Nachdem das Theater der Stadt Heidelberg am 25. Oktober wegen eines Gutachtens, das auf Sicherheitsmängel hinwies, von Oberbürgermeisterin Beate Weber geschlossen worden war, ist es jetzt schon nicht mehr ganz dicht.
Mittlerweile nämlich – die Büros waren ohnehin bereits über die ganze Zeit hinweg bespielbar – kann nun auch in den Theaterwerkstätten schon wieder gearbeitet werden …

Großen Wert legen Baubürgermeister Raban von den Malsburg und der technische Direktor des Theaters Ivica Fulir darauf, festzustellen, daß der Zuschauerraum nach wie vor der sicherste Raum des Hauses gewesen wäre. Besucher seien mithin nie gefährdet gewesen. Hingegen waren die zum Teil noch aus den 20er Jahren stammenden elektrischen Anlagen auch im Zuschauerraum in der Studie des Karlsruher Ingenieurbüros SEF und Harscher ins Abseits gestellt worden. Wie auch immer, Mitarbeiter hingegen, so muß es mittlerweile scheinen, waren wirklich gefährdet, so antwortete doch Intendant Peter Spuhler auf der Oberbürgermeisterin Frage, ob die Sicherheit der Mitarbeiter noch gewährleistet sein würde, mit einem dezidierten „Nein“ – was zu schlechter Letzt die OB dann auch zur Schließung veranlaßte. Unter dem Putz nämlich auch im Zuschauerraum lauern die in 150 Jahren immer mal wieder an- und umgebauten Stromleitungen darauf, auch mal sprühen zu dürfen. So hätte es auch dort zu einem Brand kommen können.

1AAAAR Und, wenns brennt, dann sind halt nun mal alle gefährdet. Dem hilft auch kein noch so eiserner Vorhang ab. Und ein auch noch so umtriebiger Intendant könnte nicht verhindern – hat sich ein Kabel unterm Putz im Zuschauerraum erst einmal entschlossen, einen Brand zu verursachen – daß trotz eines auch noch so eisernen und noch so runtergelassenem Vorhang Flammen übergreifen könnten in den „Arbeitstrakt“.
Schlüssig also, die dann apostrophierte Gefährdung der Mitarbeiter. Und daß die OB gar nicht anders konnte, als nach dieser intendantlichen Einlassung, seinem „Nein“ also, das Haus erst mal dicht zu machen, läßt sich leicht nachvollziehen. Fahrlässigkeit schließlich, oder gar strafbares unverantwortliches Nicht-Handeln, das wollte sie sich nicht vorwerfen lassen.

All dies gab aber auch Spekulationen in der Stadt Raum: Die Theaterleitung habe auf der „Wir-retten-das-Theater“-Welle reitend im Galopp gepokert, auf schnelles Geld gespielt – und verloren. Für die nämlich angedachten und für eine Generalsanierung des Theaters benötigten 40 Millionen Euro konnte nun auch nach „Nein“, Schließung und Tränen ein Abhilfe schaffender Hahn nicht geöffnet werden. Konnte deshalb nicht, wie der Baubürgermeister während einer Pressekonferenz betont, weil der städtische Haushalt das nun mal nicht hergibt …
Derweil sind die Mitarbeiter in wahrlich großen Einsätzen gefordert, spielen in Sälen, Kirchen – Klöstern? – da könnte ja der auch raumlose KMD Peter (hilft Peter) Schumann einige Ratschläge geben – und Leih-Theatern wie etwa in Schwetzingen Mutmachtheater vom Feinsten.
Die Mehrbelastung der Mitarbeiter zwar nicht, aber die Mehrkosten des immensen personellen wie finanziellen Aufwandes, wollte Peter Spuhler von der Stadt getragen wissen. Aus dem Theaterbudget jedenfalls sei das nicht zu satteln, meinte der Intendant. Dies, zumal für einige der Ersatzspielstätten naürlich auch Mieten gezahlt werden müßten. Daß mit der Sanierung erst begonnen werden könne, nachdem die Finanzierung gesichert ist – Baubürgermeister v. d. Malsburg: „abspecken, oder zusätzliche Gelder auftreiben“ – läßt befürchten, daß noch einige Herbste ins Land gehen, bis das Theater um das Theater im Theater das Theater nicht mehr beeinträchtigt. Schaun wir mal, wer oder was da auf der bislang für die gerade vom Hauptausschuß genehmigte große Sanierung auf der auf frühestens Sommer 2008 angelegten Strecke bleibt … Wein aus Wasser werden lassen können, die Geschichte glaubten wir gern. Aus (dafür zur Verfügung stehenden) 20 Millionen aber 40 aus dem Hut zu zaubern, da hilft Glaube allein in der Regel nicht weiter …

