Kaum je haben die Menschen sich mit der Erde als dem ihnen zugehörigen Aufenthaltsort begnügt. Schon vor dem Satelliten «Sputnik» , mit dem die Sowjetrussen am 4. Oktober 1957 den Westen in Aufregung versetzt hatten, haben die Menschen davon geträumt, ihre irdische Basis zu verlassen. Die entsprechenden Herangehensweisen waren zuvor freilich fiktionaler Natur, auch wenn die Vokabel «Science-Fiction» etwa im 17. Jahrhundert noch nicht existierte. Just 1656 nämlich hatte der deutsche Jesuit und Universalgelehrte Athanasius Kircher ein ganz eigenwilliges Buch auf den irdischen Kreislauf geschickt: Der Titel verspricht nichts weniger als eine «Ekstatische Wegbeschreibung»; das Buch selbst berichtet von den Erlebnissen der beiden Figuren Cosmiel und Theodidactus auf ihrem Weg durch das Universum. Ein Titelkupfer zeigt die beiden frühen Weltraumreisenden am Rand der Erde, wie sie eben ihre bis anhin vertraute Unterlage, mit Fernrohr, Vermessungszirkel und Armillarsphäre bewaffnet, verlassen. Kircher widmete das Werk der zum Katholizismus konvertierten Königin Christine von Schweden. Inhaltlich aber nutzt er ausgiebig die Gelegenheit, die kosmologischen, theologischen und physikalischen Debatten, welche sich mit den neuen Entdeckungen ergeben hatten, auf seine Weise zu thematisieren. Wie hat die Auseinandersetzung um die kopernikanische Weltsicht das Werk beeinflußt? Inwiefern ist Kircher der Spiegel – oder der Verlierer – der wissenschaftlichen Kontroversen seiner Zeit? Harald Siebert rekonstruiert in seiner Studie die Entstehungsgeschichte dieses eigenwilligen Werks.
Harald Siebert: Die grosse kosmologische Kontroverse. Rekonstruktionsversuch anhand des Itinerarium exstaticum von Athanasius Kircher SJ (1602–1680). Franz-Steiner-Verlag, Stuttgart 2006. 383 S.
Jan. 2007 | Allgemein | Kommentieren