Die Neue Rundschau kritisiert das Vorhaben des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF), ein islamisches „Wort zum Freitag“ als Pendant zum christlichen „Wort zum Sonntag“ in sein aus Gebühren finanziertes Programm aufzunehmen, und fordert, die Bevorzugung von Religionsgemeinschaften in den öffentlich-rechtlichen Medien zu beenden.

Wir erklären hierzu:

Aus neutraler Perspektive betrachtet stellt das öffentlich-rechtliche Fernsehen den Kirchen, z. B. mit dem „Wort zum Sonntag“, kostenlose Werbezeit zur Verfügung. Obgleich die Kosten für derartige Sendungen von allen Gebührenzahlern getragen werden, liegt die inhaltliche Verantwortung allein bei kirchlich Beauftragten – von der Konzeption bis zur Realisierung. Mithin handelt es sich hierbei um parteiliche
Darstellungen vor dem Hintergrund des jeweiligen kirchenchristlichen Bekenntnisses sowie kirchenpolitischer Erwägungen.

Ausgerechnet diese christliche Kirchenlobbyredaktion des ZDF soll nun das „Wort zum Freitag“ „als ein weiteres Element der Auseinandersetzung mit dem Islam“ gestalten. Da wäre es nur recht, wenn demnächst im Gegenzug ein Imam das „Wort zum Sonntag“ spricht. Abgesehen davon bezweifeln wir stark die Glaubwürdigkeit respektive die Relevanz eines solchen Formats bei Bürgern moslemischen Glaubens und damit den Erfolg der unterstellten „guten Absichten“ der christlichen Initiatoren eines
nur vermeintlich islamischen „Worts zum Freitag“.

Wenn die christlichen Kirchen bestimmte Vorrechte genießen, so sind diese Privilegien im Sinne der Gleichbehandlung auch anderen Religionen oder Weltanschauungen – vom Islam über die Zeugen Jehovas bis zu Scientology und natürlich der veritanischen Akademie (siehe nächster Beitrag) – einzuräumen. Insbesondere die inzwischen größte gesellschaftliche Gruppe, die Konfessionslosen, ist bislang überhaupt
nicht entsprechend vertreten. Bevor allerdings auch noch der „Zentralverband der Regentanzschamanen“ seine öffentlich finanzierte Werbeplattform erhält, sollten besser endlich sämtliche derartige Vorzugsbehandlungen abgeschafft werden. Die redaktionelle Beschäftigungmit Weltanschauungen sollte allein nach journalistischen Gesichtspunkten stattfinden.

Die bestehenden Strukturen sind ein Relikt der 50er Jahre, als über 90 Prozent der Bevölkerung Kirchenmitglieder waren. Der gesellschaftliche Wandel hin zu weltanschaulicher Pluralität und weg von dogmatischer Religion kann auch an ARD und ZDF nicht länger vorbeigehen. Das Gebot
der weltanschaulichen Neutralität muß künftig überall im öffentlich-rechtlichen Raum gelten. Diese ist nur zu gewährleisten, wenn man Sendevorrechte in öffentlich-rechtlichen Medien generell abschafft – zumal alle größeren Religionsgemeinschaften bereits ausreichend übereigene oder ihnen inhaltlich sehr nahestehende Publikationsorgane (TV, Radio, Presse und Internet) verfügen. got

Feb. 2007 | Allgemein, Feuilleton, Kirche & Bodenpersonal | Kommentieren