kreuz.jpg CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla ist mit seinem Vorstoß für Kruzifixe in allen deutschen Schulen auf Kritik und Protest gestoßen. Im Fach Populismus hat er sich damit aber erneut eine Einser-Benotung ergattert: „Als Partei, die das Christliche im Namen trägt, wollen wir, daß das Bekenntnis zum Christentum im öffentlichen Raum erhalten bleibt“, forderte der Merkel-Vertraute, und folgt damit der Stimme eines Herrn, der (ein letztes mal in seiner Eigenschaft als bayerischer Ministerpräsident) am Aschermittwoch noch mal mit der populistischen Schleuder geschossen hat:

Daß die Türkei nichts in der Europäischen Union verloren hat, wußte Stoiber im Bierzelt ebenso unter die Beifall gröhlenden CSUler zu bringen, wie – da möcht man ja seiner Meinung sein – daß hierzulande nicht die Scharia gelte, sondern das Grundgesetz. Auch mit seiner Forderung, daß in Bayerns Schul- und Amtsstuben das Kruzifix wieder hängen müsse, versuchte er mit einigem am Bravo -Geschrei seiner Anhänger zu messenden Beifall unter die Leute zu bringen. Worum ging es Stoiber dabei, worum geht es Pofalla? Schauen wir doch mal rein, in dieses Theater:

Sapere aude, das Kreuz mit dem von Pofalla und Genossen gerade wieder aufgewärmten Kreuz mit dem Kreuz, der Kruzifix-Streit, flammt gerade wieder auf. (Aktenzeichen: 1 Bundesverfassungsgericht 1604/97, 1615/97 und1659/97).

Erinnern wir uns: Wir meinen, diese widerwärtig-heuchlerische Kampagne konservativer Politiker und Kirchenfunktionäre gegen gesunden Menschenverstand und das Bundesverfassungsgericht warf bereits nach dem BVG-Urteil ein derart bezeichnendes Licht auf die intolerante Geisteshaltung dieser gesellschaftlich einflußreichen Gruppierung, daß wir es aufgreifen wollen. Hat sich doch damals der oberste katholische Kirchenfürst Bayerns, Kardinal Wetter, sogar zu einem Vergleich zwischen der Gerichtsentscheidung und der Kirchenpolitik der Nationalsozialisten verstiegen. Damit war Wetter nicht nur wider besseres Wissen infam, er beliebt auch so zu tun, als habe er (wir nicht) das durchaus gute Einvernehmen zwischen Hitler und dem Vatikan vergessen (der Evangelischen Kirche – trotz Hermann Maas und anderer heute wieder als Feigenblatt benutzten mutigen Christen – sei bei dieser Gelegenheit freilich auch gedacht). Vergessen haben alle Stoiber, Wetter und Pofallas offenbar nur allzugern auch, daß die Katholische Kirche bis heute auf der Gültigkeit des 1933 geschlossenen Reichskonkordats besteht, das als einziges völkerrechtliches Abkommen der Nationalsozialisten bis heute Gültigkeit hat.

Gesundes Volksempfinden versus gesunden Menschenverstand?

Bei allem Theater-  Kanzel- und Aschermittwochs-, Theater- und Kanzeldonnerdonner wäre es aber völlig (und erfreulicherweise) verfehlt, von einer überwiegenden oder gar einhelligen Kritik an der richtigen und ausgewogenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu sprechen. Jedoch müssen all jene, die sich der Verblödungsmechanismen von Stoibers, Pofallas und von Gottes Bodenpersonal (was würde wohl der Nazarener zu alledem sagen?) bislang entledigt haben, ihre Positionen noch deutlicher machen, um der formierten Kreuzzugs-Liga Paroli zu bieten. Auch die Drohungen des bundesrepublikanischen Berlusconi gegen einen unbotmäßigen Chefredakteur seines Meinungskonzerns konnte damals schon die tiefe gesellschaftliche Akzeptanz des Verfassungsprinzips der Trennung von Staat und Kirche nicht verdecken.

