Der Kultfilm „Alexis Sorbas“ hatte seine Musik weltberühmt gemacht. Mikis Theodorakis aber hat nicht nur die Musik, sondern auch die Politik seiner Heimat Griechenland geprägt. Auch mit 90 ist seine Meinung noch gefragt, obgleich sich der griechische Politiker und Liedermacher Mikis Theodorakis längst aus dem aktiven Musikleben und der Tagespolitik zurückgezogen hat. Er bleibt in Griechenland für Musiker und Politiker eine Autorität: Zuletzt war es der griechische Regierungschef Alexis Tsipras, der ihn nach seinem Wahlsieg im Januar 2015 in seinem Haus unterhalb der Akropolis von Athen besuchte. Theodorakis gab ihm mit den Worten „Ich stehe Dir bei“ seinen Segen.
Theodorakis erhebt seine Stimme gegen die Sparpolitik der EU
Nach Ausbruch der schweren Finanzkrise in Griechenland gründete Theodorakis aus Protest gegen die harten Sparmaßnahmen eine Bewegung gegen die Unterwerfung Griechenlands. „Wir erleben eine nationale Tragödie“, rief er seinen Landsleuten 2012 mit zittriger Stimme zu. „Ohne Grund“ seien die Griechen an „den Rand des Abgrunds manövriert worden“.
Dass Politiker seinen Rat suchen, war nicht immer so: Als Widerstandskämpfer während des Nationalsozialismus und im griechischen Bürgerkrieg nach dem Zweiten Weltkrieg sowie als Kämpfer gegen die Militärdiktatur von 1967 bis 1974 wurde er verbannt, gefangen genommen und gefoltert. Erst nach 1974 kehrte er in das demokratische Griechenland zurück, das er von da an politisch mitgestaltete.
Theodorakis tanzt mit Anthony Quinn am 29. Juli ’95 zu seinem 70ten in München den Sirtaki
Viele verbinden den Namen Mikis Theodorakis mit der berühmten Musik aus dem dreifach Oscar-prämierten Kultfilm „Alexis Zorbas“, die ihn 1964 weltweit berühmt machte. Der dazugehörige Tanz Sirtaki gilt Nichtgriechen als Inbegriff des griechischen Volkstanzes, dabei wurde die Schrittfolge eigens für den Film erfunden.
Doch Mikis Theodorakis hat weit mehr als traditionelle Musik komponiert: Über tausend Lieder hat er im Laufe seines Lebens geschrieben. Außerdem komponierte er zahlreiche Symphonien, Opern, Kammer-, Ballett- und Filmmusik. Und doch: Zur Symbolfigur des linken Kampfes machten ihn seine einfachen, emotionalen Volkslieder, die in der griechischen Tradition wurzeln und in deren Texten er die großen Dichter seines Landes zum Klingen bringt.
Widerstandskämpfer und Kulturrevolutionär
Mikis Theodorakis wurde am 29. Juli 1925 auf der Insel Chios im Agäischen Meer geboren. Schon mit dreizehn Jahren verfasste er seine ersten Kompositionen. Zur Musik sei er durch einen alten Film über Beethoven gekommen, erzählte er einem griechischen Fernsehsender. Der junge „Mikis“ träumte von einer Musikerkarriere und schrieb sich als Student am Athener Konservatorium ein.
Mikis Theodorakis 1968 mit seiner Familie
Doch sein Studium wurde schnell unterbrochen: Während der Besatzung Griechenlands durch deutsche Truppen kämpfte Theodorakis im Widerstand gegen die Nazis. Im griechischen Bürgerkrieg von 1946 bis 1949 schloss er sich der linken Volksfront an. Eine regelrechte Kulturrevolution stieß Mikis Theodorakis mit seiner Musik an. Er vertonte die sozialkritischen Texte des Dichters Yannis Ristos zu den Klängen eines verpönten Volksinstruments, der Bouzouki.
