben die britische Kolonialherrschaft, die es gleichsam schon immer zu bekämpfen galt.

Besondere Bedeutung hatten freilich Unterhaltungsfilme, denn „ auch die Unterhaltung“, so hatte Goebbels am 8. Februar in seinem Tagebuch notiert, „sei heute staatspolitisch wichtig, wenn nicht sogar kriegsentscheidend. Demzufolge wurde eine beispiellose Produktion in Gang gesetzt. Auch eine heute noch als Kultfilm im Fernsehen regelmäßig und oft ausgestrahlte Produktion wie „Die Feuerzangenbowle“ aus dem Jahre 1943 hatte ihre propagandistische Aufgabe zu erfüllen, nämlich Normalität und Idylle zu inszenieren und neue Ziele zu verkünden, wobei sich letztere vornehmlich in der Rolle des Lehrers Brett als einem Vertreter der sog. „neuen Zeit“ verkörperten.

Filmausschnitt
Bretts pädagogische Ansichten, geäußert im Gespräch mit dem aus dem Rheinland stammenden und solchermaßen typisierten Vertreter der „alten Zeit“, drückt sich in der ideologisch auch sonst gebrauchten Metapher aus, dass die jungen Menschen so erzogen werden müssten, dass sie wie junge Bäume gebunden gerade wachsen und nicht nach allen Seiten ausschlagen.

In ähnlicher Weise unterhaltend und emotionalisierend zugleich wirkte der Film „Das große Spiel“, ein Fußballfilm von 1941/42, in dem es um die Rivalität zweier Spieler einer Mannschaft um die Tochter eines Präsidiumsmitglieds des Vereins geht. Beide liefern sich sogar auf dem Spielfeld Auseinandersetzungen, reißen sich dann aber zusammen, die Mannschaft wird am Ende Pokalsieger, und zur Musik von Michael Jary und Statisten aus der von Sepp Herberger trainierten Nationalmannschaft und bemerkenswerten Spiel mit einem hauptsächlich in Schwarz-weiß gedrehten und plötzlich auf Farbe umschaltenden Film spielen Gustav Knuth, Rene Deltgen, Heinz Engelmann und Hilde Jansen die Hauptrollen:

O-Ton

Die Visualisierung in Spielfilm und Wochenschau diente weniger der Vermittlung von Informationen denn von Stimmungen – sie sollte vor allem einen Effekt erreichen, wie ihn die Nationalsozialisten auch in anderer Visualisierung, nämlich in der Inszenierung im öffentlichen Raum, mit Hilfe der Architektur anstrebten: gemeint ist damit nicht nur die Planung und Ausführung von Bauten als Ausdruck der Ideologie, was sich in Albert Speers Entwürfen für die neue Hauptstadt „Germania“ ebenso manifestierte wie in den großflächigen Aufmarschforen in Nürnberg bis hin zum plump-pompösen KdF-Monument in Prora auf Rügen; Adressat der Aktionen war stets die Masse als Gemeinschaft, und in gewisser Weise sollten Monument und Dokument, physischer Bau und virtuelle Inszenierung, Inhalt und Form eine Art „unio mystica“ eingehen. Sie sollten eine Sakralform erreichen, die ihren besonderen Ausdruck in der Vermischung von Formen christlich-abendländischer Religiosität und Präsentation der sog. neuen „Volksgemeinschaft“ in den Lichtdomen fand, die Albert Speer mit Hilfe von geometrisch genau positionierten Flakscheinwerfern an den abendlichen Berliner Himmel zeichnete mit Brechungen des Lichts, die nicht mehr und nicht weniger den frühmorgendlichen Lichteinfall in gotischen Kathedralen assoziieren sollten: Choreographie der Macht im öffentlichen Raum, sakral, schon nicht mehr auf der Erde, sondern geradezu mystifiziert-transzendent.6

Wie sakral dieser Führerkult in der medialen Vermittlung wirken sollte, macht die raffinierte Inszenierung von Authentizität und Gegenwart nach dem misslungenen Attentat des Obersten von Stauffenberg am 20. Juli 1944 deutlich: Die Rundfunkleute reagierten schnell, legten eine Verbindung zur Wolfsschanze, und prompt war der Führer nachts um 1.00 Uhr über den Äther, bei zwar schlechter Tonqualität, so doch authentisch zu hören: Gleichsam die Inszenierung einer Auferstehung, wo die Gerüchte vom vermeintlich erfolgreichen Ausgang des Attentats bereits den Tod Hitlers verkündeten. Es war dann natürlich nicht mehr verwunderlich, dass der solchermaßen inszenierte „Auferstandene“ sich selbst als völlig unverletzt beschreibt, obgleich die Stimme bzw. die Stimmlage anderes, nämlich nachwirkenden Schock dokumentiert. Vollends sakralisiert wird die vorangegangene Nachrichtensendung bzw. die Rede im Radio durch den Hinweis an die Zuhörer, dass nicht anderes als die „Vorsehung“ ihn – den Führer – und damit auch das ihm unterstellte Volk vor dem Verderben bewahrt habe.7

O-Ton

Folgerichtig im Sinne der ideologischen Verlogenheit war denn auch die am 1. Mai 1945 gesendete Meldung vom Tode Hitlers und die im Anschluss zur Nachrichtensendung folgende Ansprache des Großadmirals Dönitz als Hitlers Nachfolger: nicht etwa, dass Hitler Selbstmord begangen habe, wird gemeldet, sondern dass er „heute Nachmittag in seinem Befehlsstand in der Reichskanzlei, bis zum letzten Atemzug gegen den Bolschewismus kämpfend, für Deutschland gefallen sei“( )

Dies mag wohl zum letzten Male eine aktive Propaganda durch die Medien der NS-Diktatur gewesen sein, da die Aktiven wie Hitler und Goebbels sich zwar aus der historischen Situation und der politischen Verantwortung gestohlen hatten und doch einige Protagonisten nach wie vor diesem System aus ideologischem Lug’ und Trug’ anhingen. Erst, als die bisherigen Subjekte der Diktatur in Nürnberg als Objekte der Anklage von der Kamera saßen und ihr trotziges „Nicht schuldig!“ in die Mikrophone sprachen, erst, als in den 60er Jahren jeden Abend nach der Tagesschau über den Eichmann-Prozess berichtet und in Frankfurt vor laufenden Tonbändern und Kameras die Opfer von Auschwitz erstmals Gelegenheit hatten, über Medien die Öffentlichkeit über die Gräuel zu informieren, erst da wurde so recht klar, wie sehr die zwölf Jahre nationalsozialistischer Diktatur eine Tätergeschichte darstellt und welchen Beitrag Medien und Ideologie als Propagandagemisch geleistet haben und wie es zu einer solchen Katastrophe kommen konnte.

Okt 2007 | Heidelberg, Allgemein, Politik, Sapere aude | 1 Kommentar