Mord & Totschlag & christliche Toleranz

Mit scheinheiligem und scheindemokratischem Argument des angeblichen Mehrheitswillens werden schon wieder von einem Politiker (warten wir nur kurze Zeit, dann steht auch „die“ Kirche wieder fest geschlossen hinter (für diesmal) Pofallas Forderung, die diejenigen diffamiert und ausgrenzt, die nichts anderes wollen, als daß sich Schulbehörden an die Verfassung halten und den Spruch derjenigen Instanz respektieren, die allein zu ihrer authentischen Auslegung befugt ist.
Dies in deren Köpfe: „Der Allmächtige beugt das Recht nicht“ (Hiob, 34,12).

Polemisch wird von der angeblichen Unterdrückung der Mehrheit durch die Minderheit gesprochen, wird die Wahrnehmung von Grundrechten als verwerfliche Intoleranz bezeichnet. Ganz gezielt heizt Pofalla schon wieder Stimmung auf, um einzuschüchtern und abzuschrecken, dabei wird so getan, als habe der Richterspruch das Kruzifix generell aus den Schulen verbannt, es kommt (was Wunder) in Politikerreden und Kanzelpredigten nicht vor, daß Kreuze künftig lediglich nicht (wie in Bayern gehabt) per Gesetz in Schulen hängen müssen. Und das ist unlauter. Aber die Akteure auf Podien und Kanzeln wissen das! Konsequenzen zeigen sich längst; das ist die aufgegangene Saat „christlicher“ Toleranz – auch dieser Schoß ist fruchtbar noch …

Geltung der Grundrechte

Geifernde Polemiken und Drohungen, weiland die Tiraden von Ministerpräsident Stoiber, dem rechtspolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion Norbert Greis und anderen CSU-Führern gegen das Bundesverfassungsgericht haben damals immer mehr die Formen eines Generalangriffs auf die verfassungsmäßige Ordnung des Grundgesetzes angenommen.

klassenzimmerkreuz.jpg Mit der Ankündigung des Generalsekretärs Ronald Pofallas, auf „Appelle zu reagieren,das konservative Profil der Union zu schärfen“ – und so den Beschluß des Gerichtes zu mißachten, wird einmal mehr ein gezielter und gewollter Verfassungsbruch versucht, neuerlich ist anzunehmen, daß mit der damaligen Kammerentscheidung der Kruzifix-Streit auf höchtsrichterlicher Eben noch lange nicht zu den Akten gelegt sein wird.

Hier sollten sich alle demokratischen und rechtsstaatlichen Kräfte in die Pflicht nehmen, entschlossen für das Grundgesetz einzutreten. Geht es doch längst auch hier nicht mehr nur um das Für und Wider der Anbringung von Kruzifixen in Klassen- und Amtsstuben; mittlerweile geht es um den Erhalt der freiheitlichen und liberalen Verfassung und um die Geltung der Grundrechte, es geht um ihre Verbindlichkeit für alle staatlichen Organe. Es ist nämlich die Basis für die Geltungskraft aller Organe in großer Gefahr; der Schutz von Minderheiten vor staatlichen Übergriffen, das zentrale Anliegen des Grundrechtskatalogs schlechthin, soll unter einer Dunstglocke populistischer Volkstümelei verschwinden.