International erfolgreich, zuhause verboten
Der Soundtrack zum Hollywood-Epos „Alexis Sorbas“ mit Anthony Quinn und die Ballade „Mauthausen“, 1965 gesungen von der damals 16-jährigen Maria Farantouri, verschafften Mikis Theodorakis endgültig Weltruhm. Während seine Musik in Griechenland die Suche des Volkes nach einer eigenen modernen, kulturellen Identität befeuerte, setzt der Komponist im griechischen Parlament als Abgeordneter den politischen Kampf fort.
Solange, bis sich die Militärjunta am 21. April 1967 an die Macht putschte und Theodorakis in den Untergrund ging. Als der von ihm verehrte linke Abgeordnete Grigoris Lambrakis ermordete wurde, schrieb Theodorakis die Filmmusik für den Politthriller “Z“ über die Errichtung der griechischen Militärdiktatur und setzte seinem Idol damit ein musikalisches Denkmal.
Als Gründer der Patriotischen Front wurde Mikis Theodorakis erneut verhaftet, gefoltert und in ein Lager verbannt. Seine Musik wurde verboten. Erst eine internationale Solidaritätsbewegung von illustren Künstlern wie Dmitri Schostakovitsch, Leonard Bernstein, Arthur Miller und Harry Belafonte konnte seine Freilassung erwirken, und Thedorakis wurde 1970 ins Exil abgeschoben.
In Konzerten prangerte er Diktaturen jeglicher Couleur an und warb für den Widerstand gegen die Militärdiktatur in seiner Heimat. Im Exil in Frankreich entstand auch seine berühmte Vertonung des revolutionären „Canto General“ aus der Feder des chilenischen Dichters Pablo Neruda.
Nach dem Sturz der Diktatur kehrte Mikis Theodorakis 1974 in seine Heimat zurück und wurde als Ikone der Freiheit wie ein Volksheld gefeiert. Mit seinen Liedern sprach er Unzähligen seiner Landsleute aus dem Herzen, und so sangen die Griechen begeistert sein „Imaste dio““mit.: „Wir sind zwei, wir sind drei, wir sind 1013 und wenn wir zusammenhalten, bewegen wir die Welt.“
Zahlreiche Künstler, zahlreiche Sänger und Sängerinnen Griechenlands haben seine Werke in den Folgejahren aufgeführt. Zu den bekanntesten zählen Vicky Leandros, Nana Mouskouri und Maria Farantouri. Maria Farantouri, wird auch zu seinem 90. Geburtstag zum wiederholten Male mit seinen Liedern auf Tournee gehen. „Z“
Und, nachdem(!) Sie den Text „Z“ gelesen haben: Hier der Film
28.Jul.2015, 19:43
Schöner Beitrag zu Mikis Theodorakis heutigem (gerade 15 Minute altem) 90. Geburtstag. Danke, Jürgen Tenno!
Am Ende des Beitrags werden drei Sängerinnen erwähnt, die seine Lieder singen. Dies bedarf der Ergänzung: Milva. Maria del Mar Bonnet. Petros Pandis. Giorgios Dalaras. Quijote (aus Chemnitz, eine Gruppe),Georges Moustaki, Antonis Kalogyiannis, Yannis Kotsiras, G. Bitsikotsis (oder so ähnlich),Julie Dennis….und auch viele viele Chöre, darunter z.B. auch ein toller Chor aus Bremen (Canto General), Julia Schilinski, Agnes Baltsa u.v.a.m. tja und manchmal singe auch ich das eine oder andere Lied vor mich hin. In der Küche, am Bahnhof, auf der Straße oder im Weinloch…
Alles sehr bekannte Einzelsänger (außer mir natürlich), aber in Deutschland inzwischen kaum wahrgenommen. Das mag sich ja ändern.
