Von Seiten der Gegner Hitlers und der Bevölkerung gab es Witze erst als respektlose Antwort auf die neuen Herrenmenschen, dann als geflüsterten Kommentar zu Gleichschaltung, Arisierung und Pogromen, und am Ende als zynischen Abgesang auf ein verbrecherisches Regime. Rudolf Herzog hat dazu ein Buch vorgelegt:

Hitler und sein Chauffeur fahren übers Land. Auf einmal bumm! ein Aufprall! Sie haben ein Huhn überfahren. Hitler zum Chauffeur: „Wir müssen es dem Bauern melden. Lassen Sie mich mal machen, ich bin der Führer, er wird es verstehen“. Nach 2 Minuten kommt Hitler angerannt und hält sich den Hintern – der Bauer hat ihn verdroschen. Die beiden fahren weiter. Doch plötzlich bumm! platsch! wieder ein Aufprall! Sie haben ein Schwein überfahren. Hitler zum Chauffeur: „Diesmal gehen aber Sie zum Bauern!“. Der Chauffeur gehorcht dem Befehl, kommt aber erst nach ? Stunde wieder, vollkommen betrunken und mit einem Korb mit Würsten und Geschenken in der Hand. Hitler vollkommen erstaunt: „Ja mein Gott, was haben Sie dem Bauern denn gesagt?“ Darauf der Chauffeur: „Ich habe nur gesagt: Heil Hitler, das Schwein ist tot! –und da haben Sie mir diese Geschenke gegeben!“

Humor und Komik – in kaum einem Land dürfte es weniger Grund zum Lachen gegeben haben als in Deutschland zu Zeiten des Dritten Reichs. Aber: wurde in Deutschland tatsächlich nicht mehr gelacht? Natürlich wurde gelacht, ja, es wurde sogar um das Lachen gerungen: von Seiten des Regimes gab es harmlosen Klamauk fürs Volk und diffamierenden Spott gegen die Gegner. Ja, es gab sogar eine von Hitlers Pressechef Putzi Hanfstaengel zusammengestellte und „vom Führer genehmigte“ Sammlung von ausländischen Hitlerkarrikaturen, die freilich von den entsprechenden Kommentaren Hanfstaengels begleitet wurden. In Film, Theater, Kabarett und Radio wurden regimekritische Komiker wie etwa Kurt Gerron, Robert Dorsay und Werner Finck entfernt und durch harmlose und politisch unauffällige Spaßmacher ersetzt. So manch bereits bekannter ‚arischer’ Humorist wie etwa Heinz Rühmann konnte davon profitieren.

Es gab Flüsterwitze, in denen man sich über die neue Partei (Was heißt NSDAP wirklich: Na, Suchst Du Auch ein Pöstchen?), oder die menschlichen Schwächen der Herrenmenschen lustig machte (Wie soll der neue Mensch sein: dünn wie Göring, blond wie Hitler, groß wie Goebbels). Witze dieser Art wurden aber selten oder wenn, dann nur mit einer Verwarnung oder nur leicht bestraft, denn sie wirkten wie Ventile, über die sich angestauter Unwillen in der Bevölkerung abgelassen wurde. Das war dem Regime durchaus bewußt. Aber es gab Kabarettisten wie Werner Finck und Karl Valentin, die wegen ihrer öffentlichen Wirkung gar nicht gern gesehen wurden und nach einiger Zeit mundtot gemacht oder ins KZ geschickt wurden. Und es gab die wirklich scharfen Witze gegen den Führer und seine Horden, wie etwa die, die Fritz Muliar von den unterjochten Franzosen aufschnappte und an der Front, wo er ‚bunte Abende’ zur Erheiterung der Truppe gab, weitererzählte. Er hatte dann auch eher Glück, daß er dafür ‚nur’ 5 Jahre in einer Feldstrafgefangenenabteilung im russischen Donezbogen zu büßen hatte. Wegen Wehrkraftzersetzung wurde – vor allem in den späten Kriegsjahren – so manches Todesurteil gefällt. Hilter selbst in einem Witz den Tod zu wünschen (Hitler und Göring stehen auf dem Berliner Funkturm, Hitler sagt, er möchte den Berlinern eine Freunde machen. Drauf Göring zu Hitler: Dann spring doch vom Turm runter) war alles andere als eine Bagatelle. Der bekannte Schauspieler Robert Dorsay etwa wurde wegen „defätistischer“ Hitlerwitze zum Tode verurteilt wie auch der niedersächsische Pfarrer Joseph Müller, für den in seiner Heimatgemeinde Großdüngen jeden Tag bis heute am Tag seiner Hinrichtung die Totenglocke geläutet wird – im Jahr seiner Hinrichtung hatten die Nazis dies verboten. Und es gab den Galgenhumor der gepeinigten Juden und der KZ-Insassen, die sich die Hoffnungslosigkeit ihrer Situation mit schwarzem Humor zu bannen suchten.