Populisten bleiben sich treu

Die CSU war bereits damals mit tatkräftiger Unterstützung rechtskonservativer Politiker aus ihrer Schwesterpartei dabei, den Verfassungskonsens aufzukündigen. Dabei knüpft Bayern an die Tradition des Jahres 1949 an, als die CSU-Mehrheit im Landtag für die Ablehnung des Grundgesetzes stimmte. Hier offenbarte sich ein klebrig-taktisches Verhältnis der deutschen Rechten zur Verfassung. Es war schließlich mehr als eine ungeheuerliche Entgleisung, wenn oberste Kirchenfunktionäre offen Vergleiche zwischen dem Bundesverfassungsgericht und der Zeit des Nationalsozialismus predigten. Stoiber und sein bischöflicher Adlatus Wetter verfolgten ebenso, wie heute Pofalla und sich ihm anschließende fundamentalistische Christenmenschen außerhalb Bayerns, so offensichtlich wie ungeniert die Vision einer monokulturellen Gesellschaft mit einer Staatsreligion als ideologischem Überbau, es wird schon wieder versucht, die Zeiten vor der Aufklärung hervorzubeten, innerhalb welcher durch staatlichen Zwang Einheit über Einheitlichkeit erzwungen werden will. Wehret den Anfängen!

Urteil zum Schutz der Religionsfreiheit

Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes ist zu guter Letzt auch ganz wirklich ein Beitrag zum Schutz der Religionsfreiheit. Im Gegensatz zur Mehrheitsmeinung der Bischöfe beider Konfessionen nämlich will das Grundgesetz eben nicht, daß sich ausschließlich die beiden christlichen Großkirchen ungeniert staatlicher Institutionen bemächtigen dürfen. Die Pflicht des Staates ist es vielmehr, allen hier lebenden Menschen Feiraum zu sichern, in dem sie sich in ihren unterschiedllichen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen frei entfalten können. Es zeugt von einem mehr denn verqueren Grundrechtsverständnis, diese Schutzaufgabe des Staates in eine Verpflichtung umzumünzen, durch hoheitliches Handeln eine bestimmte Religion faktisch zur Staatsreligion zu machen. Das Gericht stellt in seiner Begründung überzeugend fest, daß religiöse Gemeinschaften grundsätzlich keinen Anspruch darauf haben, ihre Glaubensüberzeugungen mit staatlicher Unterstützung Ausdruck zu verleihen.

Allianz von Thron und Altar?

Der damalige Vorwurf der Intoleranz gegen das Gericht und die klageführenden Eltern gegen zwangsweise in Klassenzimmern gehängte Kruzifixe wendet sich letztlich gegen die Initiatoren der Kampagne. Der Verzicht auf ein Kreuz im Schulzimmer hindert niemanden an der religiösen Erziehung seiner Kinder, verhindert aber die Ausgrenzung jener Kinder, die das Kreuz nicht als Symbol ihrer weltanschaulichen oder religiösen Überzeugungen anzuerkennen vermögen. Toleranz in einem so sensiblen Raum wie der Schule heißt allemal auch gegenseitige Rücksichtnahme und kein Beharren auf vor-pluralistischen Traditionen aus den Zeiten der Allianz von Thron und Altar.

Demokraten an die Front

Angesichts populistischer Umtriebe von Pofalla und anderen sind die Fraktionen des Bundestages und die Länder gefordert, den Pofallas unmißverständlich klarzumachen, daß das Grundgesetz noch immer gilt. Sollte Pofalla (Bläsest du auf einen Funken, so brennt er – Sir, 28,12) seine Drohung des offenen Verfassungsbruches wahrmachen, müssen die verfassungstreuen Regierungen der Bundesländer und die parlamentarische Opposition im Bundestag eine abstrakte Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht erheben. Dies Verfahren könnte durch einen Eilantrag so beschleunigt werden, daß nicht Jahre ins Land gehen müssen, in denen sich ein verfassungswidriger Zustand verfestigt. Hier geht es um die Grundrechte der Verfassung insgesamt, deshalb könnten sich – hofft und empfielt Jürgen Gottschling – auch diejenigen ihrer Verantwortung für die Verfassung besinnen, die zur Kruzifix-Entscheidung ein nicht ungebrochenes Verhältnis hatten und haben.

Sep. 2007 | Allgemein | Kommentieren