Jürgen Gottschling

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Ein dennoch notweniges nota bene, geschrieben – wie auch immer das nun mit diesem Gutachten, das wohl ursprünglich in Auftrag gegeben wurde, um herauszufinden, was denn wirklich sofort renoviert werden muß, nun gelaufen ist – und wohl wissend, daß natürlich in Zeiten finanzieller Zwänge, die nicht nur einzelne deutsche Städte betreffen, sondern Zeichen einer europäischen Krise sind, Kultur nicht grundsätzlich einem Spar-Tabu unterliege. Und auch, daß 40 Millionen Euro, die das Theater für die Instandsetzung benötigt, kein einfach irgendwo zu aquirierender Pappenstil sind. Jedoch war und ist auch klar, daß Theater kein Auswuchs verlorengegangener Prosperität ist. Kultur befand sich in neuerer Zeit fast immer in einem finanzpolitischen Ghetto. So aber sollen Schauspieler – im kommenden Winter zumal – auch in der Zeit der bausubstanzlichen Konsolidierung des Theaters nicht spielen müssen:

Wir erinnern uns gerne an das städtische Unterwegstheater mit dem köstlichen Fußballstück. Da konnten Protagonisten wie Zuschauer mit großem Vergnügen miterleben, was Fußball zu er-leben bedeutet. Im Freien …

Natürlich müssen wir uns nicht ängstigen, daß die Stadtverwaltung die Theatertruppe in Regen, Schnee oder Eis stehen oder liegen lasse.
Und, eigentlich haben wir das Bild nur nochmal gezeigt, um vor Augen zu führen, wie agil das gesamte Ensemble hier wie dort mit-gearbeit hat. In der Tat, sogar im Regen: Jetzt aber wieder zum möglichen Szenario, zum Ernst der Lage:

Theater ist kein entbehrliches Extra, das Kommunen zu ihren freiwilligen Ausgaben rechnen dürfen und mit dem sie in finanziellen Zwangslagen schnell und unbedenklich umsprigen können. Neben allem anderen ist Theater vor allem auch ein Kontinuum, das als solches zu schützen und in seiner Entwicklung und Entfaltung zu schützen ist. Dies prophylaktisch der Grünen OB-Kandidatin auf den Weg gegeben, die ja nun „der Heidelberger“ Jugend wider alle Vernunft versprochen hat, die Feuerwache zu einem Mega-Jugendzentrum umzubauen.

Degas-HarlekinVielleicht hat sie das ja wirklich gar nicht wider besseres Wissen gesagt – und hätte dann gelogen – vielleicht geht sie ja wirklich davon aus, das dafür erforderliche Geld könne ja anderswo abgezwackt werden. Dem „bürgerlichen“ Theater vielleicht? Nichts gegen Visionen, die bei den Grünen ohnehin längst verloren gegangen zu sein scheinen. Und nichts gegen Mittel für ein Jugendzentrum. Jedoch sind hier Augenmaß und Ehrlichkeit gefordert. Nicht alle Inszenierungen sind in Kirchen, Hallen oder im Freien zu spielen. Und, werden der Schließung wegen (Ensemble, Technik und alle anderen Mitarbeiter des Hauses engagieren sich auf bewundernswerte Weise) erst einmal Inszenierungen gestrichen, wenn weitere Schließmonate in Kauf genommen und Spielpläne künftig von „antibürgerlichen“ Begehrlichkeiten nach Einnahme Erwartungen sollten gestaltet werden, dann sind das keine zu korrigierenden Korrekturen mehr, dann wird vielmehr die Struktur des Theaters angegriffen und katastrophal geschädigt. „Antibürgerliche“ Politiker müßten den auf Zeit berufenen Fachleuten auch so viel Sachverstand zubilligen, daß diese ihnen sagen, wo die Korrektur zur Zerstörung gerät, wo Reduzierung unersetzbaren Verlust bedeutet. Was wir jetzt aufgeben, verlieren wir auf lange. Man gehe zur Wahl! got

Okt. 2006 | Heidelberg, Allgemein, Feuilleton | Kommentieren