Im Mai 2004 begründete al-Sarkawis Islamistengruppe eine zynische Terroristen-Mode, als sie ein Video von der Enthauptung des amerikanischen Geschäftsmannes Nicholas Berg ins Internet stellte. Der malaiische Server, von dem der Film herunterzuladen war, mußte zeitweilig wegen Überlastung abgeschaltet werden, denn allein in den USA wurde die grausame Szene häufiger angeklickt als das Paris-Hilton-Sexvideo.
„Enthauptung“ ist eigentlich ein Euphemismus, weil dieses Wort an die relativ humane Hinrichtungsmethode des schnellen Köpfens mit Schwert oder Fallbeil erinnert, die gegenüber anderen, oft rechtsgeschichtlich älteren Strafen wie Kreuzigen, Verbrennen, Hängen, Rädern oder Versenken im Moor geradezu ein Fortschritt war. Nicht umsonst war derartiges Geköpftwerden in Europa lange ein Privileg der höheren Stände.

Berg wurde aber vielmehr der Hals langsam abgeschnitten. Genauso war es schon 2001 dem US-Journalisten Daniel Pearl in Pakistan ergangen – aber auch russischen Soldaten in Tschetschenien, serbischen Gefangenen, die im Balkankrieg internationalen Gotteskriegern in die Hände fielen, oder Tausenden Opfern der GIA im Algerien der Neunzigerjahre – 86 soll damals allein der gelernte Metzger“Mohammed der Zwerg“ in einer einzigen Nacht enthauptet haben. Bei all diesen Menschen war allerdings keine Videokamera dabei. Ihr Tod hatte Ähnlichkeit mit dem Schächten eines Tieres in einer islamischen Metzgerei, und die Terroristen hoben diesen Aspekt hervor, als sie dem Berg-Film den Titel gaben: „Scheich Abu Musab al-Sarkawi schlachtet eigenhändig einen amerikanischen Ungläubigen.“

Selten war wohl der Begriff vom „Theater des Schreckens“, den Richard van Dülmen einst für europäische Hinrichtungsrituale der frühen Neuzeit etablierten, in der Moderne so angebracht wie hier. Denn so wie der ganze politische Islam eine Maskerade ist, bei der viele unterschiedliche aktuelle Motive wie Nationalismus, Armut, Machtgier, Kriminalität, Privatsadismus, Abenteuerlust, Größenwahn in ein historisches Kostüm gekleidet werden, so ist auch die Enthauptung „Ungläubiger“ eine Inszenierung, bei der elektronische Massenpropaganda mit islamischer Tradition verlinkt wird.

Denn es gibt einen besonderen Stellenwert des Köpfens und des Schwerts in Rhetorik, Heraldik und Geschichte des Islams. Wenn der im holländischen Exil lebende ägyptische Religionswissenschaftler Nasr Abu Zayd versucht, zwischen einem Beduinen-Islam, der solche Grausamkeiten hervorbringt, und einem keineswegs immanent brutalen Hauptstrom seiner Religion zu unterscheiden – dann erinnert er in geradezu rührender Weise an jene deutschen Exilanten, die sich selbst und der Welt während der Nazizeit einzureden versuchten, nur eine Minderheit ihrer Landsleute sei Hitler hörig und unterstütze seine Verbrechen.
Dabei finden die Djihadisten ausreichend Koranstellen, die sie im Sinne ihrer Propaganda interpretieren können. Gern wird die Sure 47, Vers 7, zitiert, wo es heißt: „Wenn ihr auf die stoßt, die die ungläubig sind, so haut ihnen auf den Nacken.“ Allerdings schließt sich daran an: „Und wenn ihr sie so überwältigt habt, dann schnüret die Bande fest. Hernach dann entweder Gnade oder Lösegeld, bis der Krieg seine Waffen niederlegt.“
Doch der Prophet Mohammed selbst tat nichts, was die Ansicht unterstützt, man müsse solche Koranstellen als Ermahnung zur Milde verstehen. Die Islamisten selbst berufen sich in ihrem Furor natürlich besonders gern auf die blutige Anekdote von der Niederwerfung des jüdischen Stammes der Quraiza im Jahre 627. Als Mohammeds Truppen die Quraiza, die zu den Gegnern des Propheten in Medina gehörten, überwunden hatten, wurden die 600 bis 900 männlichen Mitglieder des Stammes allesamt geköpft.
So ging es weiter in Nordafrika, Spanien, Asien, überall, wohin sich der Islam ausbreitete:

Dessen Geschichte ist arm an philosophisch-erbaulichen Bekehrungsgeschichten und reich an Eroberungszügen, bei denen die Besiegten schlicht vor die Wahl gestellt werden, sich der siegreichen Religion anzuschließen oder ihre Häupter zu büßen. Bezeichnenderweise führt ausgerechnet Saudi-Arabien, das Heimatland Bin Ladens und die unerschöpflich sprudelnde Geldquelle aller Haßprediger und Terroristen, das Schwert in seiner Landesflagge.
Natürlich sind solche symbolischen Schwerter genauso wenig eine islamische Erfindung, wie es die Hinrichtungsmethode des Köpfens ist. In Rom wurde es in der Kaiserzeit als Höchststrafe für römische Bürger eingeführt – die klassische Methode im alten Stadtstaat war gewesen, den Delinquenten vom tarpejischen Felsen zu stürzen. Bei den Germanen gab es seit uralter Zeit auch die Strafe des Kopfabpflügens für denjenigen, der auf dem Felde einen Grenzstein versetzt hatte. Im Gegensatz dazu war man bis 1945 in Deutschland geradezu stolz darauf, Verurteilte mit dem relativ humanen Fallbeil hinzurichten – anders als in England oder Österreich, wo Erhängen üblich war, oder gar in Spanien, wo noch in den Siebzigerjahren Menschen mit der Garotte langsam erdrosselt wurden.
Doch in Europa haben die Aufklärung und die Erfahrung mit dem Mißbrauch der Todesstrafe durch Diktaturen dazu geführt, daß solche archaischen Methoden abgeschafft wurden wurden. Deshalb konnten al-Sarkawi und seine Nachahmer mit einem besonders heftigen Entsetzenseffekt kalkulieren, wenn sie ihr Theater der Grausamkeit aufführten.
Die Drehbuch-Ideen für ihre Gewaltvideos entnahmen sie keineswegs nur islamischen Quellen – diese Bärtigen, die man sich keineswegs als medienentwöhnte Hinterwäldler vorstellen darf, hatten gewiß auch die Kinotraditionen des Schwertkampfes verinnerlicht. Bollywood-Epen (die im arabischen Raum sehr verbreitet sind), Bruce-Lee-Gemetzel und westliche Filme von „Star Wars“ bis „Kill Bill“ – das alles waren a u c h ihre Vorbilder.

Wenn ein Schlachtermesser in den islamistischen Snuff-Videos als Requisit für das mythologische Schwert steht, dann ist das einerseits ein Wahn, andererseits hat es doch Methode: Den „Ungläubigen“ – das sind im innerirakischen Bruderkrieg mittlerweile auch die jeweils anderen, die Schiiten oder Sunniten – wird die Botschaft übermittelt, daß sie nicht mal mit der Gnade eines schnellen Todes rechnen dürfen. Und den Glaubensgenossen signalisiert man, daß die Feinde des Islam Tiere sind, die man abschlachtet wie Ziegen.
Der Koran-Interpret Nasr Abu Zayd hat schon vor drei Jahren darauf hingewiesen, daß die Videobotschaften der bärtigen Schlächter in den arabischen Ländern mit gemischten Gefühlen betrachtet werden: „Die Menschen fürchten, daß die Scharfrichter eines Tages nach Hause zurückkehren und dort daßelbe mit den eigenen Leuten machen.“ Die Furcht war berechtigt, das beweisen nicht nur häufige Leichenfunde. Tatsächlich sind den islamistischen Klingen im talibanischen Afghanistan, im wahabitischen Saudi-Arabien, im Jemen, in Katar und überall sonst, wo die Scharia das Recht setzt, weitaus mehr Muslime zum Opfer gefallen sind als „Ungläubige“. Inschalla … got

Sep. 2007 | Allgemein | Kommentieren