Oberbürgermeister Eckart Würzner stellte gerade den (umfangreichen) „Bericht zur Sozialen Lage in Heidelberg“ der Öffentlichkeit vor. Die letzte Studie zum Thema Armut hatte die Verwaltung 1990 in Auftrag gegeben – der Bericht war also überfällig. Unter Federführung des Amtes für Stadtentwicklung und Statistik hat die Stadtverwaltung ein Jahr lang relevante Daten zusammengetragen und mit Betroffenen gesprochen.
Jetzt liegt der quantitative Teil mit Daten und Schlußfolgerungen vor, der in den kommenden Wochen im Sozialausschuss und im Gemeinderat diskutiert werden soll. Später folgt ein zweiter Band mit Interviews, um die direkten Auswirkungen von Armut auf das Leben zu dokumentieren.
Dazu einige Zahlen: In Heidelberg sind 8,1 Prozent der Einwohner armutsgefährdet, konkret 11.600 Personen, was in etwa der Einwohnerzahl der Altstadt entspricht. Armutsgefährdet ist, wer nur über 60 Prozent des monatlichen Durchschnittseinkommens verfügt. Dieses Durchschnittseinkommen beträgt derzeit 1.427 Euro (netto), 60 Prozent davon sind 895 Euro. Als arm gilt, wer nur über 40 Prozent des Durchschnittseinkommens verfügen kann: 570 Euro.
Dabei schneidet Heidelberg im Vergleich zu anderen baden-württembergischen Städten (z.B. Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe) gut ab: Die Zahl der ALG I und II-Empfänger ist die landesweit niedrigste und bei der Arbeitslosenquote liegt Heidelberg auf dem vierten Platz. „Heidelberg ist kein Brennpunkt, aber man muss sich intensiv mit Armut und Ausgrenzung auseinandersetzen“ betonte Bürgermeister Dr. Joachim Gerner.
Hier die wichtigsten Einzelergebnisse:
- in Heidelberg ist die Belastung durch Wohnkosten enorm hoch, was sich in einer hohen Anzahl von Wohngeld-Empfängern zeigt
- Kinder und Jugendliche sind besonders armutsgefährdet: ein Viertel der etwa 11.000 armutsgefährdeten Personen in Heidelberg sind unter 16 Jahren
- auch die Bildungschancen sind ungleich verteilt. Zwar besuchen Heidelberger Schüler im Landesdurchschnitt am häufigsten das Gymnasium, aber deutsche Schüler erreichen überdurchschnittlich häufig das Abitur.
- besonders benachteiligt sind Ausländer und Alleinerziehende. So haben Alleinerziehende ein höheres Armutsrisiko als Rentner.
- Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich auch in Heidelberg immer weiter.
Trotz dieser Erkenntnisse sei die Lage Heidelbergs im deutschlandweiten Vergleich sehr günstig. Auch habe man bei der Erarbeitung des Berichts keine Handlungsfelder ausgemacht, auf denen bisher nichts getan wurde. Ziel sei es, so Bürgermeister Gerner, das „Instrumentarium zu verbessern und zu verfeinern“. Mit Hilfe des Berichts soll ein Aktionsprogramm zur Bekämpfung der Armut erarbeitet werden, denn Ziel sei es – so Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner – „gleiche Lebens- und Arbeitsbedingungen in der ganzen Stadt“ zu ermöglichen.
Dabei gilt auch in Heidelberg das Baden-Württemberg-Paradoxon: wer Arbeit sucht, findet rasch welche – aber erst ab einer gewissen Qualifikationsstufe. Deshalb gibt es in der Stadt eine hohe Sockelarbeitslosigkeit von Geringqualifizierten. Gerade aber arme Menschen können sich die Teilhabe an Bildung nur schwer leisten, denn zu den Bildungskosten zählen auch Musikunterricht, Sprachföderung und Nachhilfestunden. Gerade bei der Sprachförderung gelte, dass es zu spät sei, wenn die Kinder erst in der Schule gefördert werden. Ansetzen müsse man daher schon in Krabbelgruppen und in den Kindertagesstätten. Das „Würzburger Trainingsprogramm“, das die Sprachfähigkeit von Vorschulkindern fördert, wird derzeit in mehreren Heidelberger Kindertagesstätten und Grundschulen durchgeführt. Die Kinder erhalten dabei eine insgesamt vierjährige Förderung, wobei sich die Jahre je zur Hälfte auf Kindergarten und Schule verteilen.
Auf dem Wohnungsmarkt stellt die GGH schon jetzt die Hälfte der Wohnungen kostengünstig zur Verfügung. Die Familieninitiative Heidelbergs bietet Unterstützung und auch finanzielle Hilfe an. Der Fokus soll in Zukunft auf Familien mit kleinen und mittleren Einkommen liegen, die keine staatliche Unterstützung erhalten, denn – so Oberbürgermeister Würzner – „Wir müssen an das breite Spektrum denken.“
Von unserer Mitarbeiterin Sonja Mohn
Hier können Sie sich den Bericht als PDF-Dokument herunterladen.