Die israelische Gedenkstätte Yad Vashem soll nach eigenem Anspruch zentraler Speicherplatz der Erinnerung an die Shoah sein, ein materielles Gedächtnis, das weltweit alle verfügbaren Quellen zusammenträgt, um die Ermordeten in den Akten des Gedenkens gleichsam beim Namen rufen zu können. Kein Museum also, vielmehr ein «heiliger Ort». Der Bildband «Zeugnisse des Holocaust. Gedenken in Yad Vashem», im Wallstein-Verlag in deutscher Übersetzung erschienen, rekapituliert die Stadien auf dem Weg zum nationalen Gedenkort und bildet seine erinnerungspolitischen Dimensionen ab. Als am 29. Juli 1954 der Grundstein gelegt wird, spricht der Staatspräsident Ben Zwi von dem Ort, «wo die tiefsten Erinnerungen unserer Nation verwahrt liegen».

yad-vashem.jpg«Yad Vashem – Gedenkstätte für Holocaust und Heldentum» – das möchte heute wohl mancher für eine befremdliche, ja anachronistische Fügung halten. Der Historiker Moshe Zuckermann hat eine staatstragende israelische Erinnerungskultur kritisiert, in der das offizielle Gedenken an die wenigen «Helden» der Ghettoaufstände breiten Raum einnehme, während die Trauer um die unzähligen Opfer ins Private abgedrängt werde. «Laßt uns nicht wie Schafe zur Schlachtbank gehen», heißt es auf einem Flugblatt aus dem Ghetto von Wilna. Gerade diese Momente, in der Holocaust-Forschung oft vernachlässigt, sind es, die in Yad Vashem als Präfigurationen der nationalen Selbstbestimmung stark mit Bedeutung aufgeladen werden. Aber der Band zeigt auch, wie gerade die neuen Bauten verstärkt auf die sich wandelnden Bedürfnisse der Generationen ausgerichtet sind. Ihr Herzstück bildet das neue Museum für Holocaust-Geschichte des Architekten Moshe Safdie: ein prismenförmiges Gebäude, das den Hügel durchbohrt und die zentrale Achse des Museums immer tiefer in den Berg hinabführt.

Zeugnisse des Holocaust. Gedenken in Yad Vashem. Hrsg. von Bella Gutterman und Avner Shalev. Wallstein – Verlag, Göttingen 2006.

Okt. 2007 | Allgemein, Sapere aude, Zeitgeschehen | Kommentieren