Das eigentümliche Gefälle zwischen Mehrheitsdeutschen und sogenannten Eliten, was Gelassenheit im Umgang mit dem deutschen Erbe angeht, läßt uns nicht los.
Die Schweriner Ausstellung mit Plastiken von Arno Breker bestätigt einmal mehr die bekannte Rollenverteilung: hier die schweigende Mehrheit, die neugierig der Schau entgegensieht; dort die privilegierte Gruppe derer, die ihre Meinung veröffentlichen darf und sich überbietet in Bedenkenträgerei. Die Ankündigung von Klaus Staeck, seinerseits eine Ausstellung abzusagen, wenn gleichzeitig Breker gezeigt wird, machte den Anfang. Die üblichen Verdächtigen, mit der erstaunlichen Ausnahme des Günter Grass, fügten immer neue Gründe hinzu, warum Arno Breker unzumutbar sei. Den Vogel schoß ein Autor in der „Süddeutschen Zeitung“ ab, der allen Ernstes verkündete, solange kein Werkverzeichnis Brekers vorliege und derselbe nicht „kunsthistorisch aufgearbeitet“ sei, könne man sein Werk nicht präsentieren.
Begriffsklimbim
Der autoritäre Charakter, der sich ausgerechnet von den armen Kunsthistorikern das geistige Oberkommando erhofft, ist offenbar deutschen Intellektuellen nicht auszutreiben. Wenn ihnen nicht unter Zuhilfenahme von möglichst viel Begriffsklimbim jemand sagt, wo es lang geht, trauen sie sich nach wie vor nicht aus dem Haus. Daß durch diese sogenannte Debatte um Arno Breker natürlich nur wieder der Dämonisierung eines Künstlers sowie – was schwerer wiegt – des Nationalsozialismus Vorschub geleistet wird, ist diesen Anhängern der politischen Korrektheit offenbar nicht klar, oder sie blenden es aus, weil ihnen diese Dämonisierung so oft nützt, sich selbst zu profilieren.
Breker gefiel nicht nur Hitler und Co.
Dabei kann ja wohl unter erwachsenen Menschen kein Zweifel daran bestehen, daß man über Arno Breker mehr wissen sollte. Seine internationalen Anfänge, seine Freundschaften vor allem mit Franzosen und in Frankreich lebenden Künstlern, schließlich seine Kontakte zu den Größen der Politik und Wirtschaft Nachkriegsdeutschlands werden mitunter schamhaft von denen ins Feld geführt, die immerhin nicht ganz ausschließen wollen, daß man vielleicht eines fernen Tages einen etwas präziseren Eindruck von diesem merkwürdigen Mann haben sollte, der ja offenbar nicht nur Hitler und Co. gefiel.
Doch dieser mildernden Umstände bedarf es gar nicht. Brekers Ästhetik, die auch zum NS-Regime paßte, ist in ihrer monumentalen Kraft-Körperlichkeit, betrachtet man die Kunstgeschichte etwas genauer, universal.
Nicht allein auf weiter Flur – epochenspezifisch …
Und sie ist natürlich, wie nur ein flüchtiger Blick auf, sagen wir, seine Kollegen in Italien und der Sowjetunion zu jener Zeit lehrt, auch überaus epochenspezifisch. Wie kommt es nur, so müßte man ja fragen, daß dieses Kraftprotzentum periodisch immer wieder fasziniert? Was bedeutet es, wenn ein Künstler seelische Differenziertheit derart geringachtet und den Menschen nur als aggressive, expansive Energiemaschine zeigt und dafür geschätzt wird? Die Untersuchung müßte ästhetisch und sozialpsychologisch zugleich vorgehen. Sie müßte sich aber zuallererst der genannten Faszination einmal stellen. Das aber geht nur, wenn man die Werke auch sieht. Der augenblickliche Eiertanz um Arno Breker ist jedenfalls vollkommen unproduktiv, schlimmer noch: Er droht zu entarten zum Tanz ums goldene Kalb.