Rudolph Herzog erzählt in seinem Buch von zahlreichen Einzelschicksalen, verfolgt aber als roten Faden die Chronologie der Nazi-Schreckensherrschaft anhand des Pegelstandes der gerade kursierenden Witze. Dabei räumt er in seinem Buch mit manch liebgewordener Vorstellung auf – etwa der, daß jeder Witz über die Herrschenden „gefährlich“ war und immer gleich drakonische Strafen nach sich gezogen hätten. Witze wurden generell eher als Bagatelldelikte behandelt, konnten aber den Nazis willkommener Anlaß sein, unliebsame Gegner und Kritiker aus dem Verkehr zu ziehen. Die Bestrafung war also immer personenabhängig.
Herzog prüft anhand der Flüsterwitze, wieviel die Bevölkerung über das tatsächliche Wesen der Diktatur wußte und ob die Witze das System eher schwächten oder stärkten. Erstaunlich ist, welches Wissen über das Regime sich schon ganz früh in den Witzen spiegelt – egal, ob über Goebbels Propaganda (Klumpfuß’ Märchenstunde), die Konzentrationslager (Lieber Gott, mach mich stumm, daß ich nicht nach Dachau kumm) oder die drohende Niederlage – schon extrem früh kursierten Witze darüber, die zeigen, daß die Bevölkerung sehr wohl Bescheid wußte. Den meisten ging es wohl aber wie dem Mann in folgendem Witz:

Treffen sich zwei Männer auf der Straße. Da sagt einer zum anderen: „Schön dich in Freiheit zu sehen! Wie war’s denn im KZ?“
Darauf der andere: „Großartig! Morgens gab’s Frühstück ans Bett. Bohnenkaffee oder Kakao nach Wahl. Dann etwas Sport. Zu Mittag Suppe, Fleisch und Nachtisch. Und bevor es Kaffee und Kuchen gab, haben wir Gesellschaftsspiele gemacht. Dann noch ein kleines Nickerchen. Nach dem Abendessen haben wir Filme geguckt.“
Der Mann ist ganz erstaunt: „Toll! Was doch zusammengelogen wird! Neulich habe ich den Meyer gesprochen, der auch drinnen war. Na, und der hat mir Dinge erzählt!“
Da nickt der andere ernst und sagt: „Den haben sie ja auch schon wieder abgeholt.“

Herzog streift in seinem Buch alle Bereiche: vom Flüsterwitz auf der Straße bis zu Kabarett, Film und Theater, und liefert so das erste umfassende Buch über Komik und Humor im Dritten Reich.

Rudolph Herzog
Heil Hitler, das Schwein ist tot!
Lachen unter Hitler – Komik und Humor im Dritten Reich
240 Seiten, 12,1 x 21,3
Mit Fotos und s/w Abbildungen
Gebunden mit Schutzumschlag
€ 19,90
ISBN 3-8218-0773-3

Okt. 2006 | Allgemein | Kommentieren