Beste Grüße
Fritz Feder
29.Jul.2015, 14:55
Lieber Mikis, wir erinnern uns, Ariel und ich, an unsere erstaunte Freude, anlässlich eines Konzerts in Paris, lang ist’s her, als dein erster Enkel geboren wurde.
Du verbeugtest dich vor dem Publikum und hattest in den Augen das Licht der Liebe und der Freude. Du, ein Mann, der durch die Hölle gegangen ist, Haft, Folter, Vertreibung und Exil erlitten hast, hattest überlebt, um das natürlichste aller menschlichen Schicksale Wirklichkeit werden zu lassen: Du warst Großvater geworden.
Jetzt hast du deinen neunzig Geburtstag erreicht, und das Gefühl des bewundernden Erstaunens ist erneut da.
Alle deine Errungenschaften: die unzähligen Stunden unsterblicher Musik, die literarischen, theoretischen, autobiographischen, politischen Schriften, dein Engagement als Citoyen und deine unermüdlichen Aktivitäten, deine persönlichen Prüfungen und Sorgen. Wo hast du immer wieder die Kraft gefunden, wo findest du sie weiterhin, um all dies immer noch, ohne zu wanken, auf dich zu nehmen?
Kopfschüttelnd bewundern wir dich und können nur sagen: Vielen Dank, lieber Mikis, für deine Kreativität, die Fülle der Schönheit, die du unserm Leben hinzugefügt hast. Vielen Dank für deine Hingabe an die Pflicht, für das Beispiel, das du für uns alle gewesen bist und immer bleiben wirst.
Du darf uns nie verlassen, wir brauchen dich zu sehr – und Griechenland braucht dich am meisten. Dein geliebtes Land, für das du immer noch leidest, gerade jetzt wieder, wo es erneut eine antike Tragödie durchlebt. Dein Volk, das aufrecht steht, stolz in seiner Verzweiflung die Faust hebt und sein trotziges OXI! jenen mächtigen Göttern entgegen schreit, die verrückt nach Geld sind, die ihre Wut hinausheulen und ihre erbarmungslose Rache stillen.
Griechenland und wir, deine Freunde, brauchen in unseren Ohren dein Brüllen eines alten Löwen. Wir brauchen deine weiße Mähne und deine blitzenden Augen vorn an der Spitze des Kampfes, verwundet, gewiss, aber immer noch vollkommener Bürger, der die gerechte Sache mit seiner angeborenen Tapferkeit und Integrität verteidigt. Wir lieben dich, Mikis Theodorakis, wir lieben und brauchen dich.
Glückwunsch zu Neunzigsten – und zu vielen weiteren Geburtstagen. Χρόνια πολλά.
Ariel, Guy, Claude, David, Suzette
30.Jul.2015, 12:19
Die Opposition in Griechenland will laut Medienberichten den ehemaligen Finanzminister Yanis Varoufakis vor Gericht bringen, weil er die Einführung einer Parallelwährung in Griechenland vorbereiten wollte. Dieser Vorstoß ist ein weiterer Schlag gegen die Demokratie. Heute braucht Varoufakis die Unterstützung von uns allen. Denn in seiner Gestalt wird nicht nur ein ehemaliger Finanzminister oder Ökonom strafrechtlich verfolgt. Verfolgt wird jeder, der es wagt, sich gegen die EU-Diktatur aufzulehnen. Jeder alternative Ausstiegsplan aus der Krise wird somit sofort indirekt oder direkt kriminalisiert. Bisher wurden diejenigen, die über einen Austritt aus der Eurozone gesprochen haben, entweder entlassen (z.B. Journalisten) oder an den Rand gedrängt (Akademiker oder Politiker). In Zukunft werden sie auch von der selbsternannten ‚Justiz‘ gestellt.
Vielen Dank für die solidarische und wahrhaftige Berichterstattung der Rundschau, viele Bekannte hier in Athen lesen das mit großer und dankbarer Freude.
Grüße
Xenia