Wer künftig seine Wohnung nicht an einen Ausländer vermietet, wird möglicherweise vor Gericht nachweisen müssen, daß er den Interessenten ablehnte, weil ihm dessen Einkommen zu gering schien, nicht aber, weil ihm die Nationalität nicht paßte. Und wer einen Muslim nicht einstellt, wird überzeugend darlegen müssen, daß ein anderer Bewerber einfach die bessere Qualifikation mitbrachte. Derartige Streitfragen drohen aus dem Antidiskriminierungsgesetz zu entstehen, auf das Wirtschaftsverbände alarmiert reagieren. „Die Regelung greift massiv in die grundgesetzlich geschützte Vertragsfreiheit ein“, warnt Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW) im Rundschaugespräch.
Das Gesetz übernimmt EU-Bestimmungen in das nationale Recht, geht aber deutlich über die Vorgaben aus Brüssel hinaus. So untersagen die EU-Richtlinien eine Diskriminierung aufgrund von Rasse und ethnischer Herkunft. Das deutsche Antidiskriminierungsgesetz (ADG), das federführend vom Bundesfamilienministerium betreut wird, enthält sechs weitere Merkmale, nämlich Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter, sexuelle Ausrichtung und Geschlecht.
Nicht alle sind dafür
In der Koalition ist die Begeisterung über das Gesetz durchaus unterschiedlich ausgeprägt. Der linke Flügel der SPD und vor allem die Grünen setzen sich leidenschaftlich dafür ein. Bundesinnenminister Otto Schily, Justizministerin Brigitte Zypries und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (alle SPD) gelten als Gegner der Initiative, die aus Sicht ihrer Ressorts zu Überregulierung führen wird.
Die Grünen mal wieder …
Die endgültige Fassung trägt eindeutig die Handschrift der Grünen. Im zivilrechtlichen Teil lassen sich immerhin gewisse Einschränkungen der Normierungswut feststellen. So heißt es im Paragraphen 20, die erweitere Form des ADG gelte für das „Massengeschäft“, also nicht für den individuellen Vertrag zwischen Privatpersonen. Für den Vermieter würde das in der Konsequenz dazu führen, daß er seine Wohnung einem Türken nicht vorenthalten darf (weil dessen Rechte durch die EU-Vorgaben gestützt werden), wohl aber einem Homosexuellen. Ob Wohnungsbaugesellschaften „Massengeschäfte“ abschließen, war umstritten.
Das Ziel des Verbotes jedweder Diskriminierung klingt begrüßenswert, dürfte sich nach Ansicht von Rechtsexperten aber zu einem Fiasko entwickeln, von dem am Ende nur Rechtsanwälte profitieren. Vor Gericht wird ein Geschäftsmann im Zweifel mit einer Lüge „nachweisen“ können, er habe von einem Geschäft aus sachlichen Gründen abgesehen, und nicht, weil der verhinderte Vertragspartner einer der genannten Personengruppen angehört. Doch ein großes Maß an Unsicherheit kommt vor allem auf Arbeitgeber in jedem Fall zu. Denn wer zu einer der genannten Personengruppen gehört und „eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde“, darf klagen, wenn er sich etwa bei Einstellungen oder Beförderungen übergangen wähnt. Wie aber wird eine „vergleichbare Situation“ definiert?
Klagen dürfen nicht nur die direkt Betroffenen, sondern „an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände, die nach ihrer Satzung die Interessen von Personen“, die den genannten Gruppen angehören, „vertreten und nicht selbst am Prozeß beteiligt sind“. So steht durchaus zu erwarten, daß etliche Vereine und Initiativen aus diesem Feld einen neuen Nachweis ihrer Existenznotwendigkeit suchen werden. Einschränkend heißt es: „Das Verbot unterschiedlicher Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung berührt nicht die nach anderen Rechtsvorschriften bestehende Berechtigung der (…) Religionsgesellschaften oder Weltanschauungsvereinigungen, von ihren Beschäftigten ein loyales und aufrichtiges Verhalten im Sinne ihres jeweiligen Selbstverständnisses verlangen zu können.“ Auch hier werden möglicherweise Richter urteilen müssen, ob damit dem Vorstand einer Moschee gestattet wird, einen christlichen Verwalter abzulehnen, solange dieser seinen Glauben für sich behält und dem potentiellen Arbeitgeber Loyalität verspricht. Und, vice versa, ob ein katholischer Kindergarten eine atheistische Kindergärtnerin einstellen muß. „Positive Diskriminierungen“ sind „zulässig, wenn ein wichtiges Grund vorliegt“. Das schützt, immerhin, feministische Buchhandlungen vor männlichen Bibliophilen. Und Frauenparkplätze.
Jürgen Gottschling