Papst Benedikt XVI.Die Türkei reagiert mit Gleichgültigkeit, Ablehnung und Protest auf den Papst-Besuch. Der Dialog zwischen Islam und Christentum wird zum Brennpunkt des öffentlichen Interesses, weniger die Ostkirche. Doch der Brückenbau hat begonnen.
Papst Benedikt XVI. besucht die Türkei. Es wird allen Erwartungen nach die voraussichtlich schwierigste Reise seiner Amtszeit. In Istanbul antworteten am vergangenen Wochenende etwa 20 000 Moslems mit einer Protestdemonstration auf den herannahenden Besuch des Pontifex. Vorwiegend junge Menschen zogen trommelnd und ihre Nationalfahne schwenkend durch die Straßen. Auf dem Kopf trugen sie Stirnbänder mit islamischen Slogans. Unter dem Motto „Gegen die Allianz der Kreuzfahrer“ hatte die islamische Saadet-Partei zu den Kundgebungen aufgerufen.

Papstattentäter warnt Benedikt

Ausgerechnet Mehmet Ali Agca, der 1981 ein Attentat auf Papst Johannes Paul verübte und ihn schwer verletzte, riet Papst Benedikt von dem Besuch ab. Mit der Drohung, er werde den Papst erwürgen, gab ein Mann Anfang des Monats Schüsse vor dem italienischen Konsulat ab.
Doch die Türkei, die ihre moderne Einstellung zu zeigen versuchen will oder muß, angesichts der EU-Beitrittsverhandlungen, setzt alle Hebel in Bewegung um einen reibungslosen Ablauf des viertägigen Papstbesuches zu garantieren. Eine regelrechte Armee wird deshalb jeden Schritt des Papstes begleiten. Scharfschützen, Bereitschaftspolizei, Anti-Terror- und Sprengstoffexperten stehen zum Schutz des Pontifex bereit. Selbst der Luftraum wird mit Polizeihubschraubern über Istanbul, Ankara und Izmir kontrolliert. Spezialboote des türkischen Militärs werden den Bosporus absichern.

15 Minuten für den Papst

Kurienkardinal Walter Kasper äußerte sich vergangene Woche zur Türkeireise des Papstes. Er sprach auch vom EU-Beitritt der Türkei und bezeichnete die mangelnde Religionsfreiheit als größtes Problem in den Verhandlungen. Auch die Zypernfrage bleibt nach wie vor ungeklärt. Die Türkei weigert sich weiterhin Häfen und Flughäfen für Zypern zu öffnen.
Von politischer Seite wird der Papst eher unterkühlt empfangen werden. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat sich zwar kurzfristig doch noch für ein Treffen mit dem Pontifex entschieden. Es soll allerdings auf dem Flughafen stattfinden und auch nur einen Viertelstunden dauern, berichtete das staatliche italienische Fernsehen unter Berufung auf Informationen aus Istanbul. Der Ministerpräsident wird anschließend zum NATO-Gipfel nach Riga fliegen.
„Wir werden uns natürlich gastfreundlich erweisen“
Der türkische Außenminister Abdullah Gül äußerte seine Hoffnung, daß der Besuch des Papstes dazu beitragen werde, die Mißverständnisse zwischen Muslimen und Christen zu beenden. „Wir werden uns natürlich gastfreundlich erweisen,“ betonte Gül. Diese Missverständnisse wurden vor nicht allzu langer Zeit erheblich geschürt. Bei seinem Besuch in Deutschland hielt der Papst an der Universität Regensburg am zwölften September eine Vorlesung, die vor allem islamische Gemüter erhitzte.

papsthalle.jpg Es war eine Rede über Glauben und Vernunft. Darin zitierte er einen byzantinischen Kaiser, der mit einem gebildeten Perser einen Dialog über den Islam und das Christentum führte.
„Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, daß er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten“.

„Kreuzfahrermentalität“

Eine Welle des Protestes kam in Gang. „Kreuzfahrermentalität“ und Beleidigung des Islams warf man dem Papst vor. In der Türkei waren Stimmen für einen Absage des Papstbesuches laut geworden. In vielen muslimischen Staaten kam es zu Demonstrationen und sogar Anschlagsdrohungen gegen den Papst tauchten im Internet auf. Der Pontifex sprach fünf Tage nach der folgenschweren Rede sein Bedauern im Fernsehen aus.
Eigentlich sollte die Türkeireise des Papstes vorwiegend dem Dialog mit der orthodoxen Kirche dienen. Papst Benedikt möchte am Donnerstag gemeinsam mit dem Patriarchen Bartholomäus I das Fest des Heiligen Apostels Andreas feiern. Bis heute gab es noch keine Aussöhnung zwischen Ost- und Westkirche. Die Konflikte kulminierten 1054 im Morgenländischen Schisma, der Trennung der römisch-katholischen und östlich-orthodoxen Kirche, als sich Papst Leo IX und der damalige Patriarch gegenseitig exkommunizierten. Entscheidend für den Bruch waren aber weniger theologische Unstimmigkeiten sondern vielmehr kirchenpolitische Faktoren.

Die orthodoxe Kirche mit ins Boot

Die Annäherung an die Ostkirche versteht Walter Kasper als wichtigen Teil des Generalplans des Vatikans zur Rüstung des gesamten Christentums für die Zukunft. „Die Integration Ost- und Westeuropas kann nur gelingen, wenn man die orthodoxen Kirchen ins Boot bekommt“, sagte Kasper. Es gehe um die Stärkung des Christentums, das durch Säkularisierung und Islam bedroht sei.
Papst Benedikt plant den Besuch der im sechsten Jahrhundert erbauten Hagia Sofia, der Hauptkirche des byzantinischen Reiches. Nach der osmanischen Eroberung 1453 wurde sie in einen Moschee umgewandelt und blieb bis 1932 als solche bestehen. Der erste Präsident der Republik Türkei machte die Hagia Sofia zu einem Museum. „Die Hagia Sophia ist eine Moschee und soll es bleiben“, so reagierten einige Demonstranten auf den Besuch des Papstes in der ehemaligen orthodoxen Kirche.

Papst bekundet Freunschaft

Der Pontifex möchte erstmals auch eine Moschee besuchen. Es handelt sich um die bekannte Sultan-Ahmed-Moschee in Istambul, die sogenannte „Blaue Moschee“. Er sparte im Vorfeld seiner Reise auch nicht mit Freundschaftsbekundungen an die Türkei und sprach von „dem lieben türkischen Volk“. Außerdem würdigte er die Geschichte und Kultur des Landes.

Ein reibungsloser Ablauf ist für beide Seiten von Interesse. Schließlich befindet sich die Türkei gerade in den EU-Beitrittsverhandlungen. Zwischenfälle dürften sich wohl kaum positiv auf die Verhandlungen auswirken. Der Papst könnte aus einem gelungenen Treffen mit dem Patriarchen Bartholomäus I auf eine eventuelle Annäherung an die Russisch Orthodoxe Kirche hoffen. Und, wenn es auch noch so egal wäre: Der Westen könnte hoffen, was für den Irak bereits unter Saddam Hussein längst zur Selbstverständlichkeit geworden war: Religionsfreiheit. got

Nov 2006 | Allgemein, Kirche & Bodenpersonal, Zeitgeschehen | Kommentieren