Das Wintersemester an den deutschen Hochschulen beginnt, alsbald rückt nun auch die Bildungspolitik wieder näher ins Zentrum des öffentlichen Interesses. Und – nota bene – daß wir, wäre es gewesen, wie die RNZ berichtete – Heidelbergs Alma Mater Eliteuni geworden gewesen (ups) wäre.
Die Auseinandersetzungen werden aller Voraussicht nach noch einmal an Schärfe zunehmen, denn während der Sommerpause haben sich die umstrittensten Themen keineswegs erledigt. Einige Universitäten und Fachhochschulen erheben bereits ab dem kommenden Semester Studiengebühren in Höhe von bis zu 500 €. Vielerorts formiert sich der studentische Widerstand, um die Proteste der vergangenen Monate fortzusetzen.
Die Debatte um Spitzenuniversitäten und Exzellenzinitiativen ist in vollem Gange. Während Bundesbildungsministerin Annette Schavan ihren Haushaltsentwurf für 2007 bei der ersten Lesung im Bundestag als großen Wurf feiert, kritisiert der freie zusammenschluss von studentInnenschaften die Absenkung der BAföG-Leistungen bei gleichzeitiger Erhöhung der Mittel für Stipendien und die mutmaßliche Streichung der Gelder für die Gleichstellung von Frauen in Bildung und Forschung.
In der vorlesungsfreien Zeit denken die Studierenden – die lange politisch entkernt wirkten und mitunter den Eindruck erweckten, sie müßten zu Demonstrationen und Rektoratsbesetzungen getragen werden – nicht nur darüber nach, wie sie den Schwung der Frühlingsmonate mitnehmen und noch einmal Zehntausende auf den Straßen versammeln können. Seit ihre Anliegen tatsächlich Gegenstand öffentlicher Debatten geworden sind, spielt auch die Frage, wie sie in der Öffentlichkeit dargestellt werden, eine immer wichtigere Rolle.
Wir haben genau gesehen, wer da geschossen hat. Ach Deutschland …
Schon ihre Vorgänger, die in der zweiten Hälfte der 60er Jahre eine viel diskutierte Studentenbewegung initiierten, wußten um die Bedeutung der Medienlandschaft, die ihnen freilich erst spät und vergleichsweise selten Gelegenheit gab, ihre Sicht der Dinge selbst zu artikulieren. Die damalige Protestbewegung machte einen Großteil der bundesrepublikanischen Presse – allen voran den verhaßten Springer-Konzern – deshalb mitverantwortlich für die Eskalation der politischen Auseinandersetzungen und schließlich auch für die reale Gewalt. In seinem Gedicht „Drei Kugeln auf Rudi Dutschke“ reimte Wolf Biermann 1968:
Die Kugel Nummer eins kam
Aus Springers Zeitungswald
Ihr habt dem Mann die Groschen
Auch noch dafür bezahlt
Ach Deutschland, deine Mörder
Es ist das alte Lied
Schon wieder Blut und Tränen
Was gehst Du denn mit denen
Du weißt doch was dir blüht!
Die aktuelle Situation trägt weitaus zivilere Züge, doch Ausschreitungen, Polizeieinsätze und mehrere hundert Verhaftungen zeigen, daß es nicht immer bei friedlichen Diskussionsbeiträgen bleibt. Für viele Presseorgane, die monatelang alles getan haben, um eine differenzierte Auseinandersetzung mit den strittigen Themen zu vermeiden, wird die Sache jetzt erst interessant. In auflagenstarken Zeitungen erscheinen eindeutige, schuldzuweisende Schlagzeilen wie Studentenproteste eskalieren, und selbst Medien, denen eine ausgewogenere Berichterstattung zuzutrauen gewesen wäre, begnügen sich erst einmal mit Agenturmeldungen, die ein bißchen 1848 und einen Hauch von 1968 in die dröge gewordenen deutschen Lande tragen.