Zum 300. Todestag des Komponisten Dietrich Buxtehude am 9. Mai gibt Peter Schumann um 20.00 Uhr in der Heidelberger Peterskirche ein Orgelkonzert mit Werken von Buxtehude. Schumanns Auswahl will aufzeigen, wie unterschiedlich Buxtehude komponierte und bei dieser Gelegenheit auch dessen Schüler Nikolaus Bruhns mit einem seiner Werke vorstellen. Natürlich, was Wunder, wenn Peter Schumann so etwas macht, blendet er die Moderne nicht aus. So bringt er eine Hommage an Buxtehude des 1929 in Prag geborenen Petr Eben zu Gehör, der ein Buxtehudesches Thema aufgreift und bearbeitet.

Zum 300. Todestag desd Komponisten sind nun auch die ersten Teile einer Gesamtaufnahme seiner Werke erschienen. Der Organist und Dirigent Ton Koopman wird in den kommenden fünf Jahren auf seinem Label Antoine Marchand sämtliche Werke Buxtehudes einspielen. Der Komponist, der in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts an der Lübecker Marienkirche gewirkt hat, wird damit diskographisch erstmals in seiner ganzen Vielseitigkeit und Originalität gewürdigt. Das ist umso bemerkenswerter, als Buxtehude bisher fast ausschließlich als norddeutsche Orgelkoryphäe und Figur des stilistischen Übergangs zwischen deutschem Früh- und Hochbarock, zwischen Heinrich Schütz und Johann Sebastian Bach, wahrgenommen wurde.
Koopman hat seine Gesamtaufnahme denn auch mit Buxtehudes Werken für Cembalo begonnen, die so gut wie unbekannt sind. Die Suiten und Variationenwerke bieten dem Cembalisten reichlich Gelegenheit zum Verzieren und Improvisieren. Nicht umsonst werden Buxtehudes Instrumentalwerke wegen ihrer unorthodoxen Harmonik und sprunghaften Phantasie dem barocken «Stylus phantasticus» zugerechnet. Das trifft sich mit Koopmans quirligem Temperament. Er klöppelt mit den Tönen keine feinen Spitzengewebe, sondern würzt den dynamisch vorwärtsdrängenden Spielfluss mit kräftigen Akzenten. «La Capricciosa» lautet der Titel von Buxtehudes 32-sätzigem Variationenwerk, das in seiner vielgestaltigen Anlage an Bachs «Goldberg-Variationen» erinnert. Koopman erhebt das Kapriziöse, aber auch das Innovative zum Programm. Angesichts des französischen Einschlags in Buxtehudes Clavier-Suiten wären allerdings noch etwas mehr Raffinement und Nuancenreichtum im Anschlag denkbar.
Der zweite Markstein in Koopmans «Opera Omnia»-Reihe ist das Buxtehude mit einigen Zweifeln zugeschriebene Oratorium «Wacht! Euch zum Streit gefasset macht». Das ohne Verfasserangabe überlieferte Stück wurde erst in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts unter dem modernen Titel «Das jüngste Gericht» veröffentlicht, die Qualität der Musik wirkt zum Teil recht uneinheitlich. Koopmans Amsterdam Baroque Orchestra & Choir musizieren in raschem Tempo, bewältigen so auch gewisse Längen im Stück mit Charme und richten den Fokus auf die großartigen Passagen: die dramatischen Chöre, die den Sündern die mahnenden Worte expressiv entgegenschleudern.
Überhaupt zeigt der Vokalkomponist Buxtehude wenig Neigung zu nordischer Herbheit, sondern läßt sich vielmehr von italienischen Vorbildern beeinflussen. Sein Kantatenzyklus «Membra Jesu Nostri» klingt stellenweise so, als habe er die italienische Madrigalkunst rezipiert. Der «Membra»-Zyklus liegt gleich in drei bemerkenswerten neueren Einspielungen vor: Das Ensemble Cantus Cölln mit dem Dirigenten Konrad Junghänel entfaltet in dem Werk pure, schimmernde Gesanglichkeit, bleibt aber im Ausdruck etwas zurückhaltend. Zu mehr Italianità und Intensität finden The Netherlands Bach Society und der Dirigent Jos van Veldhoven: mit einem prägnanten Zugriff, der von Liebe zum Detail geprägt ist. Gestalterisch makellos, mit wunderbar fließenden Tempi dirigiert René Jacobs den Passionszyklus in einer sängerisch hochkarätigen Aufführung der Basler Schola Cantorum, die nun als DVD erschienen ist. daß so viele namhafte Dirigenten und Ensembles im Gedenkjahr eine Lanze für Buxtehude brechen, läßt auf eine weitere Renaissance seiner Werke hoffen.

Hörenswert:

Dietrich Buxtehude: Membra Jesu Nostri. – Cantus Cölln, Leitung: Konrad Junghänel. Harmonia Mundi 901912 (1 CD). – The Netherlands Bach Society, Leitung: Jos van Veldhoven. Channel Classics 24006 (1 CD). – Ensemble der Schola Cantorum Basiliensis, Leitung: René Jacobs. Harmonia Mundi 9909006 (1 DVD).
Opera Omnia I: Cembalowerke 1. Ton Koopman. Challenge Records 72240 (2 CD). – Opera Omnia II: Wacht! Euch zum Streit gefasset macht (Das jüngste Gericht). The Amsterdam Baroque Orchestra & Choir, Leitung: Ton Koopman. Challenge Records 72241 (2 CD).

Mai 2007 | Allgemein | Kommentieren